„Staatliche Auftragsmorde sind keine Einbildung“ („Collusion is not an illusion“)
Der Kampf um die Aufklärung staatlicher Auftragsmorde in Nordirland
Wilhelmshaven (Korrespondenz): Fast jede Woche kommen neue empörende Details über offensichtliche Verstrickungen zwischen dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) und dem Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ ans Tageslicht. Bei vielen Menschen lösen diese Enthüllungen aber nicht nur Empörung, sondern auch Ungläubigkeit hervor. Kann es wirklich sein, dass staatliche Stellen zehn Jahre lang der Ermordung unschuldiger Menschen – unter ihnen sogar eine Polizistin – zugesehen und die Mörder sogar vor polizeilicher Verfolgung geschützt haben?
An dieser Ungläubigkeit setzen bürgerliche Politiker, Medien und der Geheimdienst selbst an, wenn sie versuchen, alles auf bloße Ermittlungspannen oder Entgleisungen einzelner Geheimdienstler zurückzuführen. Bewusste Verstrickungen zwischen den faschistischen Mördern und Teilen des bürgerlichen Staatsapparats sollen ins Reich der „Verschwörungstheorien“ verbannt werden.
Dabei haben derartige Verstrickungen auch innerhalb der EU eine blutige Geschichte. Weniger bekannt als die Nato-Geheimarmeen („Gladio“ genannt) ist der Einsatz faschistischer Todesschwadronen im Nordirland-Konflikt (1969–1998). Man schätzt, dass hunderte Menschen den geheimen Verstrickungen von Polizei, Militär und Geheimdienst mit faschistischen Todesschwadronen zum Opfer gefallen sind. Selbst staatlich in Auftrag gegebene Untersuchungen mussten mittlerweile einräumen, dass rechte Paramilitärs wie die Ulster Defence Association (UDA) von V-Leuten, Agenten, Polizisten und Soldaten durchsetzt waren.
Dadurch waren zahlreiche Morde nicht nur im Vorfeld bekannt und verhinderbar – in vielen Fällen lieferten die Staatsdiener sogar die Waffen, nahmen Einfluss auf die Auswahl der Opfer oder drückten selbst ab!
Eine erst Ende 2012 veröffentlichte Untersuchung ergab, dass die UDA in den 1980er Jahren über 85 Prozent der für ihre Terrorakte benötigten Informationen von Quellen aus dem Staatsapparat erhalten hat. Die Behinderung und Verschleppung von Fahndungen und Ermittlungen war an der Tagesordnung. 15 Jahre sind seit dem Friedensabkommen in Nordirland vergangen. Die größten paramilitärischen Verbände haben inzwischen ihre Waffen abgegeben.