Rote Fahne 08/2019
Diesel-Fahrverbote in Stuttgart – heiße Debatten über Lösungen
18.000 Autofahrer in Stuttgart und weitere Tausende Pendler sind von den Diesel-Fahrverboten betroffen. Seit Januar organisiert der Porsche-Facharbeiter Ioannis Sakkaros wöchentlich „Pro-Diesel-Demos“ und fordert das Ende der Fahrverbote
Mit Unterstützung der Regierungen haben die Autokonzerne in krimineller Manier die Abgaswerte manipuliert, am Verbrennungsmotor festgehalten und das Verkehrschaos auf den Straßen befeuert. In Fortsetzung ihrer Profitlogik werden die betrogenen Dieselkäufer aufgefordert, neue Autos zu kaufen. In der Daimler-Kollegenzeitung „Stoßstange“ berichten Arbeiter, die eine Ausnahmegenehmigung für die Fahrt zur Arbeit beantragten, über die Antwort der Stadt Stuttgart: Es sei „eine Ersatzbeschaffung zumutbar, wenn das monatliche Einkommen mehr als 1130 Euro beträgt“. Zynischer geht’s kaum. Aber die geforderte Nachrüstung mit SCR-Katalysatoren auf Kosten der Betrüger in den Konzernetagen, die wie Daimler 13 Milliarden Euro Gewinn letztes Jahr eingefahren haben, ist wohl „unzumutbar“.
Die „Pro-Diesel-Demos“ polarisieren in der Stadt und den Betrieben. Etliche Teilnehmer der wöchentlichen Demonstrationen machen sich kritiklos zu Verteidigern der Autokonzerne, mit Gelbwesten und Emblemen der Konzerne drauf. Oder es wird skandiert „Grüne raus“, „Fuck DUH“ usw. Als ob die DUH (Deutsche Umwelthilfe), die berechtigt für die Einhaltung der Luftreinhaltepläne geklagt hat, Verursacher der Luftverpestung wäre. Ein gefundenes Fressen für die Hetzer der AfD, die Ioannis Sakkaros allerdings für unerwünscht erklärt hat. CDU und FDP rufen ebenfalls zu Pro-Diesel-Demos auf. Ausgerechnet die, die jahrzehntelang EU-Recht und Immissionsschutzgesetze ignoriert und die Autokonzerne gehätschelt haben.
Als Notmaßnahme können Fahrverbote keinesfalls generell abgelehnt werden. Vor allem müssen sie mit dem Kampf für einen kostenlosen und gut ausgebauten öffentlichen Nahverkehr einhergehen. Auch bei den Pro-Diesel-Demos sind die Meinungen geteilt. MLPD-Mitglieder berichteten von einer der Demos: Angesprochen mit der VW-Broschüre, die die kriminellen Machenschaften aufdeckt, zeigten sich viele offen und sahen auch die Profitgier der Konzerne als Ursache. Ein Anwohner, der von der vergifteten Luft besonders betroffen ist, hängte ein Transparent aus dem Fenster mit der Aufschrift „Fuck AfD“.
Jetzt gibt es in Stuttgart zwar eine Vereinfachung und Verbilligung der Tarife im öffentlichen Nahverkehr. Doch statt ihn umfassend auszubauen und kostenfrei zu machen, spielt Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) weiter auf Zeit. Um Fahrverbote für Euro-5-Diesel ab 2020 zu verhindern, tricksen CDU, Grüne, SPD und FDP mit den Grenzwerten und Standorten der Messstationen herum.
Die Gemeinderatsfraktion SÖS-Linke-Plus fordert ein Freifahrticket für alle Dieselbesitzer, die ihr Auto abmelden – ein erster Schritt, der aber von den Konzernen bezahlt werden muss. Die Umweltgewerkschaft fordert in Stuttgart den Nulltarif im ÖPNV und die Ausweitung der Taktzeiten auch für Schichtarbeiter. Statt „Pro-Diesel-Demos“ zu veranstalten, könnten Autoarbeiter und Anwohner gemeinsam zu den Daimler-, Porsche- und Bosch-Toren demonstrieren. Die MLPD fordert: Bestrafung der Betrüger in den Konzernzentralen! Sofortige Nachrüstung aller Dieselfahrzeuge mit SCR-Katalysatoren auf Kosten der Autokonzerne, Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und Nulltarif, rasche Umstellung auf Antriebe mit erneuerbaren Energien und Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor!