Medizin-Nobelpreis für eine bahnbrechende Forschung

„Rote-Fahne“-Interview mit dem Diplom-Biologen Dr. Detlef Rohm

Am 8. Oktober 2012 wurde der diesjährige Medizin-Nobelpreis an John Gurdon (Groß-Britannien) und Shinya Yamanaka (Japan) für ihre Arbeiten zur Zellbiologie verliehen. Die „Rote Fahne“ sprach mit dem Diplom-Biologen Dr. Detlef Rohm aus Darmstadt über die Bedeutung ihrer Forschung.

Welche wissenschaftlichen Leistungen und neuen Erkenntnisse wurden mit dem Nobelpreis gewürdigt?
Die Entdeckungen der Preisträger haben unser Verständnis davon, wie Zellen und Organismen sich entwickeln, erweitert. Höhere Lebewesen entwickeln sich nach der Befruchtung der Eizelle von einer nach wenigen Zellteilungen wenig differenzierten Zellorganisation zu einem komplexen hoch organisierten Lebewesen. Dabei bilden sich aus den sogenannten Stammzellen, die ein schier unerschöpfliches Potential haben, verschiedenste Zelltypen und Gewebe aus. Aus den Stammzellen werden spezialisierte Zellen, wie z.B. eine Nervenzelle im Gehirn, sich kontrahierende Zellen im Herzmuskel oder Drüsenzellen in der Haut. Prof. Gurdon wies schon in den 1960er Jahren nach, dass die Gesamtheit aller Erbanlagen einer bereits spezialisierten Zelle noch alle Informationen der Stammzelle enthält, die sie für die Verwandlung in die mehr als 200 verschiedensten Zellarten benötigt – und dass sich das fortgeschrittene Entwicklungsstadium umkehren lässt, wenn man sozusagen an den richtigen Schaltern dreht.

Diese Erkenntnisse waren wohl nicht unumstritten und stießen auf Widerspruch bei der herrschenden Lehrmeinung?
In der Tat führte das zu einer Auseinandersetzung mit einer sehr mechanischen Vorstellung, die die Entwicklung sehr einseitig sozusagen als „Einbahnstraße“ von der Urzelle zur spezialisierten Zelle vertrat. Diese metaphysische Auffassung sah die spezialisierte Zelle als ein starres, festes Ding, und sah nicht die Prozesse der Verwandlung der einen Form in die andere und umgekehrt. Prof. Gurdon brachte aber den unumstößlichen Beweis, indem er aus der unbefruchteten Eizelle eines Frosches die Steuerzentrale mit den Genen, den Zellkern, entfernte und durch den Kern einer spezialisierten Darmzelle einer Kaulquappe ersetzte. Die neu komponierte Eizelle entwickelte sich tatsächlich in eine normale Kaulquappe.