Die große Überwachungskoalition

Im Wahlkampf wurde von der CDU/CSU- und SPD-Führung viel von „individueller Freiheit des Einzelnen“ gesprochen. Der Koalitionsvertrag spricht dagegen mit der Vorrats­daten­speicherung, der „Effektivierung“ der Arbeit der Ge­heim­dienste, der Anschaffung von Aufklärungsdrohnen usw., kurz einem verschärften Abbau bürgerlich-demo­kratischer Rechte und Freiheiten, eine ganz andere Sprache.

Was hat die Große Koalition vor?

Eine Reihe von Maßnahmen verschärft die Bespitzelung der Bevölkerung:
• „Wir werden die EU-Richtlinie über den Abruf und die Nutzung von Telekommunikationsverbindungsdaten umsetzen“, heißt es lapidar im Koalitionsvertrag (S. 147). Dieses Gesetz, wonach alle Telekommunikationsdaten aller Bundesbürger erfasst, über sechs Monate aufbewahrt und ausgewertet werden, steht seit Jahren in der Kritik. 2008 gingen in Berlin 100.000 Demonstranten dagegen auf die Straße, Zehntausende reichten erfolgreich Klagen beim Bundesverfassungsgericht dagegen ein. Eine vom BVG 2012 verlangte Neuregelung kam wegen der Widersprüche zwischen CDU/CSU und FDP, die um ihr „liberales“ Image fürchtete, 2013 nicht mehr zustande. Dafür steht aber jetzt die SPD-Führung gerne zur Verfügung. Die Einschränkung, dass die Vorratsdatenspeicherung nur „auf Servern in Deutschland“ vorzunehmen sei, ist ei­ner­seits wenig glaubwürdig. Die Internetdaten werden von den Geheimdiensten an Überseekabeln und sogenannten Knotenpunkten des Internets abgegriffen. Auch wenn die Daten nicht so leicht „offiziell“ verwendet werden können, erfasst werden sie auf alle Fälle. Im Gebäude des Internet-Knotens in Frankfurt hat sich – wie praktisch – der BND eingemietet und bekanntlich tauschen NSA und BND ihre Ergebnisse untereinander aus.

• Der Einsatz von Aufklärungs- und bewaffneter Drohnen, im Vertrag verharmlosend unbemannte Luftfahrzeuge genannt, soll forciert werden. Als ob es nie einen Drohnenskandal gegeben hätte. Damit wird das Ausspähen von Massenkämpfen aus der Luft intensiviert, von der Gefährdung des zivilen Luftverkehrs ganz zu schweigen. Scheinheilig werden Tötungen mit bewaffneten Drohnen abgelehnt, aber nur, wenn diese „extra­legal“ und „völkerrechtswidrig“ sind. Tatsächlich gibt es für diese Tötungen aus der Luft mit immensen Opfern keinerlei völkerrechtliche Grundlage.

• Im Vertrag wird weiter eine „digitale Agenda 2014–2017“ angekündigt (S. 139) und „die deutsche Spitzenposition im Bereich des Höchstleistungsrechnens“ soll ausgebaut werden. Das lässt eine massive Ausdehnung der Bespitzelung erahnen, Hochleistungsrechner werden bekanntlich zum Knacken verschlüsselter Dateien gebraucht.
Im Zusammenhang mit dem allgemeinen Abbau bürgerlich-demokratischer Rechte und Freiheiten decken diese Vor­haben im Koalitionsvertrag allerdings eine umfassende Ausrichtung und Einstellung des Staatsapparats auf die Situation verschärfter Klassenkämpfe auf. Der Koalitionsvertrag als Ganzes zielt auf die verschärfte Abwälzung der Lasten der Weltwirtschafts- und Finanzkrise auf die Masse der Bevölkerung, getreu den Vorgaben des alleinherrschenden internationalen Finanzkapitals. Alle Teilzugeständnisse wie die „Mütterrente“ usw., die im Vertrag enthalten sind, sind unter den „Finanzierungsvorbehalt“ gestellt. Der kann bei einer Staatsverschuldung von über zwei Billionen Euro jederzeit geltend gemacht werden. Je mehr die Massen gegen die Verhältnisse rebellieren, desto mehr wird sich die sogenannte„freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ als das erweisen, was sie ist: eine Lebenslüge des Kapitalismus zur Verschleierung der Diktatur der Monopole.