Lampedusa: Am Pranger steht die reaktionäre EU-Flüchtlingspolitik
Die neuerliche Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa ruft weltweit Trauer und Entsetzen hervor. Unser Mitgefühl und unsere Solidarität gehören den Angehörigen der Opfer, den Überlebenden und den Millionen Menschen, die weltweit in die Flucht getrieben werden durch Krisen, Kriege, Hunger und Umweltkatastrophen, die der herrschende Imperialismus verursacht.
Ein mit 500 Flüchtlingen aus Eritrea und Somalia völlig überfülltes Boot war vor der Küste von Lampedusa gekentert. Zuvor hatten die Menschen an Bord versucht, mit einer brennenden Decke auf sich aufmerksam zu machen. Das Boot fing Feuer und kippte um, fast 200 Menschen wurden bisher tot geborgen, mehr als 200 werden noch vermisst. Laut der Aussage von Tauchern, die das Wrack auf dem Meeresgrund untersucht haben, sind das Deck und die Innenräume voller Leichen. Sizilianische Fischer halfen den Schiffbrüchigen und erheben gleichzeitig schwere Vorwürfe gegen die italienische Küstenwache und gegen die EU-„Grenzschutz“-Truppe „Frontex“. Als sie den Flüchtlingen zu Hilfe kommen wollten, wurden sie teilweise daran gehindert. Vor sechs Jahren wurden sieben tunesische Fischer, die 44 Flüchtlinge an der sizilianischen Küste vor dem Ertrinken retteten, verhaftet; ihre Boote wurden beschlagnahmt, sie selbst der „Beihilfe zur illegalen Einreise“ und des „Widerstands gegen die Staatsgewalt“ bezichtigt und zum Teil verurteilt.
Die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini, ist geschockt und empört. Seit ihrem Amtsantritt setzt sie sich auf der Insel für eine verbesserte Unterbringung der Flüchtlinge ein und prangert die reaktionäre europäische Flüchtlingspolitik an: „Ich bin mehr und mehr davon überzeugt, dass die europäische Einwanderungspolitik diese Menschenopfer in Kauf nimmt, um die Migrationsflüsse einzudämmen. Vielleicht betrachtet sie sie sogar als Abschreckung. Aber wenn für diese Menschen die Reise auf den Kähnen der letzte Funken Hoffnung bedeutet, dann meine ich, dass ihr Tod für Europa eine Schande ist.“
Eine viel größere Schande ist allerdings, dass die Überlebenden jetzt aufgrund des italienischen Einwanderungsgesetzes vom italienischen Staat wegen „illegaler Einwanderung“ auch noch belangt werden sollen.
Jetzt rufen auch bürgerliche Politiker nach „Änderungen“ der EU-Flüchtlingspolitik. Das Einzige, was den europäischen Regierungen dazu einfällt, ist ein unwürdiges Geschacher um die viel zu niedrigen Aufnahmequoten für Flüchtlinge und der Ruf nach verstärkten Kontrollen. Es ist aber die 2004 geschaffene „Frontex-Agentur“, die brutale Militäroperationen gegen Flüchtlingsboote durchführt.
Keinen Deut fortschrittlicher, lediglich in den Methoden verfeinert, sind die neuen EU-Pläne in der Flüchtlings- und Asylpolitik.