Anschlag von Mannheim
Faschistischer Hintergrund wird zensiert und heruntergespielt
Kurz nach Mittag am gestrigen Rosenmontag rast ein Wagen mit hoher Geschwindigkeit hunderte Meter weit durch die Fußgängerzone. Auf Höhe des Paradeplatzes rammt das Auto mehrere Passanten. Die ersten Notrufe gingen bei der Polizei ab 12:14 ein; sie geht zuerst von einem Verkehrsunfall aus.
Mittlerweile gibt es keinen Zweifel mehr daran, dass es ein Anschlag war – der Täter ist Deutscher. Es verging keine halbe Stunde, da wussten Politiker und bürgerliche Medien aber ganz genau: Ein politischer Hintergrund ist unwahrscheinlich.
Eine 83-jährige Frau und ein 54-jähriger Mann starben. Elf Menschen wurden der Polizei zufolge verletzt, mehrere von ihnen schwer. Alle Verletzten wurden ins Krankenhaus gebracht. Die Uniklinik Mannheim behandelte drei Patienten „mit einer hohen medizinischen Dringlichkeit“. Kinder wurden laut dem Präsidenten des Landeskriminalamts, Andreas Stenger, nicht getroffen. Die MLPD erklärt ihre Solidarität mit den Opfern des Anschlags und ihren Angehörigen. Sie fordert die lückenlose Aufdeckung der Hintergründe.
Der Täter ist der 40-jährige Deutsche Alexander S. aus Ludwigshafen in Rheinland-Pfalz. Die faschistische AfD hatte sogleich eine rassistische Social Media Hetzkampagne initiiert und ließ nach dem falschen Täter fahnden.
Der Landschaftsbauer lebte alleine. Auch er liegt im Krankenhaus: Nachdem der aus Pakistan stammende Taxifahrer Afzal Muhammad der Amokfahrt des Attentäters ein Ende gemacht hatte, war er zu Fuß geflohen. Als er dann von der Polizei gestellt wurde, versuchte er, sich das Leben zu nehmen, indem er sich mit einer Schreckschusswaffe in den Mund schoss. Die Polizei hofft, ihn heute vernehmen zu können.
Verharmlosung des Täters und der Tat durch Polizei und Staatsanwaltschaft
Bereits vor einer Vernehmung allerdings schließen Polizei und Staatsanwaltschaft jeden politischen Hintergrund aus. Der leitende Oberstaatsanwalt Romeo Schüssler sagte am Abend bei einer Pressekonferenz stattdessen: „Nach bisherigen Erkenntnissen können wir ausschließen, dass es sich um eine politisch motivierte Tat handelt. Wir haben vielmehr konkrete Anhaltspunkte auf eine psychologische Erkrankung des Täters.“ Dann behauptet er, der Täter sei „bislang nicht in nennenswertem Umfang strafrechtlich in Erscheinung getreten“.
Tatsächlich aber ist Alexander S. mehrfach vorbestraft. Welt.de berichtete gestern Nachmittag, dass er einmal wegen des Zeigens völkisch-faschistischer verfassungswidriger Symbole aufgefallen sei. Erst als Schüssler direkt darauf angesprochen wurde, räumte er ein, der Täter habe mehrere Vorstrafen, auch wegen Körperverletzung, die aber lange Jahre zurücklägen. Aber erst 2018 war S. wegen eines faschistischen Kommentars auf Facebook zu einer Geldstrafe verurteilt worden. Man könne derzeit nicht beurteilen, ob da „eine Gesinnung oder Dummheit“ dahinterstecke, aber „Natürlich haben wir das im Blick“. Dann behauptete Rössler erneut, man habe keine Hinweise auf ein politisches Motiv. Ist der Hintergrund des Täters also kein Hinweis?
Wir halten fest: Von sich aus hat der Staatsanwalt diesen Hintergrund des Täters also gar nicht thematisiert, obwohl er davon wusste. Gleichzeitig behauptet er – ohne das in irgendeiner Weise zu begründen – alles deute auf psychische Probleme hin.
Und in den Medien waren die Hinweise auf den Hintergrund des Täters zunächst nach kürzester Zeit fast vollständig verschwunden.
Diesen skandalöse Vertuschungsversuch der faschistischen Weltanschauung des Täters verurteilen wir scharf!
Die psychologische Karte: Methode mit Wahnsinn
Es ist das alte Spiel. Bei einem deutschvölkischen Faschisten werden fehlende Reife oder psychische Probleme in den Vordergrund gestellt, bei einem Täter mit Migrationshintergrund hingegen seine Herkunft. In keinem Fall wird über den Faschismus als eigentlichem weltanschaulichen Gehalt gesprochen.
Selbst bei dem Faschisten und Massenmörder Anders Behring Breivik, der am 22. Juli 2011 mit einer glasklaren faschistischen Begründung 69 Menschen in Norwegen ermordete, wurden psychische Probleme in den Vordergrund gedrängt. Als würden sich Faschismus und Wahnsinn gegenseitig ausschließen, als könne Hitler selbst nicht sowohl Faschist sein als auch eine schwere Kindheit gehabt haben!
Die plötzliche Zurückhaltung mit politischen Konsequenzen
Faszinierend ist, dass in diesem Fall niemand politische Konsequenzen fordert – im Gegenteil! Der Ministerpräsident des Landes Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), sagte in Mannheim: „Wir tun, was der Staat tun kann, um seine Bürgerinnen und Bürger zu schützen, aber so wie wir die Information haben ist das nun eine Tat, wo man merkt, dass es einfach hundertprozentigen Schutz leider einfach nicht geben kann.“ Und als wäre es abgesprochen, äußert sich NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) in Köln fast identisch: „Hundert Prozent Sicherheit wird’s nie geben. Nie. Auch wenn man immer wieder lernen muss, aus jedem Vorfall.“
So äußern sich Politiker, die bei Anschlägen, deren mutmaßliche Täter einen Migrationshintergrund haben, jedes Grundrecht aus dem Weg zu räumen bereit sind. Das ist nichts anderes als offen zu Tage tretender Rassismus in der Defensive.