Das Volk trug Mitschuld

Das Volk trug Mitschuld

Wer hatte Schuld am Hitler-Faschismus?

Schuld am Faschismus habe allein das Großkapital und die Faschisten. Dass auch das Volk eine Mitschuld trage, sei eine Propagandalüge. Solche oder ähnliche Auffassungen hörte man teilweise rund um den Jahrestag der Befreiung vom Hitler-Faschismus.

Von Christoph Gärtner

Das ist einseitig und gefährlich.

 

Um ihre Klassendiktatur zu tarnen und zu stabilisieren, versucht sich das allein herrschende Finanzkapital wenn irgend möglich eine Massenbasis zu verschaffen. Auch der Faschismus braucht eine Massenbasis: bürgerliche Wahlen unter zunehmend terroristischen Bedingungen zu seiner Machtergreifung, eine meist völkisch-nationalistische Ideologie zu seiner ideologisch-politischen Legitimation und breite Massenorganisationen zu seinem Machterhalt. Wenn sich – wie in der Geschichte des Hitlerfaschismus – politische Organisationen, Verbände, Kirchen und große Teile der Massen von den Faschisten vereinnahmen lassen, dann tragen sie zweifellos zumindest eine Mitschuld.

 

Willi Dickhut schrieb im Mai 1945: „Das deutsche Volk in seiner Gesamtheit ist an dem heutigen Zustand, durch seine duldnerische Haltung gegenüber der Nazidiktatur mitschuldig und mitverantwortlich.“ (1) Im gleichen Sinne hieß es im Aufruf des Zentralkomitees der KPD vom 11. Juni 1945: „Die Schuld und Verantwortung tragen die gewissenlosen Abenteurer und Verbrecher ... Es sind die Hitler und Göring, Himmler und Goebbels, die aktiven Anhänger und Helfer der Nazipartei. Es sind Träger des reaktionären Militarismus, die Keitel, Jodl und Konsorten. Es sind die imperialistischen Auftraggeber der Nazipartei, die Herren der Großbanken und Konzerne, die Krupp und Röchling, Poensgen und Siemens ... Umso mehr muss in jedem deutschen Menschen das Bewusstsein und die Scham brennen, dass das deutsche Volk einen bedeutenden Teil Mitschuld und Mitverantwortung für den Krieg und seine Folgen trägt. Nicht nur Hitler ist schuld an den Verbrechen, die an der Menschheit begangen wurden! Ihr Teil Schuld tragen auch die 10 Millionen Deutsche, die 1932 bei freien Wahlen für Hitler stimmten, obwohl wir Kommunisten warnten 'Wer Hitler wählt, der wählt den Krieg!' ... Arbeiterorganisationen zerschlug und die besten Deutschen einsperren, martern und köpfen ließ.

 

Schuld tragen alle jene Deutschen, die in der Aufrüstung die 'Größe Deutschlands' sahen und im wilden Militarismus, im Marschieren und Exerzieren das allein seligmachende Heil der Nation erblickten. Unser Unglück war, dass Millionen und aber Millionen Deutsche der Nazidemagogie verfielen, dass das Gift der tierischen Rassenlehre, des 'Kampfes um Lebensraum' den Organismus des Volkes verseuchen konnte. Unser Unglück war, dass breite Bevölkerungsschichten das elementare Gefühl für Anstand und Gerechtigkeit verloren und Hitler folgten ... Gegen den Willen eines geeinten und kampfbereiten Volkes hätte Hitler niemals die Macht ergreifen, sie festigen und seinen verbrecherischen Krieg führen können. Wir deutschen Kommunisten erklären, dass auch wir uns schuldig fühlen, indem wir es trotz der Blutopfer unserer besten Kämpfer infolge einer Reihe unserer Fehler nicht vermocht haben, die antifaschistische Einheit der Arbeiter, Bauern und Intelligenz entgegen allen Widersachern zu schmieden, im werktätigen Volk die Kräfte für den Sturz Hitlers zu sammeln, in den erfolgreichen Kampf zu führen und jene Lage zu vermeiden, in der das deutsche Volk geschichtlich versagte." (2)

Proletarischer Widerstand gegen Faschismus und Krieg

2 Bücher zusammen 796 Seiten

25,50 €

Jetzt bestellen

Vielschichtige Aufgaben stellen sich heute den Kommunisten, Antifaschisten und Demokraten, um eine erneute faschistische Gefahr zu bannen. Dazu ist insbesondere eine treffende Überzeugungsarbeit über den modernen Faschismus erforderlich.