Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei Markus Lanz

Ministerpräsident Winfried Kretschmann bei Markus Lanz

Krisenbewältigung durch „ranklotzen“?

Vor wenigen Tagen war in der Talkshow von Markus Lanz der Baden-Württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zu Gast. In seiner pastoralen Art sinnierte der schwäbische Landesvater über die Krisenentwicklung in der Automobilindustrie.

Jz

Selbst der kürzliche verstorbene Papst äußerte sich ab und an kritisch über die Maxime des Profits in der Gesellschaft. Doch davon handelte die Predigt des Ministerpräsidenten nicht mal ansatzweise.

 

Es brauche einen „Mentalitätswandel“ in der Gesellschaft, so „Pastor“ Kretschmann. Er plädierte, sehr zur Freude des Moderators, geradezu leidenschaftlich für eine längere Arbeits- und Lebensarbeitszeit „In so einer Situation müssen wir doch ranklotzen und mehr arbeiten!“ Nach seiner Meinung zur Forderung der Gewerkschaft Ver.di nach drei zusätzlichen freien Tagen für Beschäftigte des öffentlichen Dienstes gefragt, erwiderte Herr Kretschmann geradezu entrüstet: „Da fällt mir nichts mehr ein!“

 

Offensichtlich ein schwerer Fall fortgeschrittener Demenz! Allerdings nicht altersbedingt. Eher ein kompletter Gedächtnisschwund hinsichtlich der besonderen Interessen hart arbeitender Menschen. Offensichtlich unausweichliche und typische Folgeerscheinung einer jahrelangen Tätigkeit als eifriger Dienstleister der Stuttgarter Automonopole.

 

Wenn jemand tatsächlich was vom „ranklotzen“ versteht, dann ist es doch eher die große Anzahl von Leiharbeitern und befristeten Beschäftigten wie in der Automobilindustrie. Zumeist „ranklotzend“ an den härtesten Arbeitsplätzen, rund um die Uhr jede Überstunde leistend, immer in der Hoffnung vielleicht übernommen zu werden. Gerade sie sind in der jüngeren Vergangenheit auch bei Daimler eiskalt in die Arbeitslosigkeit entlassen worden und dürfen nicht mehr „ranklotzen“, aber würden es liebend gern tun.

 

Doch mit solch kleinlich irdischen Widersprüchen hält sich die Heiligkeit aus Stuttgart doch nicht auf. Krisenbewältigung, von Kapitalisten verursacht, aber auf Beschäftigte abwälzen, das ist seine himmlische Botschaft im Auftrag seiner Herrlichkeiten aus den obersten Etagen der Autokonzerne. Nur allein der Glaube daran kommt bei denen, die Tag für Tag „ranklotzen“ müssen, immer mehr abhanden.

 

Aber die werden auch nicht bei Markus Lanz eingeladen ...