Wir müssen dringend unsere Kräfte stärken!
Interview mit dem Vorsitzenden der MLPD, Stefan Engel
Wie beurteilst du am Jahresende die wirtschaftliche und politische Entwicklung?
Mitte des Jahres sind wir zu dem Schluss gekommen, dass die längste und tiefste Weltwirtschafts- und Finanzkrise in der Geschichte des Kapitalismus zu Ende geht. Das 5. ZK-Plenum konnte nun erstmals den gesamten Krisenzyklus untersuchen.
Wir haben dabei festgestellt, dass zwischen Januar 2008 – dem höchsten Punkt der Industrieproduktion in Deutschland vor der Weltwirtschafts- und Finanzkrise – und Juli 2014 der Krisenzyklus durchlaufen wurde. Im Juli 2014 wurde erstmals wieder der Vorkrisenstand erreicht. In der Zeit dazwischen gab es allerdings bemerkenswerte Entwicklungen: 2011 hatte kurzfristig der Index der Industrieproduktion – gemessen am höchsten Vorkrisenstand = 100 – einen Stand von 98,7 erreicht. Das veranlasste Bundeskanzlerin Merkel, schon im Sommer 2011 einen Wirtschaftsaufschwung auszumachen. Tatsächlich fiel dann die Wirtschaft wieder auf 93,6 Indexpunkte zurück. Seit diesem Zeitpunkt gibt es eine stagnierende Entwicklung um die 95 Indexpunkte. Das bedeutet, dass die Belebung – noch bevor der Vorkrisenstand dauerhaft erreicht wurde – in eine schwankende Stagnation mit heftigen Ausschlägen nach oben und unten übergegangen ist. Das ist eine wichtige Veränderung des Krisenzyklus.
Die ausgeprägten Schwankungen kennzeichnen eine enge Durchdringung von politischen und wirtschaftlichen Ereignissen, die relativ schnell und deutlich Auswirkungen nach sich ziehen. So kam es in Deutschland aufgrund der Ukraine-Krise im August zu einem Einbruch der Industrieproduktion von über 3 Prozent. Die Ausfuhren sanken sogar um 5,7 Prozent, das ist der tiefste Einbruch seit dem Krisenmonat Januar 2009.
Aufgrund der chronischen Überakkumulation des Kapitals ist es insgesamt für das internationale Finanzkapital sehr schwierig geworden, über die Industrieproduktion Maximalprofite zu realisieren. Deshalb wurde die staatliche Investitions- und Subventionspolitik gegenüber diesen Monopolen ebenso wie die ausufernde Spekulation immer mehr zu einer Notwendigkeit für die Steigerung der Maximalprofite.
Beides hat zu einer ungeheuren Plünderung der Staatshaushalte und sprunghaften Ausdehnung des Kreditwesens geführt. Allein zwischen 2007 und 2013 ist die Verschuldung der Staaten und der Privatwirtschaft von 107 Billionen US-Dollar auf 150 Billionen US-Dollar angestiegen. Japan hat heute eine Staatsverschuldung gemessen am Bruttosozialprodukt von 250 Prozent. Die japanische Wirtschaft ist nach umfangreichen, zahlreichen staatlichen Wirtschaftsprogrammen jedoch bereits wieder in eine Rezession geschlittert. Das kennzeichnet eine hohe Labilität und die jederzeitige Gefahr, dass eine neue Weltwirtschaftskrise ausbricht.