Rote Fahne 25/2020
Bundeswehr: Kurs auf offenere Kriegsvorbereitung
In der Bundeswehr gibt es deutliche Anzeichen für einen Übergang hin zu offener imperialistischer Kriegsvorbereitung
Am 5. November 2020 hielt der neue Inspekteur des Heeres, Generalleutnant Alfons Mais, eine Rede vor dem „Förderkreis Deutsches Heer“, in dem das „Who is Who“ der deutschen Rüstungsindustrie vertreten ist. Vor diesem illustren Kreis sprach General Mais von einem „Paradigmenwechsel“ der Bundeswehr „von der Konzentration auf internationales Krisenmanagement hin zur Landes- und Bündnisverteidigung“1, der schon 2015 begonnen habe. Gemeint ist damit, die Verschiebung ihres Schwerpunkts von Militäreinsätzen in aller Welt zur offenen Kriegsvorbereitung in den imperialistischen Kerngebieten. Um das zu verwirklichen, sollen unter anderem bis 2031 drei voll ausgestattete Divisionen aufgestellt werden, die so gut ausgerüstet und organisiert seien, dass sie „innerhalb von 7 Tagen rollen“ können, wie er es in einem Interview mit der Rhein-Zeitung am 21. November 2020 ausdrückte. Es gehe dabei um die „unmittelbare Einsatzbereitschaft und Kriegstüchtigkeit“. „Um das Heer für zukünftige Konflikte richtig aufzustellen, verfolge das Heer den Aufbau zum hochintensiven Gefecht befähigter moderner und vollausgestatteter Großverbände“. Mit erheblichen Folgen für die Ausrüstung der Bundeswehr: Bisher habe das Prinzip „Just in Time“ gegolten: Von der vorhandenen Ausrüstung wurde sich für die Auslandseinsätze genommen, was gerade da war – mit der Konsequenz, dass die Einsatzbereitschaft der Großgeräte „bestürzend gering“ sei. Jetzt gehe es um „Kriegslogistik“, bei der Munition und Ersatzteile in großer Menge bevorratet werden müssten. „Betriebswirtschaftlich im höchsten Maße ineffektiv, aber im militärischen Einsatz extrem effektiv.“
In seiner Kriegsrhetorik wird er noch konkreter: „Die physische Beherrschung von Räumen ist und bleibt die entscheidende Größe: Die eigene Präsenz am Boden ist am Ende die Voraussetzung zur endgültigen Durchsetzung von Interessen, besiegelt in letzter Konsequenz Sieg oder Niederlage.“ „Gerade in zunehmend urbanisierten Räumen sei physische Beherrschung am Boden auch zukünftig die entscheidende Größe.“
Das ist Ausdruck einer brandgefährlichen Entwicklung: der allgemeinen Tendenz imperialistischer Kriegsvorbereitung als einer Quintessenz der Rechtsentwicklung. Eine neue Phase im Kampf um die imperialistischen Macht- und Einflusssphären wurde eingeleitet. Die allgemeine Kriegsgefahr wächst erheblich.
Manch einer – auch Aktivisten der Friedensbewegung – fragen sich, ob das denn möglich sei. Wo doch jeder wissen müsste, dass ein III. Weltkrieg der letzte Krieg der Menschheit sein würde. Geht es nicht vielleicht doch „nur“ um Abschreckung, darum, einen solchen Krieg gerade zu verhindern?
General Mais hat dazu eine klare Meinung: Es sei notwendig, dass „unser Tun, Denken, aber auch unsere Strategien noch stärker nicht nur auf Abschreckung, sondern auf den erfolgreichen Kampf geprägt sein“ müssten. Dessen seien sich die Soldatinnen und Soldaten bewusst. „Doch gleichermaßen ist es wichtig, bei unserer Bevölkerung das Verständnis für den Auftrag der Streitkräfte insgesamt zu vertiefen …“
Auch die psychologische Kriegsvorbereitung wird also verstärkt und auf den modifizierten Auftrag umgestellt. Moderne Waffen seien notwendig, „noch wichtiger sei aber das Mindset, die grundsätzliche Einstellung … zu verinnerlichen. Eingesetzte Truppen müssten durchsetzungsfähig, kampfbereit und fähig sein, eine militärische Operation für sich zu entscheiden. Dabei gelte es auch, Rückschläge zu verkraften, sich neu zu formieren und den Gegner erneut unter Druck zu setzen, bis der Auftrag erfüllt sei.“ Das Postulat „Schutz vor Auftrag“ aus dem internationalen Krisenmanagement wechselt zu „Auftrag vor Schutz“. Das bedeutet, zur Erfüllung des „Auftrages“ gehört auch der Tod von Soldaten. Natürlich halten Regierung und Militärführung an der Propaganda von der „friedenserhaltenden Rolle der Bundeswehr“ fest. In den Vordergrund rückt aber mehr und mehr die Propagierung unmittelbarer militärischer Aktionen, das In-Kauf-Nehmen von „Opfern“ und das Unterstützen der Durchsetzung imperialistischer Interessen auch durch militärische Aktionen. Die „Befähigung zum Kampf … müsse wieder in die Köpfe der Männer und Frauen sowie in die Strukturen“ „implementiert“ werden.
Dieser Paradigmenwechsel führt auch zu einer stärkeren Betonung der Großmachtrolle Deutschlands, nämlich „die Ambition Deutschlands, von NATO wie EU nicht nur als Partner, sondern auch als verlässliche Führungsnation angesehen zu werden.“ Deutschland wird dabei als „Anlehnungsnation“ bezeichnet, die die Führung bei der Kooperation mit kleineren Ländern als besondere Aufgabe übernimmt. Die Friedensbewegung muss sich mit dieser Entwicklung intensiver befassen, eigene Illusionen über die erhoffte Friedfertigkeit imperialistischer Staaten überwinden und gute Argumente und Aktionen entwickeln, um diesen Kriegsvorbereitungen entgegen treten zu können.