„Ich bin wütend über die deutsche Regierung“
„Rote-Fahne“-Interview mit dem Schauspieler und Künstler Christof Wackernagel
Sie leben seit rund zehn Jahren in der Hauptstadt von Mali?
Ich habe in Bamako viele gute Kontakte und Freundschaften quer durch alle Schichten der Bevölkerung, vom Taxifahrer, Handwerker, bis zu Studenten, Künstlern, führenden Politikern und Hochschulprofessoren. Ich bin in diesem Land, dessen Menschen mich begeistern, hängen geblieben und habe eine kleine Familie gegründet. Es ist ein buntes, fröhliches Volk und sehr kulturvoll, wie ich es bisher nicht erlebt habe. Sie respektieren Menschen anderer Gesinnung, Hautfarbe und Religion, ich habe nicht einmal erlebt, dass man mich überreden wollte, zum Islam überzutreten.
Der Militärputsch vom März 2012 gegen den damaligen Präsidenten A. T. Touré war ein Schlüssel für die heutige Entwicklung?
Dieser Putsch war Wahnsinn. So wie ich Land und Leute kenne, hatten die Soldaten Schiss, dass sie verheizt werden, wenn sie im Norden eingesetzt werden. Die malische Armee ist ein Witz: Vier Hubschrauber, die nicht richtig funktionieren, kaum Waffen usw. Ein führender Putschist, Hauptmann Sanogo, war gegen einen bewaffneten Feldzug im Norden. Dort ist überwiegend Wüste, in die immer mehr Islamisten infiltriert wurden. Sie machten sich da breit, um Nordmali als strategisches Aufmarschgebiet zu nutzen. Sie haben modernste Waffen. Es waren zuerst Söldner, die unter Gaddafi in Libyen als Elitetruppe fungierten. Wenn diese Leute von irgendjemandem als Befreiungsbewegung bezeichnet werden, ist das alles Lüge. Die finanzieren sich von Drogen- und Menschenhandel. Ihr Aufmarsch hat wohl Islamisten aus aller Welt angezogen. Ich weiß nicht, woher die überall kommen, aus Afghanistan usw.? Was dann kam, ist kriminell. Die wurden von Katar aus mit modernsten Waffen beliefert. Ganze Jumbos mit Waffenladungen sind gelandet. In dem Zusammenhang bin ich wütend über die deutsche Regierung und ihren Rüstungsexport. Deutschland liefert an Katar und Saudi-Arabien 200 Leopardpanzer und modernste Handfeuerwaffen von Heckler & Koch. Von dort werden sie an islamistische Terroristen umgeleitet. Die haben überhaupt keine Rückendeckung in Mali, obwohl sie sich zum Teil auch geschickt maskieren.
Der Name Ansar Dine ist der eines berühmten Predigers, ein sanftmütiger und beliebter Mensch. Den missbraucht zum Beispiel eine Gruppe, die sich nach ihm bezeichnet.
Hat jemand dagegen etwas unternommen?
Ja, der derzeitige Übergangspräsident Traoré wandte sich mit einem Hilfeersuchen an die UNO. Er fuhr selbst nach Katar und bat die dortige Regierung um die Einstellung der Waffenlieferungen. Der hohe Rat der Muslime in Bamako – ich kenne die Leute gut – hat sich auch eingeschaltet. Man muss streng unterscheiden zwischen den Muslimen und ihrer Religionsgemeinschaft und den Islamisten. Alle Bitten, etwas gegen Letztere zu unternehmen, stießen bei UNO und den Regierungen der großen Länder lange auf taube Ohren. Ich weiß nicht, welche Rolle Katar oder Saudi-Arabien in der Weltpolitik spielt und wer genau die Fäden zieht, aber ich glaube da muss man nachbohren. Dann kommt man zur eigentlichen Quelle für Terror und Leid der Menschen in Westafrika heute.
Wie ging es weiter?
Mit diesen Waffen sind die islamistischen Paramilitärs in Richtung Süden von Mali vormarschiert. Die malische Armee war kein Hindernis. Von der UNO kam lange nichts. Bis Oktober gab es eine heftige Debatte in der malischen Gesellschaft. Als die Islamisten die Stadt Mopti erreichten, gab es Horrorszenarien. Die morden und massakrieren Leute. Wer mit einer Zigarette im Auto gesehen wird, wird ausgepeitscht und, wenn er Glück hat, nicht ermordet. Ich hatte Angst um meine Familie. Die hätten mich als Ungläubigen umgebracht. Zuerst mein Kind, dann meine Frau und dann mich. So gehen die vor. Ich war erstmal erleichtert und froh, als die französische Armee eingriff. So denken auch über 90 Prozent der Bevölkerung. Es ist absurd: Ich weiß als politisch denkender Mensch, dass die französische Armee nicht kommt, weil sie uns armen Menschen helfen will.
Was kommt jetzt auf Mali zu?
Die Franzosen saßen bisher in den Ländern Westafrikas fest im Sattel. Eine Führung, die nicht parierte, wurde weggeputscht. Den Einmarsch von Frankreich sehen auch viele politisch interessierte Menschen in Mali als zweischneidig an. Eine Meinung unter vielen ist: „Die werden uns noch die Rechnung präsentieren.“
Ich bin nicht für die alten Zustände und will sie auch nicht verklären. Frankreich stützte sich auf die wenigen Superreichen. Die leben in unglaublichem Luxus und führen sich wie Schweine auf: shoppen in Paris und werfen mit dem Geld nur um sich. Das Geld kommt übrigens von der sogenannten „Entwicklungshilfe“ – ein entsetzliches Wort. Sagen Sie ihren Lesern: jeder Cent, der über staatliche und halbstaatliche Einrichtungen gespendet wird, landet in den Händen dieser parasitären Oberschicht.
Wir wünschen Ihnen und Ihrer Familie alles Gute!