Kleine Anfrage von CDU/CSU
Oberste Priorität für Merz: Angriff auf antifaschistische und fortschrittliche Kräfte
Man konnte fast Wetten darauf abschließen: Drei Tage nach ihrem bescheidenen Wahlsieg startet die CDU/CSU-Bundestagsfraktion einen unverschämten Angriff auf zahlreiche demokratische und antifaschistische Organisationen sowie Institutionen, von denen viele auch zu den antifaschistischen Massenprotesten aufgerufen hatten.
In einer 32 Seiten umfassenden "Kleinen Anfrage" an die amtierende Bundesregierung stellen Friedrich Merz (CDU) und Alexander Dobrindt (CSU) die "politische Neutralität" staatlich geförderter und gemeinnütziger Vereine und Organisationen in Frage. Dabei berufen sie sich auf die Abgabenordnung, laut der eine Körperschaft gemeinnützig ist, "wenn sie gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgt und dabei nicht parteipolitisch agiert". Die antifaschistischen Massenproteste, die sich seit der gemeinsamen Abstimmung mit der faschistischen AfD im Bundestag zunehmend auch gegen CDU/CSU gerichtet hatten, seien deshalb "nicht mehr vom Gemeinnützigkeitsrecht gedeckt". Entsprechend soll ihnen die staatliche Förderung gestrichen werden.
Merz und Dobrindt geht es nicht in erster Linie um Geld und Gemeinnützigkeitsrecht. Die "Kleine Anfrage" bereitet umfassende Angriffe auf fortschrittliches, antifaschistisches und revolutionäres Gedankengut vor. Und natürlich Angriffe auf die Organisationen und Parteien, die Träger von fortschrittlichen und revolutionären Ideen sind und sie verbreiten. Beim Wahlkampfabschluss der Unionsparteien in München plusterte sich Merz als "Mini-Trump" auf und bescheinigte den Millionen zählenden antifaschistischen Demonstranten der letzten Wochen, sie hätten "nicht alle Tassen im Schrank". Links sei vorbei, er jedenfalls werde keine Politik "für irgendwelche grünen und linken Spinner auf dieser Welt" machen. Dass er eine ultrareaktionäre Politik machen will und wird, glaubt man ihm aufs Wort.
Aus dem markigen Geschrei spricht jedoch eine ausgeprägte Defensive. So hat sich Merz das nicht vorgestellt, dass nach seinem "Dammbruch" die Leute massenhaft gegen Faschismus und Rechtsentwicklung auf die Straße gehen. Sogar beim Wahlergebnis musste er Federn lassen.
Von wegen "politisch neutral"!
Ausgerechnet Merz und Dobrindt berufen sich auf den scheinheiligen Anspruch der "politischen Neutralität", der in der kapitalistischen Klassengesellschaft ohnehin eine Farce ist. Eine über den unversöhnlichen Klasseninteressen der herrschenden Monopole und der Arbeiterklasse stehende "Neutralität" kann es nicht geben. Alle bürgerlichen Parteien betreiben die Geschäfte der führenden Monopole - vor allem, wenn sie in der Regierung sind. Alle haben deshalb in den letzten Jahren mehr oder weniger die Rechtsentwicklung im Interesse der Herrschenden vorangetrieben. Natürlich ist es auch kein "neutraler" Standpunkt, wenn man sich dagegen auflehnt und die damit einhergehende wachsende faschistische Gefahr bekämpft. Es ist aber im Sinne der Verteidigung der demokratischen Rechte und Freiheiten dringend notwendig und höchst verantwortungsvoll.
Wer macht denn entgegen aller Versprechungen gemeinsame Sache mit den modernen Faschisten von der AfD? Was soll denn daran "neutral" sein, wenn man mit den schlimmsten Feinden der Arbeiterbewegung, aber auch der Demokratie zunehmend enger zusammenarbeitet? Es ist ja keineswegs so, dass die Unionsparteien das erste Mal gemeinsam mit der AfD abgestimmt hätten. Vor allem in ostdeutschen Stadt- und Gemeinderäten ist das schon fast an der Tagesordnung, ohne dass man allzuviel davon hört. Nicht zuletzt sind CDU und CSU gerade in der Migrationspolitik weitgehend auf die Positionen der AfD übergegangen. Mit "parteipolitischer Neutralität" hat auch das nichts mehr zu tun.
Wirkliche "Gemeinnützigkeit" verteidigen!
Es ist doch genau richtig, dass antifaschistische und linke Organisationen als "gemeinnützig" eingestuft werden und davon auch finanzielle Vorteile haben. Wenn etwa das Recherchenetzwerk Correctiv demagogische Fake-News der AfD auseinandernimmt, ist das durchaus im Interesse der demokratisch eingestellten großen Bevölkerungsmehrheit.
Die Liste der 551 Fragen in der "Kleinen Anfrage" hat keinen anderen Zweck, als alle möglichen demokratischen und antifaschistischen Kräfte einzuschüchtern, zu bedrohen und massiv zu behindern. Sie beziehen sich unter anderem auf die Omas gegen Rechts, BUND und Greenpeace, das Recherchenetzwerk Correctiv, das Netzwerk Campact, das Netzwerk Attac, die Amadeu Antonio Stiftung, die Tierschutzorganisation Peta, die Organisation Animal Rights Watch, die Organisation Foodwatch, die Deutsche Umwelthilfe, Agora Agrar, Agora Energiewende, das Netzwerk Recherche und den Verein Neue deutsche Medienmacher*innen. Der Fragenkatalog zielt auf eine intensive Bespitzelung und Überwachung ihrer Aktivitäten und versucht, sie mit allen Mitteln anrüchig zu machen. Damit werden umfassende politische Angriffe und ein weiterer massiver Abbau demokratischer Rechte vorbereitet.
Mannigfache Proteste
Die Tinte unter der "Kleinen Anfrage" war noch nicht trocken, als sich bereits mannigfacher Protest breit machte. "Ein Angriff durch diese Anfrage, die den Namen des designierten Bundeskanzlers trägt, lässt nichts Gutes für die politische Kultur vermuten. Wir rufen auf zur Solidarität mit den großteils durch Spenden getragenen Organisationen", erklärte Lars Hansen, Co-Vorsitzender der dju in ver.di. Amnesty International protestierte ebenso wie Correctiv, der Frauenverband Courage und viele andere. Selbst Sven Giegold, Mitglied des Grünen-Bundesvorstands, kommt zur Feststellung, es ginge dabei "offensichtlich um einen Einschüchterungsversuch, noch bevor Merz’ Kanzlerschaft überhaupt begonnen hat". Die Methoden erinnerten an solche Viktor Orbáns und "anderer autoritärer Regierungen". Zu erwähnen wäre hier insbesondere die von Donald Trump eingeleitete Säuberungswelle gegen alle missliebigen Kräfte beim Übergang in die faschistische Diktatur.
Freilich ist die Attacke von Merz und Dobrindt kein unmittelbarer Schritt zum Faschismus, jedoch ein weitgehender Vorstoß zur weiteren Faschisierung des Staatsapparats. Er geht erheblich über die von der ehemaligen CDU-Familienministerin Kristina Schröder 2011 eingeführte "Extremismusklausel" für staatliche Förderung hinaus. Diese musste Anfang 2014 nach breiten Protesten zurückgezogen werden (mehr dazu). Die neuen Angriffe zeigen, was von der künftigen Bundesregierung unter Merz zu erwarten ist.
Merz und Dobrindt haben sich vor allem den Kampf gegen den "Linksextremismus", also fortschrittliche und revolutionäre Kräfte, auf die Fahnen geschrieben, während sie mit Faschisten kooperieren. Dabei werden sie auch nicht vor Parteien und Organisationen Halt machen, die keinerlei staatliche Förderung erhalten - wie insbesondere die MLPD. Wobei es sich auch in dieser Hinsicht bewährt, dass sie als revolutionäre Arbeiterpartei finanziell unabhängig ist und sich nur aus Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert.
Der unverschämte Angriff der CDU/CSU-Führung auf demokratische und antifaschistische Kräfte kann keinesfalls hingenommen werden. Alle an den antifaschistischen Massenprotesten Beteiligten und viele mehr sind herausgefordert, dagegen Front zu machen und die sofortige Rücknahme der "Kleinen Anfrage" zu fordern. Der antifaschistische Protest muss sich dazu auch eng mit der Bewegung "Gib Antikommunismus keine Chance!" verbinden.