Rote Fahne 01/2020

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Egon Krenz und Deng Xiaoping – ziemlich beste Freunde

Egon Krenz, der frühere Stellvertreter Erich Honeckers an der Spitze der DDR, macht in der am 25. September 2019 erschienenen China-Beilage der Jungen Welt aus seiner Bewunderung für den sogenannten „Sozialismus chinesischer Prägung“ keinen Hehl: „Dass ich beinahe drei Jahrzehnte nach dem Ende der DDR inzwischen jährlich miterleben darf, wie der Sozialismus chinesischer Prägung voranschreitet, empfinde ich gegen Ende meiner Tage als Genugtuung“

Von di
Egon Krenz und Deng Xiaoping – ziemlich beste Freunde
Egon Krenz, ehemaliger Stellvertreter Erich Honeckers an der Spitze der DDR, Foto: public domain

Wovon sich Egon Krenz blenden lässt, sind offenbar die hohen Wachstumsraten der wirtschaftlichen Entwicklung Chinas und die Tatsache, dass China heute auf vielen technischen Gebieten weltweit führend ist. Dies unterscheidet sich von dem wirtschaftlichen Rückfall der Sowjetunion und der DDR vor dem Zusammenbruch des verknöcherten bürokratischen Staatskapitalismus Ende der 1980er-Jahre. Dort war man nicht in der Lage, die technische Revolution durch die Einführung der Mikroelektronik in die Produktion zu meistern, und fiel hoffnungslos gegenüber dem Westen zurück.

Integration in das imperialistische Weltsystem

Nach dem Tod Mao Zedongs im Jahr 1976 ergriff auch in China eine kleinbürgerlich entartete Bürokratie unter Führung Deng Xiaopings die Macht. Sie beseitigte die Herrschaft der Arbeiterklasse, die Diktatur des Proletariats und die Errungenschaften des sozialistischen Aufbaus. Unter dem Slogan „Reform und Öffnung“ wurden das Land und die chinesische Arbeiterklasse der kapitalistischen Ausbeutung geöffnet – und China schrittweise in das imperialistische Weltsystem integriert. Heute ist China eine sozialimperialistische Weltmacht, die danach strebt, die USA als derzeit einzige imperialistische Supermacht abzulösen. Es ist kein Zufall, dass der Artikel von Egon Krenz durch ein Bild geschmückt wird, auf dem er 1989 dem 1997 verstorbenen Deng Xiaoping aufs Innigste freundschaftlich die Hände schüttelt. Deng wird von der heutigen Partei- und Staatsführung als „überragender Führer der KP Chinas“ (Xi Jinping) und Schöpfer des sogenannten „Sozialismus chinesischer Prägung“ bezeichnet.

Mao Zedong über Deng Xiaoping

„Dieser Mensch packt nicht den Klassenkampf an, über dieses Hauptkettenglied spricht er nie.“ Damit deckte Mao den Kampf zweier Linien auf zwischen dem sozialistischen und dem kapitalistischen Weg in der Partei- und Staatsführung der KP Chinas. Also entweder vorwärts zum Kommunismus oder Rückfall in den Kapitalismus. In der Großen Proletarischen Kulturrevolution wurde der zu einem kleinbürgerlichen Bürokraten entartete Deng Xiaoping als ein „Machthaber auf dem kapitalistischen Weg“, der eine Restauration des Kapitalismus anstrebte, zu Recht von allen Ämtern abgesetzt. Die weitere Entwicklung bestätigte uneingeschränkt Mao Zedongs Urteil über Deng und dessen Gefolgsleute.

 

Heute wird „gesellschaftliche Harmonie“ als ein „elementarer Bestandteil“ des sogenannten „Sozialismus chinesischer Prägung“ bezeichnet.1 Wie „harmonisch“ es heute im neuimperialistischen China zugeht, zeigen die zahllosen Streiks und Proteste von Arbeitern, Bauern, Studenten, Umweltschützern und die politische Repression.

Pragmatismus und Revisionismus

Mehr als viele Worte und theoretische Abhandlungen verdeutlicht der Ausspruch von Deng Xiaoping die weltanschauliche Grundlage der Deng-Xiaoping-Denkweise: „Egal, ob weiße oder schwarze Katze, Hauptsache, sie fängt Mäuse.“ Anders ausgedrückt: Egal, ob Sozialismus oder Kapitalismus – Hauptsache, die Wirtschaft brummt, egal um welchen Preis. Was von Egon Krenz als sozialistisches „Erfolgsmodell“ gepriesen wird, ist in Wahrheit eine scheinsozialistische, bürokratisch-ultrazentralistisch gelenkte Mischung: zwischen Monopolkapitalismus auf der Grundlage von Privateigentum an Produktionsmitteln und staatlichen Monopolen und Banken in Schlüsselbereichen.


Es ist kein Geheimnis, dass viele der Millionäre und Milliardäre in China aus den Familien von revisionistischen Spitzenfunktionären kommen. Sie haben sich im Prozess der Restauration des Kapitalismus durch legale und illegale Machenschaften bereichert und sind als Unternehmer tätig. „Prinzlinge“ nennt der Volksmund sie in China. Auf dem 19. Parteitag 2017 waren nach offiziellen Angaben nur noch 8,7 Prozent der Delegierten aus der Arbeiterklasse oder Bauernschaft. Zugleich zeigen Untersuchungen auf Grundlage amtlicher Statistiken: „Im nationalen Volkskongress von 2013 waren unter den Delegierten 83 US-Dollar-MilliardärInnen vertreten.“2

 

Die sogenannte Kommunistische Partei Chinas ist heute in Wirklichkeit eine pseudosozialistische, bürgerliche Partei. Sie ist ein Instrument zur Aufrechterhaltung der Diktatur der bürokratischen Monopolbourgeoisie und zu ihrer Bereicherung aus der Ausbeutung der Arbeiterklasse und der neokolonialen Expansion des chinesischen Sozialimperialismus. Dass Egon Krenz über diese Entwicklung „Genugtuung“ empfindet, sagt viel über seine Denkweise und seine Freundschaft zu Deng Xiaoping aus. Beide sind Vertreter des Pragmatismus und verschiedener Formen des Revisionismus, beide verwischen den Unterschied zwischen Sozialismus und Kapitalismus.