Rote Fahne 25/2020

Rote Fahne 25/2020

Gefährliche Rechtsentwicklung

Im Windschatten der „Corona-Bekämpfung“ werden aktuell die Faschisierung des Staatsapparats

Von Reinhard Funk / sr / ms
Gefährliche Rechtsentwicklung
Foto: Enno Lenze CC BY 2.0

... der Abbau bürgerlich-demokratischer Grundrechte, eine Verschärfung der reaktionären Flüchtlingspolitik, eine Militarisierung der Gesellschaft sowie die antikommunistische Diffamierung und Unterdrückung vorangetrieben. Der Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist keineswegs die Corona-Pandemie. Bereits nach der Weltwirtschafts- und Finanzkrise von 2014 bis 2018 bildete sich eine allgemeine Rechtsentwicklung im imperialistischen Weltsystem heraus. In einigen Ländern stellten faschistische oder faschistoide Kräfte die Regierung, wie Donald Trump in den USA, Recep Tayyip Erdogan in der Türkei oder Jair Bolsonaro in Brasilien. Die Rechtsentwicklung forderte aber auch den fortschrittlichen Stimmungsumschwung weltweit heraus. Anhaltende Massendemonstrationen in Belarus und in Brasilien, die Proteste Hunderttausender in Polen gegen die Regierung und das reaktionäre Verbot von Schwangerschaftsabbrüchen, die Demonstrationen von 500 000 in Frankreich am vergangenen Wochenende gegen die Faschisierung des Staatsapparats sowie die Abwahl des faschistoiden Präsidenten Donald Trump in den USA zeigen: Die Rechtsentwicklung kommt zunehmend selbst in die Krise. Das führt bis zu gesamtgesellschaftlichen Krisen in diesen Ländern.

 

Reaktionäre Flüchtlingspolitik

 

Nachdem vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie aufgrund der öffentlichen Kritik zeitweise sogar Dublin-III-Abschiebungen durch die Seehofer-Behörde des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) ausgesetzt waren, hat die Regierung diesen Stopp mittlerweile offiziell für beendet erklärt. Mit dem neuen reaktionären „Pakt für Migration und Asyl“ der EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sollen beschleunigt Asylverfahren an den EU-Außengrenzen mit sofortigen Abschiebungen verbunden werden. Die EU beantwortet damit die zu erwartende Zunahme der weltweiten Flüchtlingsbewegung mit einer neuen Qualität der Abschottung, menschenunwürdiger Unterbringung in Lagern an den Außengrenzen und dort bereits geplanter Selektion der Flüchtlinge. Das Gerede von der „europäischen Solidarität“ entpuppt sich als menschenverachtende „Abschiebepatenschaft“. Zunehmend wird revolutionären Flüchtlingen, die in ihren Herkunftsländern brutal verfolgt wurden, aufgrund des sogenannten „Terrorismusvorbehalts“ Asyl verweigert oder bereits gewährtes Asyl widerrufen.

 

Dagegen hat sich ein breiter länderübergreifender Widerstand mit Protesten in vielen Städten entwickelt. Der Solidaritätspakt von Solidarität International mit den Flüchtlingen und griechischen Bewohnern auf Lesbos organisiert neben der Hilfe zur Selbsthilfe den kämpferischen Zusammenhalt und den Protest zur sofortigen Evakuierung der Lager. Flüchtlinge unter anderem in Leipzig-Dölzig, Bremen und Gelsenkirchen protestierten auf Initiative des Freundeskreises Flüchtlingssolidarität in Solidarität International gegen Abschiebungen und Rassismus sowie für Verbesserungen ihrer Lebensbedingungen in den Flüchtlingsunterkünften.

 

Massiver Abbau demokratischer Rechte und Freiheiten

 

Innerhalb eines Tages hat die Regierung am 18. November im Blitzverfahren das „Infektionschutzgesetz“ (IFSG) durch den Bundestag und den Bundesrat gepeitscht und der Bundespräsident hat es unterschrieben. Es dient nicht den tatsächlich notwendigen Gesundheitsschutzmaßnahmen. Mit der Feststellung einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ wird faktisch der Notstand erklärt. Auf dieser Grundlage können fundamentale Grundrechte der Bevölkerung eingeschränkt und abgeschafft werden. So die Bewegungsfreiheit durch Kontaktverbote oder Ausgangsbeschränkungen bis hin zu Ausgangssperren. Das Versammlungsrecht durch Demonstrations- und Kundgebungsverbote, die Berufsfreiheit durch Schließung von Gaststätten, Hotels und Kulturbetrieben (mehr dazu auf Seite 20/21).  Dieses Infektionsschutzgesetz ist zwar auf epidemische Notlagen beschränkt, es ist zugleich ein Türöffner, um die Regierungsmethode per Verordnungen auch bei anderen „Notlagen“ salonfähig zu machen.

 

Die demagogische Warnung ultrareaktionärer bis faschistischer Kräfte, es drohe eine „Gesundheitsdiktatur“, stellt die Realität auf den Kopf. Zum einen lenkt sie von der Diktatur der Monopole ab, die ausgehend von ihrer ökonomischen Macht der ganzen Gesellschaft ihren Stempel aufdrücken und jetzt die Aufrechterhaltung der Betriebe ohne ausreichenden Gesundheitsschutz durchsetzen. Zweitens spielt sie der Regierung in die Hände, indem so getan wird, als ob deren oberstes Motiv der Gesundheitsschutz der Bevölkerung sei. Drittens geht es der AfD und faschistischen Organisationen nicht um demokratische Rechte, sondern darum, ihre faschistoide beziehungsweise faschistische Ideologie ungestraft auf die Straße zu tragen. Zu meinen, man könne mit Ultrareaktionären und Faschisten für Demokratie kämpfen, kommt dem Versuch gleich, mit Kerosin ein Feuer zu löschen. Ein dringend nötiger Bestandteil des Kampfs um demokratische Rechte und Freiheiten ist, gegen Volksverhetzung vorzugehen und für das Verbot faschistischer Parteien und ihrer Propaganda einzutreten.

 

Fortschreitende Militarisierung der Gesellschaft

 

Mit dem neuen Infektionschutzgesetz wird auch die Militarisierung der Gesellschaft weiter ausgebaut. Im „alten“ Infektionsschutzgesetz stand, dass Maßnahmen der Bundeswehr „im Benehmen“ mit den zivilen Stellen zu treffen seien. Eingefügt wurde nun zusätzlich: „Bei Differenzen ist die Entscheidung der zuständigen Stellen der Bundeswehr maßgeblich.“ Damit ist klargestellt, wer der Chef im Hause ist. Und die Bevölkerung soll sich an Soldaten in Uniform im öffentlichen Leben gewöhnen. Dazu passt auch, dass die Soldaten in den Gesundheitsämtern nicht etwa in Zivil sitzen, sondern ausdrücklich in Uniform.

 

Man muss es als Drohung verstehen, wenn Verteidigungsministerin  Annegret Kramp-Karrenbauer verkündet: „Wenn die zivilen Strukturen an ihre Grenzen kommen, ist die Bundeswehr da, um zu helfen.“1 Die nächste Stufe für den Einsatz der Bundeswehr wäre dann wohl, die Quarantäne zu überwachen oder – wie in anderen Ländern bereits praktiziert – Ausgangssperren zu kontrollieren? Das sind alles auch Übungen für die Niederschlagung von Revolten und revolutionären Massenerhebungen.

 

Faschisierung des Staatsapparates und Kriminalisierung fortschrittlicher, revolutionärer Kräfte  

 

Faschistische Strukturen bei der Polizei werden als Einzelfälle abgetan. Dabei kommen immer neue Strukturen ans Tageslicht und umfasst allein das bundesweite faschistische Netzwerk „net4cops“ etwa 770 Faschisten in der Polizei. Statt wirksam gegen Faschisten vorzugehen, wurde im November 2019 die „Soko LinX“ in Sachsen gegründet, die sich dem Kampf gegen den Linksextremismus widmet.

 

Seit zwei Jahren wird der langjährige frühere  Parteivorsitzende der MLPD, Stefan Engel, jetzt Leiter des theoretischen Organs REVOLUTIONÄRER WEG, als „Gefährder“ staatlich kriminalisiert und diffamiert. Der damalige Leiter der Landespolizeiinspektion Saalfeld, Dirk Löther, einer der höchsten Polizeibeamten des Landes Thüringen, hat ihn 2018 als Schirmherr des „Rebellischen Musikfestivals“ zum „Gefährder“ erklärt. Stefan Engel wurde zudem das Recht entzogen, die Urheber dieser Diffamierung strafrechtlich zu belangen, obwohl das Verwaltungsgericht die von Verfassungs- und Staatschutz Thüringen vorgetragene Attacke als rechtswidrig zurückwies. Als Marxist-Leninist müsse er sich laut Staatsanwaltschaft so etwas ja gefallen lassen. Seine Klage dagegen wird bis heute unzulässig verzögert. Grundrechte sollen  für diesen führenden Marxisten-Leninisten nicht gelten, womit er faktisch für vogelfrei erklärt wird. Getarnt als „Antiterrorkampf“ führt die Rechtsentwicklung zunehmend offen zu politisch begründeten Angriffen zur Behinderung der Arbeit der MLPD. Dabei war sie es, die sich in den letzten Jahren eine führende Rolle im Kampf um bürgerliche-demokratische Rechte und Freiheiten erobert hat.

 

Rechtswissenschaftler wie Professor Dr. Thomas Kongreen von der Uni Regensburg geben zu bedenken, die Einschränkungen beim IFSG seien verfassungswidrig. Eine Sprachregelung, die sich auch bei fortschrittlichen Protesten oft wiederfindet. Dabei beinhaltet die Diktatur der Monopole gesetzmäßig die Faschisierung des Staatsapparates und die Verfassung des staatsmonopolistischen Kapitalismus in Deutschland lässt dies zu. So wurden in Deutschland schon seit 1965 Notstandsgesetze gegen Widerstand aus den Gewerkschaften und zahlreicher demokratisch und revolutionär gesinnter Menschen in Kraft gesetzt. Sie sind der „einschneidendste Schritt auf dem Weg zur Kriegsvorbereitung und – hauptsächlich – für den Einsatz der Streitkräfte nach innen. … Die Bundeswehr erhielt nun auch den gesetzlichen Auftrag, in ‚Notfällen‘ als Bürgerkriegsarmee ‚unsere Grundordnung‘ zu schützen“.2

 

Weltanschauliche Neuausrichtung der Rechtsentwicklung mit dem Kern des Antikommunismus

 

Über die bürgerlichen Massenmedien werden reaktionäre Corona-Leugner unter führender Beteiligung von Faschisten als „die Opposition“ dargestellt und aufgewertet. Der Protest von links für konsequenten Gesundheitsschutz und gegen undemokratische Notstandsmaßnahmen, mit Kritik am Freifahrschein für die Monopole bei gleichzeitigen Einschränkungen für die Massen wird dagegen ausgeblendet.

 

Dabei sind es gerade die Aufmärsche der faschistischen Querfront-Strategen, die nun als Vorwand benutzt werden, demokratische Rechte und Freiheiten einzuschränken. Bei den Demonstrationen am 7. November in Leipzig, am 14. November in Frankfurt und am 18. November in Berlin war allerdings auffällig, dass sich die Polizei trotz massiver Verstöße gegen die Corona-Regeln zurückhielt, während sie in Frankfurt/Main mit Wasserwerfern massiv gegen gesundheitsbewusste Antifaschisten vorging. Bei der Demonstration in Wuppertal am 29. November zum Gedenken an Friedrich Engels ging die Polizei rabiat gegen Teilnehmer der Auftaktkundgebung vor.

 

Allgemeine Tendenz zur imperialistischen Kriegsvorbereitung

 

Während die imperialistischen Politiker in der Öffentlichkeit darum streiten, um wieviel genau die Militärausgaben steigen sollen, werden längst Fakten geschaffen zur verstärkten Aufrüstung und offenen Kriegsvorbereitung. So werden die Militärausgaben Deutschlands in diesem Jahr trotz gigantischer Neuverschuldung um weitere 800 Millionen Euro steigen3.

 

Hintergrund ist die sprunghafte Verschiebung der Kräfteverhältnisse der imperialistischen Länder. Schon zwischen 2008 und 2018 haben die neuimperialistischen Länder ihren Anteil unter den 500 internationalen Übermonopolen von 68 auf 163 erhöht. Durch die Weltwirtschafts- und Finanzkrise seit Mitte 2018, verschärft durch die Corona-Krise, hat sich diese Entwicklung weiter beschleunigt. 

 

Die verstärkt ungleichmäßige Entwicklung der imperialistischen und neuimperialistischen Länder erhöht ihre Aggressivität und lässt sie immer neue Kriege und militärische Auseinandersetzungen vom Zaun brechen. Nach dem bereits seit 2001 andauernden Afghanistan-Krieg, den Kriegen in der Ost-­Ukraine und in Syrien betrifft dies Jemen, Libyen, die Auseinandersetzung zwischen Aserbeidschan und Armenien um die Region Bergkarabach sowie den Krieg zwischen der äthiopischen Zentralregierung und der Provinz Tigray. Gefährliche Zuspitzungen gibt im östlichen Mittelmeerraum, um die Vorherrschaft in Venezuela, im Iran und in Nordkorea sowie im pazifischen Raum. Der Aufstieg Chinas, so NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg, verändere „fundamental die globale Machtbalance“, weshalb darauf reagiert werden müsse. Dazu will auch die deutsche Regierung die militärische Zusammenarbeit mit der QUAD-Gruppe4, der „NATO des Pazifik“ intensivieren und die militärische Präsenz der Bundeswehr dort ausbauen.

 

Die Entstehung immer neuer Kriegsbrandherde geht eng mit der Entwicklung neuer Waffensysteme einher, die wiederum die Kriegführung verändern. Das reicht von der Aufrüstung im Weltraum über weiterentwickelte Kampfdrohnen und die Cyber-Kriegsführung im Internet bis zu neuartigen Hyperschallwaffen. Das neuimperialistische Russland entwickelte erstmals Hyperschallraketen, die mit mehr als fünffacher Schallgeschwindigkeit (also über 6000 Kilometer pro Stunde) fliegen und dabei noch steuer­bar sind. Sie sind von herkömmlichen Raketenabwehrsystemen nicht abzufangen, weil diese auf ballistische Raketen mit berechenbaren Flugbahnen ausgerichtet sind. Das kann die militärischen Kräfteverhältnisse in bestimmten Regionen abrupt verändern und führt zu einem neuen Rüstungswettlauf. Den Krieg um Bergkarabach hat vor allem die überlegene Bewaffnung der aserbeidschanischen Armee entschieden, die von der neuimperialistischen Türkei mit modernsten Drohnen aus eigener Produktion ausgerüstet wurde. Die Entwicklung der zwischenimperialistischen Widersprüche in der Welt ist brandgefährlich.

 

Internationale Einheitsfront gegen Faschismus und Krieg

 

Auch wenn sich die Friedensbewegung etwas belebt hat, steht ihre mangelnde Stärke und Zielklarheit noch im Widerspruch zu dieser Entwicklung. Dabei muss sich der Kampf gegen den Hauptkriegstreiber USA aber auch alle anderen imperialistischen Kräfte richten. Dagegen gehen revisionistische Kräfte wie Teile der Linkspartei und die DKP verstärkt auf eine sozialchauvinistische Politik über, die die eigene oder eine andere imperialistische Bourgeoisie vorgeblich im Interesse der Arbeiterklasse unterstützt. In ihrem Aufruf zu Protesten gegen das NATO-Manöver „Defender 2020“ orientierte die DKP Berlin auf die „Kooperation mit Russland in einem gemeinsamen Haus Europa“. Als ob sich der neuimperialistische Charakter Russland ändern würde, nur weil es enger mit dem ebenfalls imperialistischen Staatenbündnis EU kooperiert. Das verwirrt und richtet sich direkt gegen den notwendigen Aufbau einer neuen Friedensbewegung. Diese kann und muss den Kampf führen zur Verhinderung konkreter Kriege und vor allem zur Verhinderung eines 3. Weltkriegs. In dieser neuen Friedensbewegung muss zugleich über die Beseitigung der Wurzel von Rechtsentwicklung, Faschismus und Kriege – das reaktionäre imperialistische Weltsystem – diskutiert und sich dazu weiter vereinheitlicht werden.

 

Die MLPD beschreitet mit anderen fortschrittlichen und revolutionären Kräften erfolgreich den Weg des Zusammenschlusses im Internationalistischen Bündnis, das sich insbesondere gegen die Rechtsentwicklung in der Gesellschaft richtet. Sie tritt mit Kräften aus dem Internationalistischen Bündnis als Internationalistische Liste/MLPD zur Bundestagswahl 2021 an. Sie vertritt dabei den echten Sozialismus als gesellschaftliche Alternative zum krisengeschüttelten Kapitalismus. Und sie arbeitet im Rahmen der ICOR  und des ILPS am Aufbau einer internationalen antifaschistischen und antiimperialistischen Einheitsfront, die bereits in der Gründungsphase 500 Organisationen aus fünf Kontinenten erfasst.