Leipziger Buchmesse
Lithium aus Serbien: Europas grüner Deal oder schmutziges Geschäft?
Das "Café Europa" hat eine lange Tradition auf der Leipziger Buchmesse. Es wird vom Übersetzernetzwerk "Traduki" betrieben, das viele Werke der modernen Literatur Südost-Europas der deutschen Leserschaft zugänglich macht. Das Auswärtige Amt der BRD fördert das Netzwerk. Neben fortschrittlichen Errungenschaften redet Traduki Illusionen über das imperialistische Staatenbündnis EU das Wort.
Während der diesjährigen Buchmesse fand im Café Europa eine Podiumsdiskussion zum Thema "Lithium aus Serbien: Europas grüner Deal oder schmutziges Geschäft?" statt. Es diskutierten: Florian Bieber (Professor an der Universität Graz), Stefan Rössel (Auswärtiges Amt), Stephanie Roth (französisch-schweizerische Umweltaktivistin mit den Schwerpunkten Bergbau und Landwirtschaft).
Der Moderator wirft die interessante Frage auf: Serbien steckt in der politischen Krise, zehntausende, ja Hundertausende sind auf der Straße. Es ist unklar, wohin die Entwicklung geht, aber die die EU verhält sich auffallend ruhig zu den Ereignissen in ihrem Beitrittskandidaten. Haben wir uns da mit dem Lithium-Abkommen mit Rio Tinto in eine problematische Abhängigkeit begeben?
Stephanie Roth: 18,5 Tonnen pro Jahr will Rio Tinto abbauen. Dabei fallen 70 Millionen Tonnen Abfall an. Auch um Platz für diesen Abfall zu schaffen, sollen die Bauern in dem landwirtschaftlich reichhaltig genutzten Tal umgesiedelt werden. Der Vertrag verstößt sowohl gegen die Umweltauflagen Serbiens wie der EU. Die Produktionsstätte zur chemischen Aufbereitung wird 320 000 Tonnen Schwefeldioxid im Jahr ausstoßen. Großräumig werden die natürlichen Lebensgrundlagen der Menschen zerstört.
Frau Roth sagt, dass Rio Tinto eine eigentlich verbotene Salami-Taktik anwendet: Das Genehmigungsverfahren beinhaltet den Abbau in der Mine. Der Rest der Anlagen zur Verarbeitung folgt automatisch. Sie stellt fest, dass bei diesem Projekt allein der maximale Profit und keine anderen Interessen bestimmen.
Da ist der Vertreter des Auswärtigen Amtes in der Defensive: Für die BRD sei es notwendig, von der einseitigen Rohstoffabhängigkeit weg zu kommen. Das Projekt ist gut für Europa. Der Bergbau sei ein dreckiges Geschäft. Aber auch für die Umwelt sei es besser, wenn wir es machen, als wenn es die Chinesen machen. Das Argument, wenn wir es nicht machen, machen es die Chinesen, empörte Frau Roth so, dass sie in österreichischem Dialekt meinte; das sei der größte Schmäh‘. Immerhin seien die Chinesen schon da. Sie seien der größte Share-Holder von Rio Tinto und erzielten einen großen Teil ihrer Einnahmen in China.
Professor Bieber ging auf die juristische Seite der Vorgänge ein und schlussfolgerte, dass hier der Rechtsstaat gegen Lithium ausgetauscht wurde. Nachdem das Projekt wegen Widerständen auf Eis gelegt wurde, wurde es dann ohne jede rechtsstaatliche Prüfung gegen den Willen der Betroffenen durchgezogen. Im Übrigen würden in Serbien nicht nur chinesische, sondern auch deutsche Firmen ohne Genehmigungsverfahren produzieren.
Gegen die Kritik, Profitinteressen höher zu hängen als die gepriesenen Werte der Rechtsstaatlichkeit, argumentierte der Mann aus dem Auswärtigen Amt mit „Wandel durch Handel“. Durch diese Annäherung hätten sich Länder wie Bulgarien und Rumänien positiv entwickelt. Der Professor hakte nach: Die anderen Länder des Westbalkan, die sich bemühten, die Kriterien der EU besser zu erfüllen, müssten doch enttäuscht sein, wenn Serbien die besten Deals macht. Da kam das Gewinnstreben wieder nackt zutage: Herr Rössel stellte lapidar fest, dass es halt das Lithium in Serbien gebe.
Frau Roth griff engagiert eine Denkweise an, die "Berge nur noch als potentielle Batterien" betrachtet. Es ist die Logik des Kapitalismus, der Mensch und Natur nur als Quellen des maximalen Profits betrachtet. Von der EU eine andere Politik zu erwarten, wie es in der Diskussion auch zum Ausdruck kam, ist illusionär. Der notwendige Paradigmenwechsel – auch die Überwindung der zu Recht kritisierten Wegwerfmentalität -, erfordert eine Umwälzung der gesellschaftlichen Verhältnisse. Frau Roth stellte auch heraus, dass es eine schöne Sache ist, welche Solidarität über die ganzen Ländergrenzen hinaus im Kampf gegen dieselben dreckigen Geschäfte entstanden ist.