75. Filmfestival „Berlinale“

75. Filmfestival „Berlinale“

Über den größten Elefanten im Raum wurde nicht gesprochen

Am vergangenen Sonntag ging die 75. Berlinale zu Ende. Den Hauptpreis erhielt der Film „Drømmer“ des norwegischen Regisseurs Dag Johan Haugerud. Im Mittelpunkt seines Films steht ein Mädchen, das sich in seine Lehrerin unsterblich verliebt. Die wiederum erwidert ihre Liebe nicht. Das Mädchen schreibt über ihre Gefühle ein Buch und wird schließlich eine erfolgreiche Schriftstellerin. Sicherlich: Der Film ist - ästhetisch betrachtet - witzig, feinfühlig, formal gelungen. Aber seine Botschaft lautet eher schlicht: Konzentriere dich in diesen Krisenzeiten besser auf dein persönliches Wohlergehen!

Von hk / cw
Über den größten Elefanten im Raum wurde nicht gesprochen
(foto: Screenshot)

Der erste Preis für die „besondere künstlerische Leistung“ vergab die Jury an den französischen Beitrag „The Ice Tower“. Die Filmemacherin Lucile Hadžihalilovic „erinnerte in der Feinheit ihrer Bildsprache an die verlorene Schönheit osteuropäischer Märchenfilme der 1960er- und 1970er-Jahre“. Bepreist wurde auch „The Blue Trail“, die Irrfahrt einer Seniorin, die in einem Brasilien nicht allzu ferner Zukunft ihrer Alten-Kolonie entflieht … .


Man kann nicht alle Ehrungen aufzählen. Auffällig aber war eine Abwendung von politischen Fragen! Nachdem es in den letzten Jahren oft politisch recht kontrovers zugegangen war, war man ja gespannt, was dieses Mal passiert. Schon die Auswahl der 19 Wettbewerbsfilme durch die neue Leitung wie auch die am Schluss vergebenen Preise offenbarten: zu den drängendsten Problemen unserer Zeit hatte diese Berlinale im Hauptprogramm fast nichts zu sagen. 


Nur in einigen Filmen außerhalb des Wettbewerbs gab es solche Bezüge, wie in der Langzeitstudie über die Opferfamilien des rassistischen Anschlags von Hanau von Marcin Wierzchowskis. Aber im Wettbewerb selbst standen Filme über die Liebe, über eine Person oder was für den Einzelnen wichtig erscheint - ohne Bezug auf die gesellschaftlichen Ursachen. Das war von der neuen Leiterin Tricia Tuttle auch so beabsichtigt.


Der größte Elefant im Festival-Raum, über den nicht gesprochen wurde, war aber Donald Trump! Unglaublich: Trump existierte in der gesamten Zeit des Filmfestivals nicht! Auch die sonst so „kritischen“ Journalisten in den Leitmedien, im Fernsehen äußerten sich nach dem Motto: „Trump? Pst - es geht doch hier um Filmkunst!“. Zeitenwende? Nichts davon! Abbau demokratischer Rechte, zunehmende faschistische Gefahr, Wettrüsten, wachsende Gefahr eines Dritten Weltkriegs, beschleunigte Zerstörung der Umwelt – kein Wort!


Aber so ganz ließ sich die kapitalistische Krisenentwicklung aus dem Festival nicht heraushalten. Wenigstens der rumänische Regisseur Radu Jude sprach in seiner Dankesrede für den „Silbernen Bären“ vor dem internationalen Publikum einige wunde Punkte an: In Bezug auf die Bundestagswahl in Deutschland hoffe er, dass die Berlinale im nächstes Jahr „nicht mit dem 'Triumph des Willens' von Leni Riefenstahl' eröffnet wird“.¹ Weiter: Er hoffe, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag „seine Arbeit machen wird gegen all diese mordenden Bastarde“. Dafür gab es begeisterten Beifall. Es war klar, dass damit Netanjahu, die Hamas-Führer oder auch Putin gemeint waren. Wir sind gespannt, was am kommenden Sonntag bei der „Oscar“-Verleihung in Hollywood geschieht.