Brandenburg
Landtagswahl im Zeichen der sich verschärfenden offenen politischen Krise
Das war ein Paukenschlag: Mit der höchsten Wahlbeteiligung von 72,9 Prozent seit der Wiedervereinigung wurde das Ergebnis der Landtagswahlen von 2019 um 11,6 Prozent übertroffen, das der Landtagswahlen von 2014 sogar um 25 Prozent! Im Vergleich zu den Europawahlen in diesem Jahr erhöhte sich die Wahlbeteiligung nochmals um 5,4 Prozent. Das zeigt: In der internationalen krisenhaften Situation der offenen politischen Krise in Deutschland mit der Gefahr des Faschismus politisieren sich zunehmend die Massen, was in der hohen Wahlbeteiligung deutlich zum Ausdruck kommt.
Gewinner der Wahl ist die SPD mit 30,9 Prozent (+ 4,7 Prozentpunkte / immer im Vergleich zur Landtagswahl 2019), gefolgt von der AfD mit 29,2 Prozent (+ 5,7 Prozentpunkte), dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) mit 13,5 Prozent, CDU mit 12,1 Prozent (- 3,5 Prozentpunkte), Grüne mit 4,1 Prozent (- 6,7 Prozentpunkte), Linke mit 3,0 Prozent (- 7,7 Prozentpunkte), FDP mit 0,8 Prozent (- 3,3 Prozentpunkte). Die Ampel-Parteien kommen zusammen nur noch auf 36 Prozent und hätten selbst zusammen mit der CDU keine Mehrheit. Grüne und FDP sind in offene Krisen geraten, die Linke steckt sogar in einer existenziellen Krise. Es ist das erste Mal, dass die Linke nicht mehr in einem ostdeutschen Landtag vertreten ist.
Das bedeutet, dass der künftige Landtag nur noch aus vier Parteien gebildet wird (SPD, AfD, BSW und CDU). Da nach bisheriger Aussage keine der drei anderen Parteien mit der AfD koalieren will, kommt als Mehrheitsregierung ein Dreierbündnis aus SPD, CDU und BSW in Frage. Insbesondere in der CDU/CSU gibt es heftigste Widersprüche, mit dem BSW zusammenzugehen. Auch eine Koalition aus SPD und BSW ist möglich.
Dass die SPD entgegen dem Bundestrend und den Landtagswahlen in Thüringen und Sachsen ein vergleichsweise hohes Ergebnis hat, liegt nicht an der Übereinstimmung mit ihren Positionen. Laut dem Forschungsinstitut dimap haben 75 % (!) der SPD-Wähler vertreten: „Die Politik der SPD überzeugt mich nicht, ich habe sie gewählt, um die AfD zu verhindern“, was die äußerst labile Situation kennzeichnet. Sogar Sachsens CDU-Chef Kretschmer rief zur Wahl der Brandenburger SPD auf, um die AfD als stärkste Fraktion zu verhindern. Das mobilisierte die kleinbürgerlich-parlamentarische Denkweise und es gelang der SPD so innerhalb von zwei Monaten, ihr Ergebnis im Vergleich zu dem der Europawahlen im Juni von 13,1 Prozent um 17,8 Prozentpunkte auf aktuell 30,9 Prozent zu steigern. Zugleich machte die SPD in Brandenburg selbst eine Rechtsentwicklung durch mit der Übernahme von Positionen der AfD. Innenminister Stübgen (CDU) sprach sich für die Abschaffung des individuellen Rechts auf Asyl aus und fordert, eine nationale Notlage auszurufen, denn „die Belastungen sind nicht mehr zu stemmen“. Und auch „Landesvater“ Woidke trat für den Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten ein, fordert eine anlasslose Personenkontrolle und die Ausweitung der Videoüberwachung zu intensivieren. Es gab auch kaum eine öffentliche Kritik an der faschistischen Forderung der AfD nach einem Betretungsverbot bei öffentlichen Veranstaltungen für Asylberechtigte und ukrainische Flüchtlinge.
Die 12 Prozent für die CDU sind das schlechteste Ergebnis der CDU in einem ostdeutschen Bundesland seit der Wiedervereinigung. Es ist eine Klatsche, insbesondere für den neu gekürten Kanzlerkandidaten Friedrich Merz. Seine aggressive faschistoide Hetze gegen Migranten hat der CDU nicht genutzt, im Gegenteil war dies eine regelrechte Wahlhilfe für die AfD. Die offenen Faschisten vom „III. Weg“ erhielten zwar nur 0,12 Prozent, allerdings hatte die AfD in Brandenburg zunehmend ihren faschistischen Charakter zur Schau gestellt. Der AfD-Spitzenkandidat Hans-Christoph Berndt pflegt beste Kontakte zur faschistischen Szene. Es bleibt eine dringende Aufgabe an alle fortschrittlichen Kräfte, den antifaschistischen Kampf, insbesondere die weltanschauliche Auseinandersetzung zu verstärken.
Die Unzufriedenheit der Massen mit der Bundesregierung, den bürgerlichen Parteien und allgemein mit den politischen Zuständen setzte sich damit bei dieser Wahl fort. Die Herrschenden können immer weniger in der alten Weise regieren. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer brachte es fertig zu loben: „Dietmar Woidke hat dem Land sehr gutgetan!“ Wo lebt denn dieser Mann? In Brandenburg ist der Niedriglohnsektor sehr groß: 25 Prozent der Arbeitenden verdient weniger als 14 Euro brutto/Stunde, 10 Prozent aller Beschäftigten erhalten eine Aufstockung mit Bürgergeld, obwohl sie arbeiten, es existiert ein chronischer Pflegenotstand und es gibt zu wenig Ärzte. Wem hat das sehr gutgetan? Die offene politische Krise verschärft sich mit dieser Wahl. Sie drängt immer mehr auf eine Entscheidung. Ungeklärte Fragen der Regierungsbildung auch in Sachsen und Thüringen kommen hinzu. Thüringens FDP-Chef Thomas Kemmerich fordert den Austritt der FDP aus der Ampel, CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderte am Wahlabend Neuwahlen auf Bundesebene und zahlreiche Medien zitieren FDP-Chef Wolfgang Kubicki, der sagte, dass die Ampel Weihnachten nicht mehr erleben werde. Wenn es nach ihm ginge, will er der Ampel ein Ultimatum von drei Wochen für eine noch ultrareaktionärere Politik setzen.
Die MLPD hat in Brandenburg nicht kandidiert – wir haben aktiv den Wahlkampf in Thüringen mitgetragen und dazu beigetragen, in die ernste faschistische Gefahr eine Bresche zu schlagen. Gegen die faschistische Gefahr positionierten sich in Brandenburg neben der MLPD als antretende Parteien die DKP und die Tierschutzpartei. Angesichts der Aufgabe, eine breite antifaschistische Einheitsfront gegen die faschistische Gefahr aufzubauen, haben wir uns trotz verschiedener Differenzen für die Wahl der Landesliste der Tierschutzpartei und von Direktkandidaten der DKP ausgesprochen.
Bei unseren Einsätzen in Brandenburg - in Eisenhüttenstadt, Potsdam, Brandenburg an der Havel, Welzow oder Ludwigsfelde, darunter vor zahlreichen Betrieben - gab es zum einen eine große Zustimmung von vielen zu unserer Kernlosung „Wer AfD wählt, wählt Faschismus!". Gleichzeitig gab es bei anderen eine ausgeprägte Polarisierung, sich für die AfD starkzumachen, unter anderem mit dem Argument: „Die tun was und die Ampel muss weg“. Hier war es wichtig, geduldig den faschistischen Charakter der AfD aufzuzeigen, ihre völkische Ideologie und arbeiterfeindliche Politik anzugreifen - aber auch die Kritik an der Bundesregierung als Dienstleister der Konzerne zu führen. Besonders die Auseinandersetzung um die gesellschaftliche Alternative, den echten Sozialismus, führte zu tieferen Gesprächen mit den Erfahrungen vieler Ex-DDR-Bürger, die von "30 Jahren Sozialismus" genug hatten. Die Erfahrungen machten deutlich, welches Potenzial vorhanden ist, die MLPD, den Jugendverband REBELL aufzubauen – in die Aufbauarbeit in Brandenburg deutlich mehr zu investieren.
Die MLPD führte auch die Kritik am internationalen Übermonopol Tesla. Während die SPD die Ansiedlung des Werkes als Erfolgsmodell anpries, unterstützte die MLPD die Anwohner und die Tesla-Beschäftigten in ihrem Anliegen, gegen die rigorose Umweltzerstörung durch Tesla zu rebellieren und für höhere Löhne für die Arbeiter und Angestellten zu streiken. Die MLPD wird sich in der nächsten Zeit vor allem dafür einsetzen, die Kämpfe der Industriearbeiterschaft zu fördern, damit sich das Potenzial der offenen politischen Krise in eine fortschrittliche Richtung entwickelt.