Die Große Proletarische Kulturrevolution in China und ihre Bewertung – ein Briefwechsel
Sehr geehrte Redaktion der „Roten Fahne“,
ich sende Ihnen den Augenzeugenbericht eines sowjetischen Beobachters, der 1966 die Kulturrevolution und das Wirken der Rotgardisten miterlebte und darüber ein Buch schrieb. Er befasst sich auch darin mit dem Schicksal des großen chinesischen Schriftstellers Lao She, der durch Rotgardisten in seinem Haus zu Tode kam. Die Datei enthält Auszüge aus diesem Buch. Wie ich auf Ihrer Seite erfuhr, sehen Sie diese „Große Proletarische Kulturrevolution“ immer noch positiv. Seien Sie so nett und teilen Sie mir bitte Ihre aktuelle Sicht der Dinge dazu mit. Vielen Dank.
Mit besten Grüßen
G. S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Zuschrift … Sie haben uns den Bericht eines Augenzeugen der Kulturrevolution in China von 1965/66 (A. Schelochowzew: „Chinesische Kulturrevolution aus der Nähe“ – Augenzeugenbericht eines sowjetischen Beobachters, Stuttgart 1969) zugesandt. Wir haben natürlich heute und aus der Ferne nicht die Möglichkeit, die Authentizität dieses Augenzeugenberichts für die Bewertung der Kulturrevolution in China konkret zu überprüfen. Aber wir können uns über den prinzipiellen Gehalt und Bedeutung der chinesischen Kulturrevolution auseinandersetzen.
Da Sie ja nicht ganz unbedarft bezüglich der politischen Entwicklung nach 1945 in den sozialistischen Ländern sind, hat es mich doch etwas gewundert, dass Sie eine so scheinbar meinungsneutrale Anfrage an uns richten.
Der von Ihnen übermittelte „Augenzeugenbericht“ Schelochowzews hat zweifellos das eindeutige Motiv, die chinesische Kulturrevolution zu verunglimpfen. Schelochowzew wurde 1965 als Sinologe von der KPdSU nach Peking geschickt. Und das zu einem Zeitpunkt, als mit der Veröffentlichung des „Vorschlags zur Generallinie der internationalen kommunistischen Bewegung“ durch die KP Chinas die revisionistische Entartung der KPdSU nach dem XX. Parteitag öffentlich angegriffen wurde und die prinzipiellen Differenzen im Kampf zwischen dem sozialistischen und kapitalistischen Weg in der ganzen Welt offen entbrannten. In dieser Situation war Schelochowzew alles andere als ein „neutraler Beobachter“ und „Augenzeuge“.