Mit der Offensive die revolutionären Potenziale erweitern

Interview mit dem Parteivorsitzenden und Spitzenkandidaten der MLPD, Stefan Engel

Die MLPD tritt zur Bundestagswahl an. In welcher Situation und mit welchen Zielen findet das statt?

Wir befinden uns in der seit fünf Jahren anhaltenden tiefsten Weltwirtschafts- und Finanzkrise in der Geschichte des Kapitalismus. Fast wöchentlich gibt es in irgendwelchen Teilen der Welt Massendemonstrationen, Massenstreiks oder gar Massenaufstände. Unübersehbar ist auch der Umschlag in eine globale Umweltkatastrophe weitergegangen mit einschneidenden Folgen für das Leben breiter Massen.

In dieser Situation steigt der Anteil der Menschen, die sich vom herrschenden Politiksystem des Kapitalismus nicht mehr vertreten fühlen und daher nach einer grundlegenden Alternative suchen. Das gilt auch für Deutschland, auch wenn die Widersprüche im Allgemeinen noch nicht so offen aufbrechen wie in anderen Ländern.

Die großen bürgerlichen Parteien CDU/CSU und SPD haben seit Anfang der 1990er Jahre 40 Prozent ihrer Mitglieder verloren, die FDP sogar 65 Prozent. Nur noch 42 Prozent – in Ostdeutschland 30 Prozent – der Wahlberechtigten haben bei den letzten Bundestagswahlen 2009 die beiden großen bürgerlichen Parteien gewählt. Der Anteil derer, die nach Umfragen eigentlich keine der bürgerlichen Parteien mehr wählen wollen, steigt kontinuierlich auf 40 bis 50 Prozent der Wahlberechtigten. Darunter sind die 30 bis 40 Prozent Nichtwähler sowie zirka 10 Prozent, die sich vorstellen können, eine kleine, nicht im Bundestag vertretene Partei zu wählen.

Das Klischee, dass dieses große Potenzial von Nichtwählern weitgehend unpolitisch sei, wurde von einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung gründlich widerlegt: „Nichtwähler sind durchaus politisch interessiert und informiert.“ (1)
Doch löst das Nichtwählen kein Problem. Diese Leute müssen raus aus der politischen Sackgasse einer rein negativen und passiven Kritik. Die zunehmend grundsätzliche Kritik am Kapitalismus muss eine positive und aktive Perspektive gewinnen: für eine radikal linke, revolutionäre und echte sozialistische Alternative! Darauf zielt unsere Offensive für den echten Sozialismus und gegen den modernen Antikommunismus ab!

Die Beteiligung an Bundestagswahlen ist für die MLPD immer eine besondere Kraftanstrengung. Ist es das wert?
 
Wir machen uns nichts vor: Die bürgerlichen Parlamentswahlen sind eine Methode, mit der das internationale Finanzkapital auch in Deutschland seine Alleinherrschaft über Staat, Wirtschaft und Gesellschaft unter dem Deckmantel von angeblich freien Wahlen verschleiern will. Dafür haben sie erhebliche Hürden gegen die parlamentarische Arbeit durch revolutionäre Kräfte aufgebaut.

Bereits die erste Hürde haben wir mit Bravour genommen: Als einzige linke Partei, die Unterschriften sammeln musste, treten wir in allen 16 Bundesländern mit Landeslisten und in 41 Wahlkreisen mit Direktkandidaten an. Mit 43.000 haben wir mehr als die nötigen knapp 40.000 gültigen Unterschriften gesammelt und bestätigt bekommen. In ungefähr einer halben Million Einzelgesprächen bei Tausenden von Einsätzen und Infoständen haben wir bereits sehr vielfältige und konkrete Erfahrungen sammeln können. Sie ermöglichen es uns, unsere Argumente zu schärfen und unsere Überzeugungsarbeit zu verbessern.

Die zweite Hürde war der Bundeswahlausschuss am 5. Juli. Dort wurde die MLPD diesmal ohne wesentliche Beanstandung zugelassen und damit auch der Parteienstatus der MLPD bekräftigt.

Die dritte Hürde ist die finanzielle Privilegierung der etablierten Parteien durch Steuergelder mit der Rekordsumme von 150 Millionen Euro im letzten Jahr. Wir dagegen finanzieren unseren Wahlkampf allein durch Spenden und die ehrenamtliche Initiative der Massen.

Die vierte Hürde ist die undemokratische 5-Prozent-Klausel: Bei etwa 80.000 Stimmen müssten wir eigentlich ein Abgeordnetenmandat bekommen. Es ist eine große Missachtung des Wählerwillens, dass alle Stimmen unter 5 Prozent den Parteien zugeschlagen werden, die schon im Bundestag sitzen.

Die fünfte Hürde ist die sogenannte „abgestufte Chancengleichheit“. Danach dürfen wir in vielen Städten und Gemeinden nur einen Bruchteil der Plakate der Bundestagsparteien aufhängen.

Die sechste Hürde ist die Medienmanipulation bis zum Medienboykott. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk und Fernsehen werden von den Bundestagsparteien kontrolliert. Sie sitzen in den Verwaltungs- und Fernsehräten und bestimmen die Leitlinien der Bundestagsberichterstattung. Während wir im Fernsehen täglich stundenlang die führenden Köpfe von CDU, CSU, SPD, FDP, Grüne und Linkspartei ertragen müssen, wird gerade wieder ein Sammelbeitrag über die „sonstigen Parteien“ vorbereitet, der dann wie beim letzten Mal nachts um 23 Uhr ausgestrahlt wird. So wird das Diktat der bürgerlichen Meinungsführerschaft aufrecht erhalten.

Trotzdem wäre es geradezu eine politische Dummheit, dieses demokratische Recht der Wahlbeteiligung nicht zu nutzen. In Wahlzeiten sind die Massen in besonderem Maße politisiert. Sogar mit unseren wenigen Wahlspots im Fernsehen und Radio erreichen wir Millionen. Unser Trumpf bleibt aber die Straße und das persönliche Gespräch. Das macht uns keiner nach! Zehntausende werden wir bei unseren Informationsständen sowie Kundgebungen und Einsätzen an Betrieben, Berufsschulen, Lehrwerkstätten oder Wohngebieten erreichen.

Die Losung „Radikal links, revolutionär – für den echten Sozialismus“ ist eine pointierte, schon fast provokative Frontstellung gegen den Kapitalismus. Schreckt das die Leute nicht ab?

(Das komplette Interview kann unter www.mlpd.de gelesen werden)