Rote Fahne 25/2020
Kongress der Antideutschen: „Was hat uns nur so ruiniert?“
Zu aggressiven Vertretern antikommunistischer Verschwörungstheorien zählen eindeutig auch die Antideutschen. Sie diffamieren jede Kritik an der israelischen Regierung und jede Solidarität mit dem palästinensischen Volk als „antisemitisch“. Ein Kongress in Potsdam dokumentiert ihre offene Krise
Vom 2. bis 4. Oktober 2020 tagte der „antinationale Kongress“ in Potsdam. Von den führenden Protagonisten der „antideutschen“ Strömung beteiligten sich lediglich Jutta Ditfurth und Thomas Ebermann, die stundenlang mehrere Podien bespielten.
Die MLPD hat in ihrer Polemik „Antideutsche – links blinken, scharf rechts abbiegen ...“ (Oktober 2018) die allgemeine Rechtsentwicklung dieser Strömung und ihren spalterischen Charakter in den Bewegungen gegen die Rechtsentwicklung der Regierung überzeugend nachgewiesen. Ebenso die Verstrickung führender Vertreter mit den Geheimdiensten, ihre Islamophobie und Flüchtlingsfeindlichkeit. Diese Polemik hat ihre Wirkung nicht verfehlt.
Nur einige „Irregeleitete“?
Einer der Hauptredner, Thorsten Mense, freier Autor und Journalist für die antideutschen Medien Jungle World und Konkret stellte sein Referat treffend zur Katerstimmung auf dem Kongress unter den Titel: „Was hat dich nur so ruiniert?“ Er musste eingestehen, dass ein großer Teil der Antideutschen im „staatstragenden post-antideutschen Establishment“ angekommen ist, so zum Beispiel bei der Springerpresse. Hauptsächlicher Gegenstand des Kongresses war denn auch der Umgang mit der Kritik an der Rechtsentwicklung der Antideutschen und an ihrem Übergang zu faschistoiden, teils zu faschistischen Positionen. Das blitzte überall durch, sollte aber zugleich nicht offen diskutiert werden.
Mense gab unumwogen zu, dass ihm der Part aufgedrückt wurde, über „Irrwege“ von einigen Antideutschen zu referieren. Er führte zu Thomas Maul, Redakteur von Bahamas1, aus: „Seine Zitate aus der Bahamas gegen Migration, vor allem aus der arabischen Welt, und die Verteidigung des ‚christlich-jüdischen Abendlands’ lassen verstehen, warum ein Martin Sellner von der Identitären Bewegung die Bahamas lobte. Es ist auch bezeichnend, dass sich in dem Magazin niemand mit den eigenen Wendungen befasste.“
Er wolle ansonsten keine Namen nennen, „aber auch Organisatorinnen dieser Konferenz sind darunter“. Während die Antideutschen bei ihren Verleumdungskampagnen gegenüber Linken und Revolutionären keinerlei Probleme haben, Namen zu nennen und sie wahrheitswidrig zu stigmatisieren, scheint es in ihrer Streitkultur untereinander nicht üblich zu sein, Ross und Reiter zu nennen.
Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum wurden am letzten Tag der Konferenz um 23 Uhr nach fast fünf Stunden ununterbrochener Beiträge vom Podium für eine halbe Stunde zugelassen. So sieht also die Diskussionskultur á la Antideutsche aus. Kein Wunder: Ausnahmslos alle Publikumsbeiträge waren kritisch in Bezug auf die offene Rechtsentwicklung der Antideutschen.
Reaktionäre Weltanschauung
Der Kongress versuchte, die Rechtsentwicklung als ein Problem von ein paar „irregeleiteten“ Antideutschen darzustellen. Tatsächlich sind Massenfeindlichkeit und Übergang zu einer ultrareaktionären Weltanschauung in immer mehr gesellschaftlichen Fragen ein Wesensmerkmal dieser Strömung.
Wortführer wie Justus Wertmüller verteidigen den Krieg des nationalistischen serbischen Regimes gegen die muslimische Bevölkerung in Bosnien-Herzogowina in den 1990er Jahren. Das wurde von Mense kurz verschämt angesprochen. Alle anderen vom Podium schwiegen dazu.
Während das Spektrum der Antideutschen, das den Kongress bestritt, die pseudolinke Selbstdarstellung aufrechterhält, hat ein wachsender Teil der Antideutschen überhaupt keine Probleme mit der Bezeichnung als „Rechtsantideutsche“, wie Mense aufzeigte.
Thomas Ebermann tat sich mit arbeiter- und massenfeindlichen Äußerungen hervor. Er lobte sich dafür, dass er nach fünf Jahren Arbeit in der Industrie – „wofür er einen Idiotenpanzer brauchte“ – seinen „Anti-Intellektualismus“ überwunden habe. Pauschal erklärte er Betriebsräte für „genauso schlimm wie die Kapitalisten“. Das diente offenkundig nur der Rechtfertigung, warum er aktuelle Arbeiterkämpfe nicht unterstützenswert findet.
Die Antideutschen mussten einige empfindliche Niederlagen einstecken beim Versuch der Verhinderung des Gedenkens von MLPD und Internationalistischem Bündnis an die Ermordung Ernst Thälmanns im Jahr 2019 oder bei aggressiven Bestrebungen, die MLPD aus Demonstrationen zu drängen. Doch gerade unter unerfahrenen Jugendlichen etwa in studentischen Zusammenschlüssen treiben sie weiterhin ihr Unwesen und schüchtern ein. Die Bewusstseinsbildung über ihren reaktionären Charakter gilt es deshalb zu verstärken.