"Großartiger Revolutionsversuch"

"Großartiger Revolutionsversuch"

Vor 500 Jahren endete der deutsche Bauernkrieg

Vor 500 Jahren in diesen Mai-Tagen fand bei Würzburg die letzte große Schlacht des deutschen Bauernkrieges statt. Nach den Niederlagen in Schwaben, Thüringen und Sachsen stand hier das große bisher unbesiegte Hauptheer.

Von hi
Vor 500 Jahren endete der deutsche Bauernkrieg
Die Freiheitsfahne der aufständischen Bauern

Die Aufständischen versuchten, die Festung Marienberg über Würzburg als Sitz des regionalen Feudalherrschers zu erstürmen. Sie scheiterten leider und zahlten einen hohen Blutzoll.

Die Obrigkeit hatte in der Zeit nichts zu lachen

Wilhelm Zimmermann (1807 - 1878), fortschrittlicher Chronist des deutschen Bauernkrieges, schildert die Lage in Deutschland vor 500 Jahren so: „So sehen wir denn den Volksaufstand auf allen Hauptpunkten ausgebrochen. Nimmt man das Land von den Quellen des Neckars und der Donau bis zum Main als das Zentrum, so lehnt er seinen nördlichen Flügel an den Harz, seinen südlichen an die julischen Alpen. ... Die Vorhut dehnt sich vom Oberrhein zum Niederrhein an beiden Ufern des Stromes. Es war eine Zeit, 'wo es aller Obrigkeit nicht lachen galt'. Das wovon eine Vorahnung seid lange auf vielen lag, war gekommen: Der Boden erbebte weithin, die Flammen schlugen daraus hervor, und mit mächtigem Atem wehten Hass und Rache und Grimm, Fanatismus und Vaterlandsliebe miteinander im Bunde, diese Flammen zuerst über Klöster und Stifter, dann hinauf auf die Burgen des Adels und weiter an die Stühle der Fürsten und wie zu fürchten stand, zuletzt über alles Bestehende.“ (Seite 620f).

Großartigster Revolutionsversuch des deutschen Volkes

Friedrich Engels bezeichnet den Bauernkrieg als „den großartigsten Revolutionsversuch des deutschen Volkes“. Die revolutionäre Tradition genießt bis heute ein hohes Ansehen unter den Massen. Es gibt heute zahlreiche Ausstellungen, Theateraufführungen, Vorträge und Führungen, die diesem Ansehen nachkommen. Allerdings versucht die bürgerliche Geschichtsschreibung dieser Tradition ihren revolutionären Zahn zu ziehen. So heißt es in einem ansonsten durchaus informativen Artikel der Süddeutschen Zeitung anlässlich der Ausstellung in Würzburg: „Wobei zu bemerken ist, dass der Aufstand 1525 auch in Franken nur selten Nächte der langen Messer bedeutet. Trotz späterer marxistischer Vereinnahmungen der Bewegung geht es den Bauern, in heutigen Begriffen, eher um eine grundlegende Demokratisierung und eine gefestigte Rechtsordnung, und nicht um die physische Vernichtung von Adel und Klerus.“ (SZ 23. April 2025)

Die Krise der bürgerlichen Gesellschaftswissenschaften, der Religion und der Kultur

Kapitel über die bürgerliche Geschichtsschreibung Seite 62ff

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Unter dem Reich Gottes verstand Thomas Müntzer eine klassenlose Gesellschaft

Die Anwendung von Gewalt steht nicht im freien Belieben der Unterdrückten. Die Gewaltorgien, mit denen die Feudalen das Land zur Unterdrückung der Aufständischen überzogen, zeigen, dass sie den Unterdrückten als Geburtshelferin jeder neuen Gesellschaft aufgezwungen wird. Mit der Reduzierung der Ziele auf einen Kampf um Reformen, um mehr Rechte gegen die Willkür von Pfaffen und Adel, gegen die schlimmsten Abgaben – die natürlich wichtige Anliegen der Massen waren -, wird versucht, den revolutionären Flügel im deutschen Bauernkrieg totzuschweigen. Und die "marxistische Deutung“ gleich mit zu erledigen.

 

In seiner Schrift „Der deutsche Bauernkrieg“ analysiert Friedrich Engels diesen vom marxistischen Standpunkt aus. Thomas Müntzer verkörperte und führte den revolutionären Flügel. Zu seinem Programm schreibt Engels: „Dies Programm, weniger die Zusammenfassung der Forderungen der damaligen Plebejer als die geniale Antizipation der Emanzipationsbedingungen der kaum sich entwickelnden proletarischen Elemente unter diesen Plebejern – dies Programm forderte die sofortige Herstellung des Reiches Gottes ... Unter dem Reich Gottes verstand Müntzer aber nichts anderes als einen Gesellschaftszustand, in dem keine Klassenunterschiede, kein Privateigentum und keine den Gesellschaftsmitgliedern gegenüber selbständige, fremde Staatsgewalt mehr bestehen. Sämtliche bestehenden Gewalten, sofern sie nicht sich fügen und der Revolution anschließen wollten, sollten gestürzt, alle Arbeiten und alle Güter gemeinsam und die vollständigste Gleichheit durchgeführt werden. Ein Bund sollte gestiftet werden, um dies durchzusetzen, nicht nur über ganz Deutschland, sondern über die ganze Christenheit; Fürsten und Herren sollten eingeladen werden, sich anzuschließen; wo nicht, sollte der Bund sie bei der ersten Gelegenheit mit den Waffen in der Hand stürzen oder töten.“

Die weitergehenden Ziele mussten damals Utopie bleiben

Die revolutionäre Richtung hatte ihr Zentrum in Thüringen. Sie war die ganze Zeit eine Minderheit in der Bewegung, aber sie gab ihr immer Kraft und Orientierung, während unter der Mehrheit die Bereitschaft zu falschen Kompromissen und zur Desorganisation wirken konnte. Für diese weitergehenden Ziele waren die gesellschaftlichen Verhältnisse nicht reif, sie mussten Utopie bleiben. Der Ewige Rat von Mühlhausen, an dessen Spitze Müntzer stand, konnte eine Naturalverpflegung für die Armen einführen, nicht aber die Armut abschaffen. Die Bauern konnten aufgrund ihrer Lage als abhängige zersplitterte Kleinproduzenten keine gesellschaftliche Umwälzung führen. Engels spricht „von der grenzenlosen Lokalborniertheit und dem eigensinnigen Provinzialismus, der den ganzen Bauernkrieg zugrunde richtete.“ (S. 354f)

Heute sind die materiellen Voraussetzungen für den Kommunismus vorhanden

Heute sind die materiellen Voraussetzungen für den Kommunismus vorhanden, und mit dem internationalen Industrieproletariat die Klasse, die die Möglichkeit und die Pflicht hat, in diesem Kampf ihrer führenden Rolle nachzukommen. Die Erfahrungen des Bauernkriegs geben uns dabei wertvolle Hinweise. Nutzen wir das Jubiläum im Sinne von Engels: „ Auch das deutsche Volk hat seine revolutionäre Tradition. Es gab eine Zeit, wo Deutschland Charaktere hervorbrachte, die sich den besten Leuten der Revolutionen anderer Länder an die Seite stellen können, wo das deutsche Volk eine Ausdauer und Energie entwickelte, die bei einer zentralisierteren Nation die großartigsten Resultate erzeugt hätte, wo deutsche Bauern und Plebejer mit Ideen und Plänen schwanger gingen, vor denen ihre Nachkommen oft genug zurückschaudern.“