Rote Fahne 08/2019
Vernichtet E-Mobilität zwangsläufig Arbeitsplätze?
Es gibt gegenwärtig mindestens ein halbes Dutzend verschiedene Gutachten bürgerlicher Institute, wie viele Arbeitsplätze durch die Einführung der Elektromobilität in Deutschland gefährdet sind
Sie reichen bis hin zu Größenordnungen von 110.000 Arbeitsplätzen, die dadurch wegfallen können.1 Die verschiedenen Studien lassen allerdings völlig außer Acht, dass die technologische Entwicklung keineswegs zwangsläufig zu Arbeitsplatzvernichtung führt.
Die neue Antriebstechnologie macht mit den Verbrennungsmotoren nicht nur einen Hauptfaktor der Umweltzerstörung überflüssig, sie führt auch zu einer Verringerung der gesellschaftlich notwendigen Gesamtarbeitszeit.
Die Produktion des Antriebsstrangs für einen Verbrennungsmotor erfordert 1400 Teile. Die Produktion des Antriebsstrangs für ein Elektroauto nur rund 200 Teile.2 Es entstehen auf der einen Seite neue Fertigungsbereiche, um die benötigten Komponenten für ein Elektroauto zu produzieren. Dazu kommt der Aufbau eine neuen Infrastruktur mit Ladesäulen statt Tankstellen usw. Gleichzeitig verringert sich der Arbeitsaufwand in der Motoren- und Getriebeproduktion erheblich.
Die Verringerung der Gesamtarbeitszeit nutzen die Automobilmonopole, um die Ausbeutung sprunghaft zu steigern und massenhaft Arbeiter „überflüssig“ zu machen. Das kapitalistische Profitstreben führt dazu, dass sich die revolutionären Produktivkräfte zunehmend in Destruktivkräfte verwandeln.
Damit die revolutionären Produktivkräfte in vollem Umfang der ganzen Gesellschaft und vor allem den arbeitenden Menschen zugute kommen, müssen sie von den Fesseln des Kapitalismus befreit werden. Dann wird es möglich sein, die steigende Arbeitsproduktivität aufgrund technologischer Fortschritte planmäßig zur Verkürzung der Arbeitszeit in der gesellschaftlichen Produktion einzusetzen, um mehr Zeit für Erholung, Erhaltung der Gesundheit, Freizeit und Familie, politische Betätigung und Ausbildung allseitigerer Fähigkeiten zu gewinnen – gerade auch im Interesse des Aufbaus der sozialistischen Gesellschaft.
Der Kampf für die 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich ist ein Beitrag dazu, dass der Fortschritt der Produktivkräfte schon heute den arbeitenden Menschen zugute kommt. Damit können Arbeitsplätze geschaffen oder erhalten werden. Ihre Durchsetzung rückt deshalb mit der Einführung der Elektromobilität verstärkt auf die Tagesordnung. Das muss allerdings auf Kosten der Profitinteressen und gegen den erbitterten Widerstand der Autokonzerne erfolgen.
Auch bezogen auf die Umwelt hat die Elektromobilität unter kapitalistischen Bedingungen destruktive Wirkungen. Solange der Strom durch Kohleverbrennung erzeugt wird, trägt dies weiter zur CO2-Anreicherung in der Atmosphäre bei. Das für die Batteriefertigung benötigte Lithium und Kobalt wird oft unter gefährlichen und umweltschädlichen Bedingungen abgebaut, außerdem sind die Vorräte sehr begrenzt und Recycling-Verfahren kaum entwickelt. Schon heute muss deshalb vor allem der Kampf um den Ausbau eines kostenlosen öffentlichen Nahverkehrs geführt werden. Auch als Schule des Kampfs für den Sozialismus, in dem ein umfassendes umweltschonendes Verkehrswesen ohne Verbrennung fossiler Rohstoffe möglich sein wird.