Rote Fahne 24/2019

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Wie der DKP-Vorstand die Partei auf sozialchauvinistischen Kurs trimmen will

Vom 28. Februar bis 1. März 2020 führt die DKP ihren 23. Parteitag in Frankfurt am Main durch. Der Parteivorstand dichtet in seinem veröffentlichten Leitantrag China und Russland einen antiimperialistischen Charakter an. Doch nicht nur das

Von sd
Wie der DKP-Vorstand die Partei auf sozialchauvinistischen Kurs trimmen will
Wanderarbeiterin in China: Bürgerin zweiter Klasse ohne elementare Rechte – in der Elite der KP Chinas dagegen befinden sich Milliardäre ... . Allein im Volkskongress (Parlament Chinas) saßen 2016 immerhin 118 Milliardäre. Über 100 weitere im sogenannten Beraterparlament, berichtete die Welt am 5. März 2016. (Foto: Peter Griffin / CC0)

So ist im Leitantrag zu lesen: „Die VR China und die Russische Föderation sind im Wirken für friedliche Koexistenz, für die Respektierung des Völkerrechts, für Kooperation statt Konfrontation in einer multipolaren Weltordnung zusammengerückt und stellen den Dominanzanspruch des Imperialismus ökonomisch, politisch und militärisch zunehmend in Frage.“ 1

 

Der Leitantrag geht zu Recht davon aus, dass die USA der aggressivste Kriegstreiber und derzeit noch die einzige imperialistische Supermacht sind. Um diese Vormacht findet ein verschärfter imperialistischer Konkurrenzkampf statt, der heute mit einer verstärkten Tendenz zur Kriegsvorbereitung einhergeht.

 

Aber wer, wie der DKP-Vorstand, einfach Staaten – die in Konkurrenz zum Vormachtanspruch des US-Imperialismus stehen – aus allein diesem Grund einen fortschrittlichen, antiimperialistischen Nimbus andichtet, hat entweder vom Imperialismus keine Ahnung oder begeht bewusst Betrug. China und Russland sind selbst neuimperialistische Länder, die nach Weltherrschaft streben und sich einzig aus diesem Grund dem Vormachtanspruch des konkurrierenden US-Imperialismus widersetzen. Auch der faschistische IS richtet sich gegen den US-Vormachtanspruch. Trotzdem würde der DKP-Vorstand den IS sicher nicht zur Bündniskraft erklären.

 

Der DKP-Vorstand „übersieht“ offenbar, dass die Übermonopole in China und Russland imperialistischen Gesetzmäßigkeiten der Profitmaximierung folgen. Aktuell wird der imperialistische Konkurrenzkampf zwischen USA und China vor allem mit Zöllen und Boykotten ausgetragen. US-Präsident Donald Trump hat ein Gesetz erlassen, das es verbietet, mit Huawei weiter Geschäfte zu machen – mit der Behauptung, dass Huawei für China weltweit die Nutzer ausspioniere. Und das sagt ausgerechnet der Präsident des bekanntlich weltgrößten Geheimdienst- und Spionageapparats – der NSA. Aber macht das den Chef von Huawei zu einem Bundesgenossen?

 

Der DKP-Vorstand ruft dazu auf, „Freundschaft und antiimperialistische Solidarität mit den Völkern, die im Fadenkreuz des imperialistischen Lagers stehen – insbesondere dem russischen und chinesischen“ zu zeigen. Aber ist das chinesische Volk nicht in Klassen gespalten?

 

In China leben heute mehr Milliardäre als in den USA – und die gehören, wie der DKP-Vorsitzende Patrick Köbele selbst in einem Reisebericht2 schreibt, zu einer Elite in der „Kommunistischen“ Partei Chinas. Das als „sozialistische Orientierung“ auszugeben, ist eine Karikatur auf den Sozialismus. Von der Solidarität mit dem Kampf der Werktätigen in China und Russland gegen ihre Machthaber und Ausbeuter und um ihre elementarsten demokratischen Rechte und Freiheiten spricht dieser Leitantrag übrigens mit keiner Zeile. Allein 2016 wurden offiziell 1,8 Millionen Streiks und Proteste der Werktätigen gezählt. Eine Verdopplung gegenüber dem Vorjahr.3 Immer wieder wird die Entstehung von Gruppen bekannt, die sich gegen die Regierung aussprechen, aber auf Mao Zedong berufen. Eine bekannte Losung ist „Make China marxist again“ (Macht China wieder marxistisch). Ist dieser Kampf unberechtigt? Millionen von Wanderarbeiterinnen und Wanderarbeitern werden in China als Bürger zweiter Klasse behandelt, und elementare Rechte werden ihnen verweigert. 19-Stunden-Arbeitstage bei einer Sechs-Tage-Woche sind an der Tagesordnung. Und in Deutschland hatte China im Jahre 2019 2000 Investitionsprogramme laufen, mit einer Summe von 13,5 Milliarden US-Dollar.

 

Erinnert sich im DKP-Vorstand noch jemand an Lenin, der den Kapitalexport als eines der wesentlichen Merkmale für Imperialismus herausarbeitete? Soll ein Daimler-Arbeiter jetzt unterscheiden, ob er von dem Staatsfonds Kuwait oder den zwei chinesischen Automonopolen BAIC und GEELY oder der Deutschen Bank ausgebeutet und unterdrückt wird? In Russland werden Arbeiterstreiks und Aktivsten unnachsichtig verfolgt, unabhängige Gewerkschaften verboten. Im eigenen Land Ausbeuter und Unterdrücker und international Friedensengel. Glaubt der DKP-Vorstand das wirklich?

 

Aber all diese Fragen will der DKP-Vorstand offenbar weder stellen noch beantworten. In der Broschüre „Über die Herausbildung der neuimperialistischen Länder“ schreibt Stefan Engel: „Diese absurde Logik kennzeichnet den Übergang zum offenen Sozialchauvinismus. Es ist sozialchauvinistisch, sich unter der Flagge revolutionärer Gesinnung bei zwischenimperialistischen Widersprüchen oder gar Kriegen auf die Seite des einen oder anderen Imperialisten zu schlagen. Die Arbeiterklasse, die unterdrückten Massen und die Revolutionäre der Welt müssen gegen ausnahmslos jede Art von Imperialisten kämpfen!“ (S. 58)

 

Der DKP-Vorstand starrt auf eine angeblich „anhaltende Offensive des Monopolkapitals“ und biedert sich dem russischen und chinesischen Imperialismus an in der Hoffnung, so der gesellschaftlichen Bedeutungslosigkeit zu entkommen. Der Leitantrag ignoriert in revisionistischer Furcht vor jeder Verschärfung im Klassenkampf das Gewoge und die Kulminationen, in denen die revolutionären Kräfte sich herausbilden. Die Autoren des Leitantrags sind offenbar blind für den fortschrittlichen Stimmungsumschwung, in dem sich heute „eine antikapitalistische Tendenz unter der Arbeiterklasse und den breiten Massen“ 4 entwickelt, so Gabi Fechtner, die Vorsitzende der MLPD.