Rote Fahne 13/2019
Umweltschutz am Horn von Afrika
Das kleine afrikanische Land Eritrea beschämt die imperialistische Umweltpolitik – ein Reisebericht
Wir landen mit einem Flieger der Egypt Airlines am frühen Morgen in Asmara. Das Land ist bitterarm. Weite Strecken ockerfarbener Sand. Nirgends Schornsteine und Kraftwerke am Horizont. Erster Spaziergang durch die Straßen der Hauptstadt Asmara. Als Erstes fällt ins Auge: kein Müll, keine Plastikabfälle. Auch am Stadtrand keine Müllkippen. Später erfahren wir, dass Eritrea bereits 2001 die Einfuhr von Plastiktüten verboten hat. Die EU will das erst in zwei Jahren verbindlich einführen. Nirgends Zigarettenkippen auf der Straße. Die Jugend- und Studentenorganisation in Eritrea (NUEYS) hat seit Langem eine Kampagne gegen das Rauchen organisiert – mit großem Erfolg, wie wir während unserer ganzen Reise feststellen können. Drogen sind ohnehin verboten.
Auf fast allen Dächern der größeren Häuser sehen wir weiße Tanks. Unser Begleiter erklärt uns, dass es ein Ziel im Landesaufbau war, dass jeder Mensch sauberes Trinkwasser hat. Nicht nur in den Städten, auch bis in die kleinsten Dörfer ist das inzwischen verwirklicht. Stolz berichten uns die Leute: Früher litten die Menschen an vielen Krankheiten und Infektionen – Gelbfieber, Malaria, Typhus usw. Diese Seuchen sind völlig ausgemerzt, und das ohne Chemieeinsatz.
Auf Fahrten durch das Land kommen wir immer wieder an kleinen Seen vorbei. Die Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit hat die Massen zum Bau dieser Stauseen mobilisiert. Es gibt heute an die tausend solcher Seen im Land. Eine imponierende Leistung ist auch, dass Jugendliche im ganzen Land eine Million Bäume auf den verkarsteten Hügeln, in Tälern und entlang der Straße angepflanzt haben. Die Bäume liefern Schatten und schützen den Erdboden vor Erosion. Die Seen liefern Strom, das Trinkwasser für die Behausungen und sie dienen der Bewässerung der kargen Landschaft. In der Regel werden die schmalen Äcker mit Ochsen und Holzpflug bearbeitet. Wir sehen nur hie und da mal Trecker.
Eritrea geht bewusst den langsameren Weg, eine eigene Landwirtschaft aufzubauen, durch freiwilligen Zusammenschluss der kleinen Bauern. Eritrea lehnt es kategorisch ab, den Programmen vieler NGOs zu folgen, die ihnen den Einkauf von Samen und Düngern aus dem Ausland andrehen wollten. Der Einsatz von Chemie in der Landwirtschaft ist verboten. Den Dünger liefern die Weidetiere, und diese produzieren wiederum Grünland. Die Abhängigkeit von internationalen Agrarkonzernen wäre nicht nur für Eritrea ein Desaster. Das Land gehört mit Äthiopien zu den bedeutendsten Genzentren der Welt. Von dort stammen die Ursorten von Kaffee und Getreidearten wie Hirse, Emmer, Weizen. Würden diese Arten aus Profitgründen vernichtet, dann wäre die künftige Züchtung der daraus entstandenen und heute auf der ganzen Welt angebauten Nutzpflanzen gefährdet. Unser erster Bericht über die Umwelterfolge des kleinen Eritrea ist ein Ausschnitt aus den vielen überraschenden Erkenntnissen, die wir vor Ort gewinnen konnten. Darüber werden wir Interessierten auch Reiseberichte mit Bildern und Dokumenten anbieten.
Eritrea heute
Über Eritrea kursieren in den Massenmedien Bilder von Hungersnöten, Massenflucht, Militärzuchthaus und despotischer „Terrordiktatur“. Ein Trugbild. Neun Volksgruppen mit heute rund fünf bis sechs Millionen Einwohnern leben auf einer Fläche von der Größe der Bundesländer Bayern und Baden-Württemberg. Heute, noch 28 Jahre nach dem Ende des längsten antikolonialen Befreiungskampfes auf dem afrikanischen Kontinent, sind dessen Spuren gegenwärtig. Rostende Armeefahrzeuge, minenverseuchte Gebiete und zerbombte Häuser geben einen gespenstischen Kontrast zu einer atemberaubenden Landschaft und der offenen Herzlichkeit, mit der uns die Menschen begegnen. Die Volksbefreiungsfront EPLF hat das Land geeint. Ihre Führung ist heute unter dem Namen PFDJ unbestrittene Autorität bei der überwältigenden Mehrheit im Land.
Im bewaffneten Volkskrieg von 1961 bis 1991 trotzten rund drei Millionen Eritreer einer militärischen Übermacht und warfen die damals größte Landarmee Afrikas aus ihrem Land. Äthiopien sollte ab 1956 als Statthalter des US-Imperialismus und ab 1974 im Auftrag des russischen Sozialimperialismus1 mit Panzern, Kampfbombern und Kriegsschiffen jeden Freiheitsfunken in Ostafrika auslöschen. Der Sieg der Völker Eritreas war das Ergebnis einer hoch organisierten Volksfront. Sie hatte sich programmatisch an sozialistische Prinzipien angelehnt. Eritrea ist kein sozialistischer Staat. Gleichzeitig hält das Land bis heute an Prinzipien fest, die sich die Kämpfer damals im Untergrund gegeben haben. An erster Stelle, den Weg des Vertrauens in die eigenen Kraft zu gehen. Unter der Bedingung der mächtigen imperialistischen Einkreisung (16 Länder unterhalten an der Grenze Militärbasen und -stützpunkte) legt die Regierung über innere Abläufe in der Staatsführung ihre Karten nicht offen. Das ist verständlich.
Welchen Weg wird Eritrea gehen? Aus Gesprächen konnten wir entnehmen, dass der führende Kern des Landes keinen marxistischen Anspruch stellt und unter anderem die Sozialimperialismus-Analyse pauschal ablehnt. Das ist völlig unverständlich angesichts der leidvollen Erfahrungen mit dem sozialimperialistischen Annektionskrieg. Diese Fehleinschätzung birgt die Gefahr, dass Eritrea die Rolle des chinesischen Sozialimperialismus gewaltig unterschätzt und sein Eindringen über die Hintertüre in das Land zulässt. Wir verteidigen die fortschrittlichen Positionen Eritreas gegen die alten und neuen Imperialisten und werden an seinem weiteren Weg solidarisch und kritisch Anteil nehmen.