Hartz-IV-Änderungen: „Ein zweites Sanktionsregime“
Die „Rote Fahne“ sprach mit Hartz-IV-Kritikerin Inge Hannemann über den von der Bundesregierung vorgelegten „Entwurf eines Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II“ (Hartz IV). Inge Hannemann kritisierte als Arbeitsvermittlerin im Jobcenter Hamburg-Altona die Sanktionspolitik gegenüber ALG-II-Beziehern. Daraufhin wurde sie 2013 suspendiert und erhielt Hausverbot. Ihr Fall erregte bundesweites Aufsehen.
Rote Fahne: Frau Hannemann, was ist Ihre Hauptkritik an dem Gesetzentwurf, der unter anderem mit angeblichen „Rechtsvereinfachungen“ begründet wird?
Inge Hannemann: Leider wurden aus den sogenannten „Rechtsvereinfachungen“ restriktive Rechtsverschärfungen. Ich kritisiere vor allem die Berechnung der Wohnkosten auf eine Gesamt-Bruttowarmmiete. Es ist niemals möglich, einen harten Winter und die damit steigenden Heizkosten vorauszusehen. Als zweiten Punkt möchte ich die Ausweitung des Kostenersatzes bei scheinbar sozialwidrigem Verhalten erwähnen. Das ist nichts anderes als ein zweites Sanktionsregime. Die Jobcenter haben nun die Möglichkeit, subjektiv zu entscheiden, ob z. B. bei Ablehnung einer Tätigkeit die Hilfebedürftigkeit verringert wurde. Das gilt auch bei Ablehnung von Tätigkeiten, die ein Mensch aus persönlichen Gründen gar nicht ausführen kann. Zurückgezogen hat die Regierung mittlerweile die geplanten Kürzungen bei Alleinerziehenden. Ein erster Erfolg der wachsenden Kritik und des Widerstands.