Rote Fahne 12/2020

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Zechenhäuser als sozialer Wohnraum – damit stieß ich auf taube Ohren“

„Ich bin selber in einem Zechenhaus groß geworden, mein Opa, mein Vater und ich waren auf Zollverein untertage beschäftigt.“ Der ehemalige Bergmann Friedel Bolus kann einiges erzählen über die Wohnungspolitik der Zechenbetreiber, der RAG und der Wohnungskonzerne

Von Gladbeck (Korrespondenz)
Zechenhäuser als sozialer Wohnraum – damit stieß ich auf taube Ohren“
Friedel Bolus will Zechenhäuser als sozialen Wohnraum erhalten, Fotos: RF

Schon in den 1980er-Jahren wurde Friedel Bolus aus dem Zechenhaus gedrängt, in dem er groß geworden ist. „Das Haus wurde renoviert. Wir erhielten für die Zwischenzeit eine andere Wohnung. Mit der Zusicherung, nach der Renovierung wieder zurück zu können.“ Der heute 61-Jährige war zu der Zeit selbst auf Zeche. Weil er zwischenzeitlich den Arbeitsplatz gewechselt hat, wollte die Verwaltung der Zechenhäuser von ihrem Versprechen nichts mehr wissen.

 

„Jahre später, Zollverein hatte schon lange zu, wohnte ich in Essen-Stoppenberg. Dort hatte ich einen Schrebergarten, der uns aber aufgrund der Wohnraumbeschaffung für Besserverdienende enteignet wurde. Für mich und meine sechs Kinder gab es – obwohl ich nur auf 58 Quadratmeter wohnte – keinen besseren Wohnraum. Und wieder verlor ich meine Existenz“, berichtet Friedel Bolus, der heute als Steinmetz arbeitet.

 

Die Familie verschlug es nach Gladbeck. „Durch die Wohnstätten-Genossenschaft bekam ich die Chance, eine Zechenhaus-Wohnung mit Garten zu beziehen. Mit der Auflage, dass ich alles auf eigene Kosten sanieren muss.“ So wurde der Wert der Immobilie gesteigert, die von der Wohnstätten-Genossenschaft dann an die berüchtigte Deutsche Annington (DA) verkauft wurde – den größten Immobilienkonzern Deutschlands. So wurden Zehntausende Zechenhäuser Ende des letzten Jahrhunderts privatisiert. Obwohl die Zechenkonzerne die Bergleute bei Lohnforderungen immer zur Bescheidenheit gemahnt hatten, wegen der günstigen Wohnverhältnisse.

 

Um ihrem – zu Recht erworbenen – schlechten Ruf zu entgehen, benannte sich die DA vor einigen Jahren in Vonovia um. Neuer Name, aber das alte Geschäft. Und wieder ist der ehemalige Bergmann betroffen: „23 Jahre später stand das Haus wieder zum Verkauf. Es ist stark sanierungsbedürftig, da die Vonovia, trotz Meldung der Mängel, nichts mehr repariert. Wir müssen seit Jahren mit Schwarzschimmel und Feuchtigkeit leben.“

 

Nun drängelte die Vonovia die Familie, ausziehen, obwohl sie laut Mietrecht ein lebenslanges Wohnrecht haben, erzählt der ehemalige Kumpel. Aber leere Häuser bringen höheren Profit beim Verkauf.


Inzwischen ist das Haus trotzdem verkauft. Der Käufer will das Zechenhaus, immerhin ein Kulturobjekt, abreißen. Seither fühlt sich die Familie noch stärker bedrängt. „Da steht schon mal der angeblich neue Besitzer mit dem Plan des Neubaus im Garten und kündigt den baldmöglichsten Abriss an“, berichtet der Mann mit dem markanten Schnauzbart. Geplant seien Luxuswohnungen mit über 1000 Euro Miete im Monat. Aus seiner Nachbarschaft hat er die Erfahrung, dass viele ehemalige Bergleute aus ihren Wohnungen gedrängt werden. Sie sollen die Häuser kaufen oder gehen, berichten Kumpel im ganzen Ruhrgebiet. „Manche verkraften das nicht oder sterben nach kurzer Zeit.“

 

Friedel Bolus hat einen ganz anderen Vorschlag: „Ich möchte solche Zechenhäuser für die ehemaligen Bergleute und den eigentlichen Zweck erhalten.“ Sie sollen in sozialen Wohnraum umgewandelt werden, fordert er. Bei den Verantwortlichen der Vonovia, Politikern der bürgerlichen Parteien und dem Landesministerium für Wohnungsbau und Soziales stößt er auf taube Ohren. Unter der Bevölkerung kommt die Idee allerdings gut an. Nach einem Artikel im WAZ-Lokalteil erhielt er viel Zuspruch. Er brachte seine Anliegen auf der selbstorganisierten 1. Mai-Demo in Gladbeck vor (mit Mundschutz). Und wenn demnächst die Kumpel-für-AUF-Bewegung eine Demonstration mit dem Schwerpunkt Wohnrecht und Wohnsituation der Bergleute organisiert, ist Friedel Bolus auch dabei.