Tag der Befreiung vom Hitler-Faschismus
Gedanken zum 8. Mai
Klaus Wallenstein, langjähriges Mitglied des Zentralkomitees der MLPD, hat das Folgende auf der Kundgebung zum 8. Mai in Neukirchen-Vluyn vorgetragen:
Im Jahr 1943 geboren, bewegen mich heute zwei Lebenserfahrungen:
- Erst vor zehn Jahren habe ich mich mit der Geschichte meiner Familie befasst, da waren die Großeltern und auch die Eltern bereits verstorben.
- Seit ich denken kann, waren Kriege und Kriegsgefahr ständig präsent.
1945 flohen wir aus Salzwedel in den Westen, zunächst nach Aachen und 1951 in die Pfalz.
Aachen war eine Trümmerwüste, weil der Kommandant auf direkten Befehl Adolf Hitlers die Übergabe der westlichsten Stadt auf dem Vormarsch der US-Armee verweigerte. Mein Spielzeug war das Pulver aus scharfer Kriegsmunition, die massenhaft im Park zu finden war. Ich habe heute noch das Bild im Kopf, als Bauarbeiter eine Trümmerwand zum Einsturz brachten und darunter verschüttet wurden.
1956 musste meine Mutter mir vor dem Schlafengehen hoch und heilig versprechen, dass die Suezkrise nicht zum Krieg führen werde.
1961 hielt die Welt den Atem an, als nach der Restauration des Kapitalismus in der Sowjetunion Chruschtschow mit dem Versuch, Raketen auf Kuba zu stationieren, eine akute Atomkriegsgefahr provozierte.
1968 / 69 führten die Protestbewegungen gegen den US-Krieg in Vietnam und die Notstandsgesetze in Deutschland zu meinem politischen Erwachen. Ich beteiligte mich an der Gründung der Vorläuferorganisation der MLPD.
1981 organisierte ich als Grubenelektriker eine Delegation der Bergarbeiter zur Teilnahme an der berühmten Kundgebung im Bonner Hofgarten gegen die Stationierung von Atomraketen in Deutschland.
1999 war ich in Griechenland an Veranstaltungen zur Solidarität mit dem Widerstand gegen den NATO-Krieg gegen Jugoslawien beteiligt, dem ersten Angriffskrieg von deutschem Boden aus seit dem Zweiten Weltkrieg.
Ich überspringe jetzt die NATO-Kriege gegen Afghanistan mit und den Irak ohne deutsche Beteiligung und die Aggression Russlands gegen die Ukraine.
Heute wissen wir: Handelskriege führen gesetzmäßig zu Kriegen. Der Aufbau von Feindbildern mittels der faschistischen AfD dient der Kriegsvorbereitung.
Deshalb meine erste Warnung an die Jugend: Seid wachsam und wehret den Anfängen!
Zum Zweiten. Ich bin mit der Legende einer ostvertriebenen Familie verbunden, mit einem aggressiven Antikommunismus im Kalten Krieg aufgewachsen. Ich bedauere es sehr, dass ich der Frage zu Lebzeiten meiner Großeltern und Eltern nicht weiter nachgegangen bin. Mein Vater war Leiter einer Munitionsfabrik in Salzwedel mit Zwangsarbeitern eines Außenlagers des KZ Neuengamme. Täglich zogen diese in Häftlingskleidung durch die Stadt zur Fabrik und jeder wusste davon. Doch nie ein Wort in unserer Familie, auch nicht von meiner Mutter, der Tochter eines Bergmannes in Dortmund-Lütgendortmund.
Meinem Vater gelang die Flucht vor dem Eintreffen der Roten Armee auf den Rat und mithilfe des bis dahin zuständigen US-Majors.
Das Einzige, was meine Eltern immer vorzeigten, war eine offizielle Erklärung des KPD-Vorsitzenden von Salzwedel, dass mein Vater sich immer korrekt gegenüber den Zwangsarbeitern verhalten habe. Auch wenn das so war, ändert es nichts daran, dass er sich mit der Flucht der Verantwortung gegenüber den sowjetischen Gerichten entzogen hat und im Westen mit einem solchen Persilschein anstandslos entnazifiziert wurde.
Und vor allem hat er nichts gelernt, seine antikommunistische Weltanschauung konserviert, er trug mit stolz seinen Wangenschmiss als Mitglied einer schlagenden Verbindung. Im Übrigen war mein Großvater einer der dekorierten Helden aus dem Ersten Weltkrieg, die nach Revanche schrien.
Deshalb meine zweite dringende Mahnung an die Jugend: Gebt euch nicht mit Ausreden und ausweichenden Antworten zufrieden, geht den Ursachen von Krieg und Faschismus auf den Grund – übernehmt die Verantwortung! Ihr seid die Zukunft!
NIE WIEDER ist jetzt! Alle Zusammen gegen Faschismus!