Rote Fahne 22/2019
Ecuador: Massenrebellion zwingt Moreno-Regierung in die Knie
Tagelange, immer heftigere Massendemonstrationen haben den ecuadorianischen Regierungschef Lenín Moreno zum Einlenken gezwungen. Nach Bekanntwerden eines vom Internationalen Währungsfonds (IWF) geforderten sogenannten Sparprogramms strömten aufgebrachte Massen aus dem ganzen Land in die Hauptstadt Quito
Ein machtvoller Generalstreik schloss die indigenen Gemeinden, Gewerkschaften, Frauen- und Jugendorganisationen zusammen. Brutal ging die Staatsgewalt mit Gummigeschossen und Tränengas vor. Fünf tote Demonstranten, zahlreiche Verletzte und Hunderte Verhaftete stoppten die Rebellion nicht – im Gegenteil. Lenín Moreno trat mit seinem Kabinett und führenden Militärs die Flucht aus Quito in die Hafenstadt Guayaquil an. Erst unter dem Schutz der UN und der Kirchenobrigkeit traute er sich zu Verhandlungen, vor allem mit den Vertretern indigener Organisationen, nach Quito zurück. Dabei wurde zumindest vereinbart, die drastischen Preissteigerungen für Treibstoffe zu stoppen. Die Führung des indigenen Dachverbands Conaie sagte daraufhin zu, ihre Proteste zurückzunehmen. In Meldungen, die uns bis zum Redaktionsschluss vorlagen, wird berichtet, dass eine Verhaftungswelle gegen Oppositionelle und regierungskritische Journalisten eingesetzt hat. Ob die explosive Situation also mit dem Zugeständnis Morenos beendet wird, ist mehr als fraglich.
Für eine Kreditzusage über 4,2 Milliarden US-Dollar an das hoch verschuldete Land hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) weitgehende Auflagen verteilt. Ein Kern war die Streichung aller Subventionen für Treibstoffe, womit sämtliche Lebenshaltungskosten hochgetrieben werden. Zum volksfeindlichen IWF-Paket gehören Lohnsenkungen, Gehalts- und Urlaubskürzungen für Staatsangestellte und der Abbau von hart erkämpften Arbeiterrechten.
Die kommunistische, marxistisch-leninistische Partei Ecuadors (PCMLE) war von Anfang an aktiv an der Volksrebellion beteiligt und betonte besonders den notwendigen Zusammenschluss von Gewerkschaften, fortschrittlichen Massenorganisationen und der indigenen Bewegungen: „Die Kraft in diesem Kampf liegt in der Einheit, im gemeinsamen Kampf der Gewerkschaftsbewegung, der indigenen Bewegung, der Studierenden, der Lehrerschaft, der Frauen …“, heißt es in ihrer Wochenzeitung En Marcha.
Die jetzt explodierte Wut der Massen hatte sich lange aufgestaut. Lenín Moreno kommt aus der ehemals linken MIR-Bewegung und war lange Vizepräsident des seit 2006 regierenden Rafael Correa. Der hatte sich – an der Seite von Hugo Chávez in Venezuela und Evo Morales in Bolivien – gerne als Vertreter der „bolivarischen Revolution in Lateinamerika“ oder gar des „Sozialismus des 21. Jahrhunderts“ präsentiert. Aber sein „Antiimperialismus“ bezog sich nur auf die unter den Massen verhasste, offenkundige Dominanz des US-Imperialismus. Zugleich hatte Correa Tür und Tor geöffnet für die Ausplünderung durch europäische und chinesische imperialistische Konzerne. Kennzeichnend für seine Regierungsmethode war sein sogenannter Assistentialismus – soziale Wohltaten für die Allerärmsten, zugleich aber massive Repression gegen jede Selbstorganisation der Massen, gegen Gewerkschaften und vor allem gegen revolutionäre Kräfte. Als die korrupte Selbstbereicherung Correas und seiner Familie immer offenkundiger wurde, musste er 2017 abtreten. Er verlegte sein Domizil nach Belgien.
Lenín Moreno profilierte sich zunächst als entschiedener Gegenspieler Correas und beschuldigt ihn jetzt, einen „terroristischen Putsch“ angezettelt zu haben. Lenín Moreno ist auf einen Rollstuhl angewiesen, gibt sich bescheiden und volksnah. Die offene Unterdrückung linker Kräfte nahm er zunächst zurück. So konnte die PCMLE ihre jährlichen internationalen Seminare zu „Problemen der Revolution in Lateinamerika“ wieder in der Universität durchführen, was Correa verboten hatte. Die von Correa beschlagnahmten Gebäude der Lehrergewerkschaft Sutep wurden wieder freigegeben. Unter dem Deckmantel des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise aber betrieb Moreno die systematische Unterwerfung unter die Vorherrschaft – vor allem – des US-Imperialismus.
Anfang 2018 erlaubte er – trotz heftiger Proteste von Umweltschützern und indigenen Gemeinden – die enorm umweltzerstörende Ölförderung im Amazonasgebiet des Yasuní-Parks. Im April diesen Jahres kündigte Moreno das seit 2012 bestehende politische Asyl für Julien Assange in der Londoner Botschaft des Landes und lieferte damit diesen Aufklärer über US-Kriegsverbrechen in Irak und Afghanistan der US-Strafverfolgung ans Messer.
Zuletzt gewährte Moreno den US-Imperialisten eine Insel des zu Ecuador gehörenden Galapagos-Archipels als Luftwaffenstützpunkt. Die Inselgruppe liegt im Pazifik, 1000 Kilometer vor der ecuadorianischen Küste. Die USA wollen dort vor allem AWACS-Überwachungsflugzeuge stationieren. Das ist für sie im Kampf gegen die chinesischen imperialistischen Rivalen von großer strategischer Bedeutung. Aber auch für die Überwachung revolutionärer Bewegungen in Lateinamerika oder bei Kriegsplänen gegen Venezuela.
Fuera Moreno“ – „Moreno, hau ab“, skandierten die Massen in den letzten Tagen. Und es wäre nicht das erste Mal, dass in Ecuador eine Regierung aufgrund von Massenprotesten abtreten müsste.