Betriebsversammlung bei Ford Köln

Betriebsversammlung bei Ford Köln

Kämpferische und wütende Stimmung – und viel Klärungsbedarf!

Am letzten Montag hatte die Geschäftsleitung der Fordwerke GmbH in Person von Herrn Wassenberg mitgeteilt, dass die Ford-Spitze in den USA die „Patronatserklärung“ aufgekündigt hat. Damit wird der Fordkonzern nicht mehr für die Ford-Werke GmbH Deutschland bürgen.

Von einem Korrespondenten
Kämpferische und wütende Stimmung – und viel Klärungsbedarf!
Einige hundert Kollegen aus der Fertigung ziehen in einem Demonstrationszug zur Halle W (Versammlungshalle) unter dem Schlachtruf "Wir bleiben" (rf-foto)

Rote Fahne News berichtete am 11. März.

 

Für Mittwoch hatte der Betriebsrat deshalb zur Fortsetzung der Betriebsversammlung aufgerufen. Über 5.000 Kolleginnen und Kollegen kamen, teils in lauten Demozügen über das Werksgelände zur Halle W. In Gesprächen äußerten Kollegen immer wieder, dass jetzt „richtig gestreikt“ werden muss, und zwar jetzt sofort. Einige Kollegen – verkleidet als Wassenberg – hatten einen Sarg dabei, um Ford zu Grabe zu tragen. Andere hatten selbst gemalte Schilder, die unter anderm an den großen selbständigen Ford-Streik 1973 erinnerten.

 

Wassenberg wurde minutenlang mit Buhrufen, Pfeif- und Trötenkonzert begrüßt. Als nach fünf Minuten seine Redeversuche immer noch nicht durchdrangen, ging der Betriebsratsvorsitzende Benjamin Gruschka ans Mikrofon: Er verstehe ja die Wut und den Unmut der Kollegen, aber sie sollten Wassenberg doch reden lassen. Er sei es leid, als  Betriebsratsvorsitzender der Belegschaft immer die schlechten Nachrichten überbringen zu müssen. Erstmal neues Pfeifkonzert und auch die anschließende Rede wurde immer wieder durch Buhrufe unterbrochen. Als dann Wassenberg von „Vertrauen“ spricht, gibt es nur Gelächter. Immer wieder Zwischenrufe wie "Lügner" oder "Verräter." Das Vertrauen in die Geschäftsleitung und auch in die Konzernführung in den USA ist bei den allermeisten Kollegen nachhaltig zerstört.

 

Was am Montag noch verpackt wurde in schwülstigen Worten, wurde heute klar gesagt. Mit der Kündigung der Patronatserklärung ist jederzeit eine Insolvenz möglich. Das betrifft dann die Gehälter, Abfindungen und sogar einen Teil der Pensionszahlungen. Und auch die Betriebsvereinbarung, die bis 2032 betriebsbedingte Kündigungen ausschließen sollte. Das treibt die Belegschaft um.

 

Der Betriebsrat und die IG-Metall-Ortsbevollmächtigte Kerstin Klein orientierten auf den bereits beschlossenen Weg zu einem Sozialtarifvertrag, der „Insolvenzschutz“ einschließen soll: „Wir dürfen uns nicht einschüchtern lassen! Wir müssen zusammenhalten! Seid ihr bereit zu kämpfen?“ Darauf gab es stehend Applaus in der Halle. Was sie nicht sagte: Ein solcher Sozialtarifvertrag kann nur die Modalitäten der Arbeitsplatzvernichtung regeln, er kann sie nicht verhindern und auch nicht die Insolvenz und die Schließung des Werkes.

 

Die Kampfbereitschaft ist weiter gewachsen. Das zeigte sich auch in den kämpferischen, polemischen, witzigen und kreativen Redebeiträgen von zwölf Kollegen – so viele wie sehr lange nicht und erneut richtig kulturvoll. Sie halfen mit, die Auseinandersetzung zu vertiefen: durch die Einordnung der aktuellen Zuspitzung bei Ford in die wirtschaftliche und politische Weltlage mit Wirtschafts- und Strukturkrisen. Das führt zu einer richtigen Vernichtungsschlacht unter den Autokonzernen, auf die die Arbeiter nicht Rücksicht nehmen können. Oder zu den Hintergründen der „Patronatserklärung“, die dem Konzern jahrelang die ungestörte Lieferung von Komponenten aus dem Kölner Werk für die internationale Produktion garantiert hat. Sie deckten auch die Lügen der Ford-Geschäftsleitung auf und setzen besonders Herrn Wassenberg ins Unrecht.

 

Die Kernfragen mit viel weiterem Klärungsbedarf bleiben aber: Vielen Kollegen ist die rechtliche Situation nicht klar und sie erwarten von Betriebsrat und IG Metall, dass sie jetzt einen Streik führen, was für den Sozialtarifvertrag sehr kämpferisch angekündigt wird. Deshalb zuallererst: Wofür sollen wir kämpfen? Wir und die Jugend brauchen diese Arbeitsplätze. Der schwammige Businessplan gibt keine Sicherheit und ein Sozialtarifvertrag auch nicht. Angesichts des eingeschränkten Streikrechts in Deutschland brauchen wir einen selbständigen Streik, bis die Pläne vom Tisch sind. Als offensive Forderung die nach der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich und für ein allseitiges und vollständiges gesetzliches Streikrecht. Das wurde und wird weiter diskutiert. Nach der Betriebsversammlung in den Hallen noch im kleineren Kreis.

 

Für die nächsten Tage sind in allen Hallen Betriebsratsinformationen angekündigt, die auch für den notwendigen Klärungsprozess genutzt werden. Auch zu der landesweiten Großkundgebung am 15. März in Köln auf der Deutzer Werft wird mobilisiert und die Diskussion über Weg und Ziel des Kampfes und die Solidarität wird dort eine große Rolle spielen.

 

Viele Kollegen fragen auch, wie und durch wen der notwendige selbständige Streik organisiert werden soll. Die MLPD hat unter der Belegschaft wachsendes Ansehen, muss aber mit ihrem Know-how für selbständige Kämpfe auf jeden Fall noch erheblich gestärkt werden. Dazu hatte sie zur Betriebsversammlung vor dem Werkgelände einen Info-Stand. Dort wurde mit zahlreichen Kollegen teilweise intensiv diskutiert und es wurden die Lehren aus dem Opelstreik beworben.

 

Die nächste ordentliche Betriebsversammlung in ungefähr zwei Wochen ist bereits angekündigt ...