Rote Fahne 12/2019
Thyssenkrupp und Tata – die gescheiterte Fusion
Thyssenkrupp und Tata Steel gaben am 10. Mai bekannt, ihre Fusion aufzugeben, weil eine Ablehnung der EU-Kommission zu erwarten sei. Haben also die Kartellbehörden die Fusion verhindert? Oder ist das nur eine vordergründige Erklärung?
Fusionen, wie auch ihr mögliches Scheitern, sind immer Folgen eines erbitterten internationalen Konkurrenzkampfes um die führende Weltmarktstellung. Natürlich wird der Konzentrationsprozess des Kapitals durch politische Vorgaben oder auch Kartellgesetze beeinflusst. Aber das Wesentliche bleibt der ökonomische Zwang zur Konzentration des Kapitals. Dieser Konkurrenzkampf verschärft sich gegenwärtig durch verschiedene Vorboten einer neuen Weltwirtschafts- und Finanzkrise und durch den Handelskrieg zwischen den USA und ihren Konkurrenten wird der unter anderem mit Zöllen von 25 Prozent auf Stahl ausgetragen.
Ursprünglich angetreten, zu einem führenden Weltstahlkonzern zu werden, liegt Thyssenkrupp 2017 nach der aktuellen Aufstellung des Weltstahlverbandes über die 100 größten Stahlkonzerne der Welt auf Platz 29, nach Platz 15 im Jahr 2016. Der Rückfall im internationalen Konkurrenzkampf setzt sich fort. Erfolgreicher im Konzentrations- und Fusionsprozess in der Stahlproduktion war ArcelorMittal. Der größte Stahlkonzern der Welt hat zuletzt das italienische Stahlwerk Ilva übernommen.
Der Konzernumbau wird seit Längerem betrieben
Thyssenkrupp ist kein reiner Stahlkonzern, sondern hat eine Produktionspalette von Aufzügen bis zu U-Booten. 2012 wurde der Edelstahlbereich „Nirosta“ mit 11.846 Beschäftigten an den finnischen Konkurrenten Outokumpu verkauft. Die Abwicklung der beiden Stahlwerke in Amerika, ursprünglich gebaut, um auf dem Stahlmarkt zu den Weltmarktführern
aufzurücken, war mit Acht Milliarden Euro Verlust verbunden. Die Fusion mit dem indischen Konzern Tata sollte das Stahlgeschäft ausgliedern und dann den Konzern zunächst in zwei große Teile aufteilen – Industrials AG und eine Materials AG. Damit war der Plan verbunden, zusammen mit Tata eine bestimmte Marktführerschaft im Bereich Autoblech, Elektrobleche und Verpackungsblech zu sichern. Es wäre mit 48.000 Beschäftigen der nach ArcelorMittal zweitgrößte Stahlkonzern in Europa entstanden. Die Aktie von ArcelorMittal fiel bei der Bekanntgabe der Fusionspläne denn auch um neun Prozent, was den Konkurrenzkampf anheizte.1
In dieser Situation verlangte die EU, dass der fusionierte deutsch-indische Stahlkonzern Marktanteile aus diesem Bereichen abgibt – an wen, ließ sie offen. Dazu erklärte Thyssenkrupp: Das würde „die angestrebten Synergieeffekte des Zusammenschlusses in einem Umfang beeinträchtigen, dass die wirtschaftliche Logik des Joint Ventures nicht mehr gegeben wäre.“2 Die Fusionspläne, an denen die Investmentbank Goldman Sachs beteiligt war, wurden deswegen kurzerhand aufgegeben. Nicht aber der Plan zum Umbau des Konzerns. Investmentbanken arbeiten immer daran, Konzerne wie Thyssenkrupp, die in der alten Weise keinen Maximalprofit mehr erreichen, neu zu strukturieren. Das soll nun über den Aufbau einer Holding erreicht werden. Auch dieses Konzept beruht darauf, dass einzelne Bereiche an die Börse gehen und mit anderen kooperieren oder fusionieren können. Die Ankündigung von 6000 Entlassungen ist nur eine erste Auswirkung dieses Plans der Profitmaximierung. Typisch war daher, dass die Aktie von Thyssenkrupp schon nach den ersten Meldungen über die gescheiterte Fusion insgesamt um 28 Prozent stieg. Wenige Tage vor der gescheiterten Fusion hatte sie noch den tiefsten Stand seit 15 Jahren.
Stahlproduktion und Machtpolitik
Ein besonderer Aspekt bei der ablehnenden Haltung der EU zur Fusion mit Tata liegt in der Rolle der Stahlproduktion für ihre Machtpolitik. Die Sicherung einer bestimmten Stahlbasis für die Investitionsgüter- und die Rüstungsindustrie ist von strategischer Bedeutung und soll nicht von einem neuimperialistischen Land wie Indien abhängig werden. Indien ist hinter China das Land mit der weltweit zweitgrößten Stahlproduktion. Es wird sich also noch zeigen, inwieweit die alten Pläne neu verfolgt werden, den Marinebereich von Thyssenkrupp mit der französischen Naval Group – nach dem Vorbild von Airbus – zusammenzulegen.
Konzerne können sich nur auf Kosten der Belegschaften und durch Steigerung der Ausbeutung ihren Maximalprofit sichern. Das führt uns Thyssenkrupp wieder vor. Dieser Monopolpolitik mit Sozialplänen zu begegnen, kann trotz aller Hoffnungen, die damit verbreitet werden, nie mehr sein als ein Flankieren dieser Monopolpolitik. Auf diese Weise konnte Thyssenkrupp seit 2005 21.826 Arbeitsplätze vernichten. Jetzt werden sogar erstmals Massenentlassungen angekündigt. Die einzige Alternative zum Sozialplan ist der Kampf um jeden Arbeitsplatz auf Kosten der Profite und die Arbeiteroffensive.