Wegen „Tagesthemen“-Werbung für AfD-Kandidaten Reil

Wegen „Tagesthemen“-Werbung für AfD-Kandidaten Reil

Rechtsanwälte erheben Programmbeschwerde beim WDR

Gegen den unkritischen Beitrag des WDR in den ARD-“Tagesthemen“ vom 30. Januar, der faktisch eine Werbung für die faschistische AfD und ihren Essener Kandidaten Guido Reil darstellte, hat das Rechtsanwaltsbüro Meister & Partner jetzt eine Programmbeschwerde an die Intendantin und den Rundfunkrat des WDR eingelegt. Gerügt wird darin u.a. die Verletzung von Programmrichtlinien des WDR und des Rundfunkstaatsvertrages. Wir dokumentieren diese Beschwerde im Folgenden:

Von Rechtsanwaltsbüro Meister & Partner
Rechtsanwälte erheben Programmbeschwerde beim WDR
Auch die MLPD Essen fordert seit jeher das Verbot aller faschistischen Organisationen (rf-foto)

Sehr geehrte Frau Vernau, sehr geehrte Mitglieder des WDR-Rundfunkrates,

 

mit Unverständnis und Empörung haben wir den oben genannten, vom WDR verantworteten Beitrag zur Kenntnis genommen. Er missachtet die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung und verletzt die in den Richtlinien gemäß § 11e Rundfunkstaatsvertrag (RStV) unter I. 3 b) niedergelegten Anforderungen an Informationssendungen, in denen es u.a. heißt:

 

„In Berichten und Beiträgen, in denen sowohl berichtet als auch gewertet wird, dürfen keine Tatbestände unterdrückt werden, die zur Urteilsbildung nötig sind. Alle Beiträge haben den Grundsätzen journalistischer Sorgfalt und Fairness und in ihrer Gesamtheit der Vielfalt der Meinungen zu entsprechen. (---) Zur journalistischen Sorgfalt gehört, dass Tatsachenbehauptungen überprüft werden; Vermutungen sind als solche zu kennzeichnen.“

 

Weiter verstößt der Bericht gegen Ziff. 1 der WDR-Programmrichtlinien, in denen es u.a. heißt:

 

„Wir berichten wahrhaftig, fair und kompetent. Wir sind keiner Konfliktpartei verpflichtet und hören immer auch die Gegenseite. Wir nutzen vielfältige Quellen und prüfen ihre Vertrauenswürdigkeit. Interessengeleitete Informationen und Äußerungen machen wir kenntlich. (---) Das gilt in gleicher Weise für die Informationen und Sendungen, die der WDR zum ARD-Programm beiträgt.“

Im Einzelnen:

Zu Beginn des Beitrags wird der AfD-Direktkandidat im Essener Norden, Guido Reil, von der Autorin in verharmlosender Weise vorgestellt: „Er steht für den Wandel“. Sodann darf er unwidersprochen behaupten, es sei „unglaublich, was hier an Zuspruch kommt“, beim Plakateaufhängen gebe es „zwei Drittel Zustimmung und nur ein Drittel Beschimpfung“, die Leute würden der AfD bei Infoständen „die Bude einrennen“, u.v.a.m.


Statt, wie man es von einer Informationssendung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mit seriösem Anspruch erwarten darf, den Kandidaten dieser mittlerweile offen faschistischen Partei mit kritischen Worten zu konfrontieren und seine Darstellung zumindest unvoreingenommen und ergebnisoffen zu überprüfen, lässt Frau Gill sich von ihm anschließend durch seine „Hochburg“ führen. Sie lässt fast ausschließlich Menschen zu Wort kommen, die seine migrantenfeindlichen und rassistischen Ansichten teilen.

 

Bei zumindest einem Interviewpartner (der sich selbst als „Deutsch-Spanier“ bezeichnet) gewinnt man nach Outfit und Sprachgebrauch zudem den Eindruck, dass es sich um einen „bestellten“ AfD-Anhänger handelt. Er vertritt zudem unwidersprochen grob frauenfeindliche Positionen („ich lasse meine Frau nicht mehr raus“). Kritik an Herrn Reil übt niemand in dem Beitrag. Am Ende des Beitrags dürfen dann zwei äußerst isoliert erscheinende Migranten über ihre Ängste und Anfeindungen im Alltag berichten – allenfalls ein Feigenblatt für die fehlende Ausgewogenheit dieses Beitrags, und zudem reduziert auf Ängste und Sorgen.

 

Es steht außer Frage, dass es in Teilen der Bevölkerung im Essener Norden derartige Ansichten gibt und nicht wenige Menschen der Demagogie der AfD auf den Leim gehen – was durch solche Berichte aber mit hervorgebracht wird. Davon, dass es „zwei Drittel Zuspruch“ für sie bzw. Guido Reil gäbe, kann jedoch keine Rede sein und wird diesen Positionen Rückenwind gegeben, so als sei das, was die AfD macht, eben die Meinung des Volkes. Hätte Frau Gill sich die Mühe gemacht, etwas gründlicher zu recherchieren und mit einem breiteren Spektrum der Bewohner von Karnap und Altenessen zu sprechen, dann hätte sie festgestellt, dass es keineswegs überwiegend Zuspruch bei der deutschen und Angst bei der migrantischen Bevölkerung gibt, sondern gleichermaßen eine fundierte Kritik an der AfD und die Ablehnung der bewusst geschürten Hysterie über „illegale Einwanderung“ und „kriminelle Migranten“. Oder hatte sie solche Stimmen und hat sie gezielt nicht gesendet?

 

Von einer eigenständigen Recherche zu Person und Werdegang des Herrn Reil ist in dem Beitrag nichts zu merken. Hier nur zwei Berichte, die dazu einiges hergeben:

 

https://www.derwesten.de/staedte/essen/gudio-reil-essener-trifft-auf-kritiker-und-kann-nichts-erwidern-id225964473.html

 

https://www.rf-news.de/2025/kw05/protest-gegen-kritiklose-parteinahme-der-tagesthemen-fuer-die-afd

 

Herr Reil ist selbst in der AfD hochumstritten. Er musste Strafgelder für dubiose Spenden aus der Schweiz zahlen. Er machte mit rassistischen Äußerungen auf sich aufmerksam. Er stellt sich völlig zu Unrecht als Vertreter der Bergleute da und stellte im Europaparlament dazu nicht eine Anfrage oder Antrag. Er ist in Essen unter der Mehrheit der Bevölkerung äußerst unbeliebt, auch wenn es natürlich eine Klientel gibt, die ihn unterstützt. Er wurde selbst von seiner eigenen Partei nicht mehr zur Europawahl aufgestellt, weil es Anschuldigungen von Frauen über sexuelle Übergriffe gibt. Ohne alle diese Informationen wird für diesen Kandidaten geworben. Für welchen „Wandel“ steht er mit diesen Attributen?

 

Ziel des Berichts von Frau Gill war es aber offensichtlich, die Behauptung von Herrn Reil über den vermeintlich „unglaublichen Zuspruch“ für die AfD durch entsprechende Äußerungen zu belegen. Er bedient damit das falsche Narrativ, wonach die mit den Stimmen der AfD zustande gekommene Entschließung des Bundestages zur Abschaffung des Asylrechts eine Reaktion auf eine vorherrschende Stimmung in der Bevölkerung wäre. Das verletzt gravierend die Grundsätze journalistischer Sorgfalt und fairer Berichterstattung und ist eines seriösen Nachrichtenmagazins unwürdig. Faktisch ist der Beitrag zu einer Werbesendung und „Hofberichterstattung“ für die AfD geraten. Das steht der notwendigen antifaschistischen Aufklärung und kritischen Auseinandersetzung mit der AfD direkt entgegen. Auch über andere antifaschistische Kandidaten wird kein Wort verloren.

 

Wir sehen Ihrer zeitnahen Antwort entgegen und halten es für sehr angebracht, noch im aktuellen Wahlkampf in einem weiteren Bericht auch diejenigen Bewohner von Karnap und Altenessen zu Wort kommen zu lassen, die gegen die Demagogie von Herrn Reil und der AfD schon seit Jahren Widerstand leisten.


Mit freundlichen Grüßen,

Frank Stierlin, Rechtsanwalt