Pressemitteilung des Rechtshilfefonds AZADÎ e.V
OLG München verurteilt Haci Atli wegen PKK-Mitgliedschaft
Das Oberlandesgericht (OLG) München hat am Freitag, den 28. Februar, den kurdischen Aktivisten Haci Atlı wegen Mitgliedschaft in der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt.
Der 7. Strafsenat sah es als erwiesen an, dass Haci Atlı von Februar 2021 bis Januar 2023 als Mitglied der PKK den „Raum München“ für die Organisation geleitet habe, und verurteilte ihn deshalb wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer „terroristischen“ Vereinigung im Ausland nach §§ 129a, 129b StGB.
Vorgeworfen wurden ihm lediglich für sich genommen legale Tätigkeiten, wie sie im Rahmen eines jeden Vereinslebens üblich sind: das Sammeln von Spenden, das Organisieren von Veranstaltungen oder gemeinsamen Fahrten zu Veranstaltungen, öffentliche Aufklärung, Kontakt zu Einzelpersonen, Andere angewiesen zu haben oder das Schlichten von Streit.
Besonders perfide sind die Vorwürfe, bei einer Trauerfeier für seine vom türkischen Militär getötete Cousine eine Rede gehalten und sich an einer Kundgebung für den 2022 vor dem OLG München angeklagten Kurden Mirza Bilen beteiligt zu haben. Eine individuelle Straftat wurde dem 51-Jährigen – wie in den allermeisten Verfahren wegen PKK-Mitgliedschaft – nicht zulasten gelegt.
Die Verteidigung sah nach der durchgeführten Hauptverhandlung die erhobenen Tatvorwürfe nicht erwiesen und kündigte an, in Revision zu gehen. Sie hatte noch am letzten Verhandlungstag den Aufruf Abdullah Öcalans für Frieden und eine demokratische Gesellschaft, der gestern der Öffentlichkeit vorgestellt worden war, in das Verfahren eingebracht. Das Gericht merkte dazu an, dass es jetzt noch zu früh sei, um abschätzen zu können, ob der Aufruf auf ein Ende des bewaffneten Kampfs hinauslaufe. Sollte dies der Fall sein, werde die Rechtsprechung künftig darauf reagieren.
Der Rechtshilfefonds AZADÎ sieht in der Verurteilung Haci Atlıs eine weitere verpasste Chance der Kurskorrektur im Umgang deutscher Gerichte mit dem Kurdistan-Konflikt. Stattdessen wird die Verfolgung politisch engagierter Kurd:innen ausgeweitet. Haci Atlıs Beispiel zeigt, wie in den letzten Jahren nicht nur vermeintliche Kader der PKK in herausgehobenen Stellungen als „Terrorist:innen“ verfolgt werden, sondern immer mehr Aktivistinnen und Aktivisten ins Fadenkreuz der Strafverfolgungsbehörden geraten, die sich in lokale Vereine der kurdischen Community einbringen. Ihr Engagement, als „Terrorismus“ zu diffamieren, erfordert immer weitere argumentative Verrenkungen und rechtlich bedenkliche Beweisführungen.
Haci Atlı war am 22. Mai 2024 im bayerischen Fürstenfeldbruck festgenommen und anschließend in der JVA Kempten in Untersuchungshaft genommen worden. Zuvor lebte er zwei Jahre als anerkannter Asylsuchender in Deutschland, nachdem er seine Heimat Nordkurdistan aufgrund der Verfolgung durch den Staat Türkei verlassen musste. Dort war er zweimal inhaftiert und von der Polizei gefoltert worden.