Rote Fahne 06/2020
Ein Geschichtskrimi besonderer Art
Am 29. Januar fand im vollbesetzten Lichthof des Arbeiterbildungszentrums eine interessante Veranstaltung mit Professor Dr. Josef Foschepoth statt. Der Vortrag und die anschließende Diskussion behandelten sein Buch „Verfassungswidrig! Das KPD-Verbot im Kalten Bürgerkrieg“
Die KPD wurde nach einem der längsten politischen Verfahren vom Bundesverfassungsgericht Karlsruhe auf Betreiben der Adenauer-Regierung verboten. Das Verfahren war damals in eine über die Medien entfachte antikommunistische Hetzjagd eingebettet.
„Von 1951 bis 1968 gab es in der Bundesrepublik siebenmal mehr Verurteilungen gegenüber Kommunisten wegen ihrer Weltanschauung (nämlich 6758) als gegenüber Tätern des Hitler-Faschismus (999)“, so der Referent. Nach dem interessanten Vortrag entspann sich eine spannende, kenntnisreiche und gegenwartsbezogene Diskussion.
Staatsreligion Antikommunismus
In der Diskussion ging es vor allem um die Auswirkungen, die dieses verfassungswidrige Urteil bis heute hat, was der Vortrag von Dr. Foschepoth noch nicht behandelt hatte. So machte Stefan Engel, der frühere vorsitzende der MLPD, in einem Diskussionsbeitrag deutlich: „Der Antikommunismus wurde zur Staatsreligion erhoben, er erhielt geradezu verfassungsrechtlichen Status. Aufgrund dessen wurden Hunderttausende aus den Gewerkschaften ausgeschlossen. Ich selbst wurde 1987 aus der Gewerkschaft ausgeschlossen, ohne Verfahren. Ich bin bis zum Verfassungsgericht gegangen. Dort wurde dann die Entscheidung getroffen, dass der Ausschluss völlig rechtens sei.
Einem führenden Marxisten-Leninisten braucht man offenbar nicht nachzuweisen, dass er verfassungsfeindlich ist oder handelt. Weil man das als Marxist-Leninist angeblich per se sei, könne man einem alle demokratischen Rechte aberkennen. Inzwischen hat man mich auch zum „Gefährder“ erklärt. Das heißt, man kann mich nach den neuen Polizeigesetzen jederzeit verhaften, ohne irgendeinen konkreten Grund, einfach aufgrund meiner Weltanschauung.“
Was der Antikommunismus angerichtet hat ...
„Es ist wirklich eine Katastrophe, was dieser Antikommunismus angerichtet hat“, führte Gabi Fechtner, die Vorsitzende der MLPD, aus: „Es soll eine Grundstimmung erzeugt werden, dass du dich als Kommunist immer rechtfertigen sollst, nach dem Motto: Dir ist alles zuzutrauen. Wenn heute faschistische Morddrohungen gegen bürgerliche Kommunalpolitiker erhoben werden, dann ist das – völlig zu Recht – groß in den Medien. Aber wenn das gegen Marxisten-Leninisten stattfindet, dann wird gleich die Frage gestellt, ob die nicht vielleicht doch auch selbst schuld seien. … Monika Gärtner-Engel hat ja bekanntlich mehrere Morddrohungen vom Faschisten Reger erhalten. Aber ihr wurde verwehrt, als Nebenklägerin dagegen anzutreten, „weil sie ja selbst ganz gut austeilen könne“. Das ist inakzeptabel …
Und wenn ich sehe, was in der Geschichtsschreibung zurzeit stattfindet, dann wird mir übel. Bundespräsident Steinmeier hält zum Gedenken an 75 Jahre Befreiung von Ausschwitz eine Rede in Yad Vashem. So weit, so gut – natürlich muss man würdig der Opfer des Holocaust gedenken. Aber seine wie auch andere Reden erfolgten mit dem erklärten Ziel, dass nicht mehr über die Befreiung Auschwitz’ und anderer KZs durch die Sowjetunion gesprochen werden darf, weil das Kommunisten waren. …
Aus dem Mechanismus, ‚die Kommunisten müssen sich verteidigen‘, muss man rauskommen. Und dafür ist es wichtig, zu durchschauen, wie und mit welchen ideologischen Rechtfertigungen dieses KPD-Verbot abgelaufen ist.“