Netzwerk der Betäubungsmittel-Vergewaltiger
Abgründe: „Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie nicht weiß, dass es passiert ist“
Einen Tag vor der Verkündung des Urteils gegen Dominique Pelicot veröffentlichte das youtube-Portal STRG_F ¹ eine Reportage, die nur einen Schluss zulässt: Diese Methode der Vergewaltigung hat über das Internet massenhafte Verbreitung erreicht.
Die Reporter begannen ihre Recherche bereits 2023. Auf dem Messengerdienst Telegram entdeckten sie ein riesiges Netzwerk aus Chatgruppen, in denen es um die Vergewaltigung betäubter Opfer geht.
Bisher beispiellose Ausmaße
Die größte Gruppe, mit der die Reporter zu tun hatten, hatte nicht weniger als 73.000 Mitglieder. Kleinere Gruppen haben mehrere Hundert Mitglieder. Wie lange diese Szene so schon existiert, ist nicht bekannt. Es ist ein dynamischen Netzwerk: Ein Geflecht aus verschiedenen Gruppen unterschiedlicher Größe, die aufeinander verweisen und einander ergänzen. Fällt eine Gruppe aus, entsteht sofort eine neue.
Dieses Netzwerk hat sich nicht etwa im sogenannten „Darknet“ gebildet, sondern in den sozialen Netzwerken. Wahrscheinlich konnten sie auch nur so solche Ausmaße annehmen.
Ausgeprägte Gewissenlosigkeit
Bei den Auszügen aus den Chatprotokollen fällt auf, dass kaum einer der Teilnehmer auch nur das geringste Schuldbewusstsein zu haben scheint. In dem Kontext dieser Gruppen ist die völlige Geringschätzung der fast ausschließlich weiblichen Opfer aus dem engsten Umfeld der Täter vollständig normalisiert. Ausführlich wird die Eignung legaler Medikamente und illegaler Drogen diskutiert, mit denen man die Opfer betäuben kann. Oft wird das Mittel mit Alkohol verabreicht.
„Es ist keine Vergewaltigung, wenn sie nicht weiß, dass es passiert ist“, so ein englischer Kommentar mit Bild einer nackten Frau – und dieser auf negativste Weise sardonische Humor bringt den ganzen Horror dieser Gruppen auf den Punkt. Die, die dort fortwährend misshandelt werden, ahnen nichts davon. Die Täter stacheln sich gegenseitig zu immer perverseren und obszöneren Verbrechen an. Vergewaltigungen werden live vor Hunderten Zuschauern gezeigt, teilweise nach den Wünschen, die die Zuschauer im Chat äußern.
Das Internet wirkt hier als Katalysator. So viel Bestätigung für die niedersten Gelüste bricht alle Hemmungen und schafft auf eine paradoxe Art unter den Tätern ein naives Vertrauen. Selbst Wohnadressen werden relativ leichtfertig untereinander ausgetauscht.
Mit allem kann man Geld machen
„Sexualität wird in der bürgerlichen Gesellschaft zur Ware, wird gekauft und verkauft und zum Werbeträger degradiert“ stellen die Autoren des Buchs „Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur“ auf Seite 181 fest. Das gilt auch für die schlimmsten und verbrecherischsten Auswüchse: Einige Mitglieder bieten solche Vergewaltigungsinhalte gegen Geld an.
Händler stellen nicht nur die benötigten Betäubungsmittel inklusive Anwendungstipps bereit – ob legal, illegal oder aus der Veterinär-Medizin – sondern liefern sie direkt mit entsprechender Tarnung. Eines der von STRG_F untersuchten Mittel, ein offensichtlich mit pharmazeutischer Fachkenntnis zielgerichtet hergestellter Mix verschiedener Chemikalien, wurde als Haarpflegemittel verkauft und verpackt. Bei einer Hausdurchsuchung wäre das erst einmal unverdächtig. Dem Opfer eingeflößt macht es dieses aber für Stunden bewusstlos, wehrlos und raubt ihm die Erinnerung.
Was tun die bürgerlichen Staatsorgane?
Konsterniert sind die Reporter allerdings über die von ihnen angestrebte Zusammenarbeit mit den Behörden; oft melden die sich erst nach mehrfachen Nachfragen überhaupt zurück. Tatsächlich ist es in der Bundesrepublik Deutschland ja nicht einmal verboten, Vergewaltigungsinhalte zu „konsumieren“ und zu besitzen, sofern das Opfer erwachsen ist. „Kriminalpolitisch ist es nach derzeitiger Einschätzung des Bundesministeriums der Justiz nicht geboten, dies zu ändern“, schreibt selbiges Ministerium dazu am 9.12.2024 auf Anfrage von STRG_F. STRG_F fasst krass verharmlosend zusammen: „Es bleibt unklar, inwiefern die Politik und die Ermittlungsbehörden gegen dieses Netzwerk vorgehen“ (17.12.2024)
Eine abstoßende Erscheinung der Krise der bürgerlichen Kultur
Es ist unbedingt angebracht, gegen diese abscheulichen Verbrechen vorzugehen. Sie sind aber unauflöslich mit den herrschenden gesellschaftlichen Bedingungen verknüpft. Diese Mischung aus Sexismus, Pornographie und Egoismus kann man nicht isoliert ausrotten, auch wenn man sie jetzt schon mit allen Mitteln bekämpfen muss. Die Behörden nehmen diesen Kampf nicht einmal wirklich auf. Und so bleibt es an den Opfern hängen, diesen Kampf zu führen – wie ihn Gisèle Pelicot mit so viel bewundernswertem Mut geführt hat. Wir müssen sie unterstützen. Dieser Kampf muss gesellschaftsverändernden Charakter annehmen, wenn er siegreich sein will.