Rote Fahne 07/2018
„Untertägige Wasserhaltung muss aufrechterhalten werden“
Der Gelsenkirchener Bergmann Christian Link war einer der Ersten, die den Skandal an die Öffentlichkeit brachten, dass jahrzehntelang Giftmüll unter Tage deponiert wurde. Er fordert die Aufhebung des Anfahrverbots gegen ihn und eine öffentliche Entschuldigung durch die RAG
Rote Fahne: Was ist deine Meinung zur Flutung der Zechen?
Christian Link: Das ist in meinen Augen eine Katastrophe, die mit Vorsatz herbeigeführt wird. Seit Bekanntwerden der Pläne der Ruhrkohle AG (RAG), die Wasserhaltungen im Saarland abzuschalten und das Grubenwasser in zwei Stufen ansteigen zu lassen, bis es überläuft, nehmen die Proteste zu.
Die ehemalige Ministerpräsidentin des Saarlandes, Annegret Kramp-Karrenbauer – der neue Stern am Himmel der CDU in Berlin – und der neue Außenminister, Heiko Maas, waren maßgeblich an der Genehmigung beteiligt. Und das, obwohl sich das Oberbergamt und das Landesamt für Umwelt- und Arbeitsschutz dagegen aussprachen. Das Unfassbare dabei ist, dass dieser Vorgang sogar bis 2015 geheim gehalten wurde. Allein im Saarland soll das der RAG 17 Millionen Euro an Einsparungen bringen. Daran sieht man, dass es hier nur um den Profit geht.
Die Internationalistische Liste/MLPD und die Grünen waren die Einzigen, die das zum Thema im Bundeswahlkampf, unter anderem im Saarland, gemacht haben. Der Protest hat dort seitdem eine überparteiliche Breite gewonnen. Selbst CDU-Bürgermeister arbeiten aktiv mit.
Nach jetzigem Stand haben 8000 Menschen die Onlinepetition unterschrieben und es gab 6805 Einwendungen. Inzwischen gibt es 98 Stellungnahmen von Verbänden, Behörden, Kommunen, Landkreisen und 22 Gemeinden, die sich dagegen wenden, das Grubenwasser ansteigen zu lassen. Die Bergleute spielen dabei eine prägende Rolle und stellen sich zur Verfügung, weil sie die Fachleute dafür sind, was unter Tage tatsächlich gemacht wurde. Die Pläne der RAG wurden durch den Protest der Bevölkerung durchkreuzt.
Das Für und Wider im Streit um die Abschaltung der Wasserhaltungen wird ständig durch neue Gutachten und Erklärungen genährt. Das Argument der RAG, das bisschen PCB werde im Grundwasser ja bereits so verdünnt, dass es vollkommen ungefährlich für die Menschen sei, ist ein Hohn. Auch in kleinsten Mengen ist das Ultragift gesundheitsschädlich und krebserregend. Bei PCB gibt es keine unbedenklichen Werte.
Die Marler Initiative hat nachgewiesen, dass im gegenwärtig noch trockenliegenden Grubengebäude von Auguste Victoria mindestens 6395 Tonnen Giftmüll eingelagert wurden und große Mengen PCB verblieben sind. In der Zeche Haus Aden lagern 1500 bis 2000 Tonnen PCB.
Neueste Messungen zeigen, dass die Belastung seit Jahren sehr hoch ist, und das ist den Behörden bekannt. Die Meldungen aus den ehemaligen saarländischen Gruben Reden und Camphausen widerlegen die Aussagen der RAG über die Geringfügigkeit der PCB-Belastung.
So wurde in Reden der Normwert dessen, was in den Oberflächengewässern zugelassen ist, um das 300-Fache und in Camphausen sogar um mehr als das 400-Fache überschritten.1
Von den 1500 Tonnen PCB, die im Saarland eingesetzt wurden, gibt es derzeit nur einen ordnungsgemäßen Nachweis über 19,26 Tonnen. Was ist mit dem Rest? Zusätzlich muss in Rechnung gestellt werden, dass durch das jahrzehntelange Einspeisen des Grubenwassers in die Flüsse der PCB-Gehalt immer mehr angereichert wird.
Was schlägst du vor, was dagegen unternommen werden muss?
Die untertägige Wasserhaltung muss auf allen Schachtanlagen aufrechterhalten werden. Keine Flutungen!
In den gefluteten Schachtanlagen muss die untertägige Wasserhaltung wieder eingerichtet werden und das Grubenwasser wieder auf die Höhe gebracht werden wie zu der Zeit, als noch gefördert wurde.
Das Grubenwasser muss rückstandlos von PCB und anderen eingesetzten Giftstoffen gefiltert werden. Einerseits wird damit die Umwelt geschont, und auf der anderen Seite werden Arbeitsplätze erhalten.
Eine andere wichtige Forderung ist, dass alle Bergleute und Rentner auf diese Giftstoffe ärztlich untersucht werden. Die Kosten dafür müssen natürlich von der RAG getragen werden.
Kannst du uns über den Stand der Auseinandersetzung um das Anfahrverbot durch die RAG gegen dich informieren?
Durch das Anfahrverbot der RAG wurde ein faktisches Berufsverbot ausgesprochen. Das ist nach wie vor nicht zu akzeptieren. Es gibt bisher keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass ich die Unwahrheit gesagt hätte. Es wurde meines Wissens bis heute kein Wissenschaftler, Politiker, Journalist usw. wegen Äußerungen zu dem Thema von der RAG mit Repressalien belegt.
Ich habe ja nichts anderes öffentlich vertreten als andere Gegner des Giftmülls unter Tage und der Zechenflutung. Der einzige Unterschied ist, dass ich aktiver Bergmann bin, der die Umweltfrage und die soziale Frage gleichwertig berücksichtigt haben will. Und dass ich damit den Mythos durchbreche, „wer sich für die Arbeitsplätze einsetzt, kann sich nicht für die Umwelt einsetzen – und umgekehrt“. Ich habe den Eindruck, es passt der RAG gar nicht in den Kram, dass ein Bergmann sich in die öffentliche Diskussion einbringt. Ich fordere eine öffentliche Entschuldigung und sofortiges Aufheben des Anfahrverbots.
Wir bedanken uns für das Interview!