Rote Fahne 02/2021

Rote Fahne 02/2021

Faschistischer Putschversuch in den USA – Wehret den Anfängen!

Die Erstürmung des Kapitols in Washington D.C. am 6. Januar ...

Von (jg / ms)
Faschistischer Putschversuch in den USA – Wehret den Anfängen!
Foto: Joe Piette / CC BY-NC 2.0

... war alles andere als ein harmloser Versuch, „ein bisschen zu randalieren“1. Schon am Mittag des 7. Januar stellte das Zentralkomitee der MLPD in einer Erklärung dazu fest, dass es um einen „organisierten vorbereiteten, koordinierten und bewaffneten faschistischen Putschversuch“ ging. Die Verhinderung der Amtsübergabe des abgewählten US-Präsidenten Donald Trump an seinen Nachfolger Joe Biden ist dabei nur der erste Schritt. Der beabsichtigte Übergang zu offen faschistischen Regierungsmethoden dient vor allem der Vorbereitung auf härtere Klassenschlachten. Die faschistischen Stoßtrupps mobilisieren jetzt zu einem „Million Militia March“ sowie zu regionalen Aktionen am und um den 20. Januar anlässlich Bidens Amtseinführung. Die Errichtung einer faschistischen Diktatur in den USA würde die gesamte Weltlage verändern. Das muss von allen antifaschistischen und demokratischen Kräften, der Arbeiter-, Frauen und Jugendbewegung sehr ernstgenommen und entschieden bekämpft werden.

 

Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gaben Donald Trump völlig verharmlosend lediglich eine „Mitschuld“ am Sturm auf das Kapitol. Trump ist aber kein verirrter Mitläufer, er ist Kopf und Drahtzieher des gescheiterten faschistischen Putsches. Wochenlang trommelte er für den Aufmarsch an diesem Tag. Schon am 20. Dezember twitterte er: „Seid dabei, es wird wild.“ In den 30 Tagen vor dem 6. Januar gab es rund 100 000 Beiträge auf Facebook, Twitter oder der mittlerweile gesperrten ultrareaktionären Plattform Parler mit dem Aufruf „Stürmt das Kapitol“. Nutzer riefen dazu auf, Waffen vorzubereiten und die Gegner zu schnappen.2

 

Am Tag des Putschversuchs heizte Trump die faschistischen Stoßtrupps weiter an. „Gehen wir also die Pennsylvania Avenue entlang … zum Kapitol“, rief er bei der Kundgebung. In einem Tweet kurz vor der Räumung des Kapitols lobte er sie: „Wir lieben euch, ihr seid sehr besonders.“ Während des Putschversuchs saß er begeistert vor dem Fernseher und sah sich die Bilder an. Noch am 12. Januar verteidigte der unbelehrbare Narzisst seine Wortwahl als „völlig angebracht“. Der Anwalt Trumps, Lin Wood, hatte auf Parler am 1. Januar die „Erschießung von Pence durch ein Exekutionskommando“ gefordert. Trump hatte zuvor bereits Schlüsselstellen in Gerichten, Geheimdiensten und im Militär neu besetzt.

 

Nach all dem verurteilt Merkel ausgerechnet die längst überfällige Sperrung von Trumps Twitter-Konto als unzulässige Einschränkung der „Meinungsfreiheit“.3 Merkel billigt Faschisten also durchaus „Meinungsfreiheit“ zu. Das ist aber ein demokratisches Recht und kein Freibrief für faschistische Volksverhetzung. Die MLPD fordert, dass faschistische Propaganda generell verboten und unterbunden wird.

 

Es ist richtig, dass in den USA gegen Trump erneut ein Amtsenthebungsverfahren eingeleitet wurde, damit er künftig nicht mehr zu Wahlen kandidieren kann. Doch das geht längst nicht weit genug: Ein faschistischer Drahtzieher wie Trump gehört umgehend verhaftet, angeklagt und hinter Gitter verbracht! Die faschistischen Organisationen müssen verboten und aufgelöst werden.

 

Unterstützung aus höchsten Kreisen

 

Die höchst charaktervollen Absetzbewegungen um Trump gehen mitten hinein ins republikanische Lager.  So ist es an Heuchelei schwer zu überbieten, wenn Leute wie Vizepräsident Mike Pence oder der republikanische Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, so tun, als ob ihnen Trumps autokratische, narzisstische und faschistische Art neu wäre. Diese Ultrareaktionäre haben jahrelang alles getan, um dessen Aggressionen und Eskapaden zu rechtfertigen und aktiv mitzutragen. Wie sagt der Volksmund? Die Ratten verlassen das sinkende Schiff …

 

Nachdem sich immer mehr Verbündete von Donald Trump abwenden, erwecken die bürgerlichen Massenmedien teilweise den Eindruck, als habe Trump – gestützt auf seine faschistischen Banden – allein gehandelt und sei in den bürgerlichen Parteien  isoliert. Doch stehen Teile des Monopolkapitals und des Staatsapparats hinter ihm – sonst wäre die faschistische Stürmung des Kapitols undenkbar gewesen. Mehrere Polizisten öffneten den faschistischen Kräften die Absperrungen für den Zutritt zum Kapitol. Ein Video zeigt, dass auch im Inneren Polizisten zur Seite traten und den Zugang zu einem nicht öffentlichen Gebäudeteil ermöglichten. Andere posierten gemeinsam mit den Faschisten für Selfies.4 Es gibt erdrückende  Belege dafür, dass Teile des Militärs, der Polizei,  der Geheimdienste und der Republikaner an der Vorbereitung beteiligt waren.

 

Der entscheidende Teil des US-Finanzkapitals bis zum Industrieverband wendet sich aktuell gegen Trump. Man darf darüber nicht vergessen, dass führende Konzerne wie Morgan Stanley, General Motors, Ford, Chevron, Exxon und BP mit hunderten Millionen US-Dollar Spenden und anderen Manövern dafür sorgten, dass Donald Trump Präsident wurde. Seine ultrareaktionäre, rassistische und faschistoide Regierung legte über Jahre eine besondere Aggressivität an den Tag. Unter dem Slogan „America First“ versuchte er dem massiven Rückfall des US-Imperialismus in seiner weltmarktbeherrschenden Stellung entgegenzuwirken.

 

Trump ersetzte die Regierungsmethode des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise durch offene Reaktion nach innen und außen, verbunden mit ultrareaktionärer bis sozialfaschistoider Demagogie.

 

In den USA stärkte sich der fortschrittliche Stimmungsumschwung 2019/2020 und die USA waren das erste Land, das in eine gesamtgesellschaftliche Krise geriet. Das mündete in der erkämpften Abwahl Trumps.

 

Supermacht auf Abstiegskurs

 

Gleichzeitig verstärkte sich der Rückfall des US-Imperialismus besonders gegenüber dem neuimperialistischen Rivalen China.

 

Im Ergebnis ist der Anteil der US-Monopole an den 500 größten Übermonopolen der Welt von 2017 bis 2020 von 26,6 auf 24,2 Prozent zurückgegangen, der Anteil Chinas stieg von 21,8 auf 24,8 Prozent. Auch beim Anteil an der weltweiten Wirtschaftsleistung (BIP) überflügelte China mittlerweile die USA mit 19,3 gegenüber 15,1 Prozent im Jahr 2019.5 Die Militärausgaben Chinas betrugen 2019 etwa ein Drittel derjenigen der USA, stiegen aber in den letzten zehn Jahren um 85,1 Prozent an.6 Mehr und mehr macht China den USA den Platz als einziger imperialistischer Supermacht streitig.

 

Der Produktionseinbruch in der Weltwirtschafts- und Finanzkrise ist so tief wie 2008 und wird nur gedämpft, weil die Zentralbank FED mit gigantischen staatlichen Subventionen mittlerweile 10 Prozent des Bruttoinlandsprodukts finanziert.

 

Die menschenverachtende Corona-Politik der Trump-Regierung hat die nach wie vor dort völlig unkontrolliert verlaufende Pandemie befeuert. Die USA haben mit mehr als 388785 Todesfällen (Stand: 14.1.2021) die höchste Zahl weltweit und auch eine der höchsten Todesraten (997 pro eine Million Einwohner). Trump hinterlässt ein marodes Gesundheitssystem. Er ließ nichts unversucht, um selbst völlig unzureichende Reformen der Obama-Regierung zu verhindern oder rückgängig zu machen.

 

Trump ist ein krasser bürgerlicher Idealist. Er propagiert den Kreationismus, der die biblische Schöpfungsgeschichte für bare Münze nimmt und den wissenschaftlichen Erkenntnisfortschritt ablehnt. Das ist die lebensgefährliche weltanschauliche Grundlage für Trumps Verharmlosung der Corona-Pandemie, die dieser allen Ernstes als reine Erfindung wahlweise „der Chinesen“, der „Demokraten“ oder auch der „Kommunisten“ abtat.

 

Die Lage der Massen verschlechtert sich rapide. Die Massenarbeitslosigkeit ist ähnlich hoch wie auf dem Tiefpunkt der Weltwirtschaftskrise 1929–32. Der Ansturm auf die „Food Banks“ (vergleichbar mit den „Tafeln“ in Deutschland) hat landesweit nie geahnte Dimensionen angenommen. Auf breiten Protest stießen die Zunahme rassistischer Diskriminierung und insbesondere die empörenden Polizeimorde. Die extreme Faschisierung des Staatsapparats zeigte sich bei brutalen Polizei- und Militäreinsätzen – teilweise im Zusammenspiel mit faschistischen Kräften – die auch Todesopfer forderten. Trumps zunehmend aggressive Außenpolitik richtete sich mit gezielten Tötungen, Kriegsdrohungen und offener Unterstützung von Putschbestrebungen vor allem gegen den Iran und Venezuela. In einer seinen letzten Amtshandlungen setzte Trump Kuba wieder auf die US-amerikanische Terrorliste.

 

Mit der Polarisierung um den faschistischen Putschversuch entfaltet sich die gesamtgesellschaftliche Krise in den USA weiter. Und es zeichnet sich mit dem faschistischen Putschversuch eine neue Qualität in der weltweiten Rechtsentwicklung des Imperialismus ab. 

 

Schon feiern die Faschisten in den USA den 6. Januar als „Anfang“ und nicht als Ende ihrer Putschvorhaben. Erinnern wir uns, was in Deutschland zehn Jahre nach dem gescheiterten Putsch von Hitler 1923 in München folgte … Brasiliens Präsident, der Faschist Jair Bolsonaro, droht für den Fall seiner Niederlage bei den Wahlen 2022 mit einem „schlimmeren Problem als in den USA“ 7. Dies zeigt, wie die Schleusen für eine weitere massive Verstärkung der Reaktion nach innen und außen geöffnet werden sollen.

 

Umgekehrt sind Trumps Abwahl und sein Putschversuch eine Niederlage für die internationale Rechtsentwicklung. Auch die Pläne von Großbritanniens ultrareaktionärem Premier Boris Johnson, mit den USA nach dem Brexit ein Freihandelsabkommen zu schließen, sind damit geplatzt. Die durchkreuzten Pläne lassen die ultrareaktionären bis faschistischen Kräfte umso aggressiver werden.

 

Joe Biden – „Retter der Demokratie“?

 

Die Ereignisse am 6. Januar haben in den USA eine offene politische Krise, eine offene Parteienkrise der Republikaner und eine offene konstitutionelle Krise der bürgerlichen Demokratie ausbrechen lassen.

Joe Biden tritt an, um „die Gesellschaft wieder zu versöhnen“. Ein zum Scheitern verurteiltes Unterfangen. Selbst wenn Biden im Unterschied zu Trump vor allem auf dem Klavier des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise spielen und zu allerlei Betrugsmanövern greifen will: Er kann die allgemeine Krisenhaftigkeit des Imperialismus nicht aufheben. Biden ist selbst führender Repräsentant der Diktatur der Monopole und war acht Jahre lang Vizepräsident unter Obama. Sein Versuch, das bürgerlich-parlamentarische System der Herrschaftsausübung wieder zu stabilisieren, steht nur für eine wenn auch modifizierte Weiterführung der Rechtsentwicklung in den USA.

 

In Deutschland oder Europa undenkbar?

 

Die Europäische Union und vorne dran die Bundesregierung gaben sich in den letzten vier Jahren als „demokratische, verlässliche“ Alternative zur US-Regierung unter Donald Trump. Doch auch hier gibt es eine gefährliche Rechtsentwicklung ausgehend von den Regierungen und bürgerlichen Parteien. Dutzende ranghohe ehemalige Offiziere riefen Anfang Dezember in Spanien zu einem Putsch gegen die sozialdemokratische Regierung auf. Sie drohten offen mit der Erschießung von „26 Millionen Hurensöhnen“ und forderten: „Holen wir uns die Roten!“

 

Führende Vertreter der faschistoiden AfD distanzieren sich scheinheilig von dem Sturm auf das Kapitol. Noch vor wenigen Wochen feierten sie begeistert ihren Coup am 18. November, als sie verschiedene Faschisten in den Reichstag einschleusten. Das hatte natürlich nicht die Qualität eines Putschversuchs, zeigte aber, wes Geistes Kind diese Wegbereiter des Faschismus sind.

 

Faschist Jürgen Elsässer sympathisiert in seinem „Compact“-Magazin mit den „großartigen Patrioten“ in den USA. Elsässer unterstützt genauso wie der faschistische Flügel der AfD um Höcke die faschistische „Querfront-Strategie“.

 

Deshalb fördert die MLPD, den Kampf gegen die Rechtsentwicklung und den Aufbau des Internationalistischen Bündnisses auch in Deutschland zu verstärken. Wer die Wurzeln der faschistischen Tendenz ausrotten will, muss für die revolutionäre Überwindung des Kapitalismus eintreten. In der Erklärung des Zentralkomitees vom 7. Januar heißt es: „Die MLPD organisiert in Deutschland die internationale Solidarität mit der antifaschistischen und demokratischen Bewegung, mit den Arbeiterkämpfen und den sozialistischen Kräften in den USA. … Die Zukunft gehört dem Sozialismus!“

 

Fortschrittlicher Stimmungsumschwung herausgefordert

 

Der Beginn der gesamtgesellschaftlichen Krise war in den USA durch einen Aufschwung der Arbeiter- und Massenkämpfe geprägt. Seit März 2020 gab es mindestens 1200 Streiks und kämpferische Aktionen. Am 19. Juni streikten die Hafenarbeiter an der Westküste acht Stunden lang aus Solidarität mit der Antirassismus-Bewegung. Das verband sich eng mit der breiten Bewegung gegen Faschismus und Rassismus wie den „Black lives matter“-Protesten im Sommer 2020. Aus sieben Gewerkschaften und drei Ortsgruppen des Gewerkschaftsdachverbands AfLCIO gab es Forderungen nach einem Generalstreik, falls Donald Trump das Wahlergebnis nicht anerkennt. Noch am Tag des Putschversuchs gab es in mindestens zwölf Städten Proteste dagegen, unter anderem in New York, Chicago, Los Angeles, San Francisco und Portland. Die neu gegründete Gewerkschaft der Alphabet8-Beschäftigten AWU hat am 7. Januar die Youtube-Führungskräfte aufgefordert, schärfer gegen Donald Trump vorzugehen. „Die AWU steht in Solidarität mit allen Arbeitern, die für Gerechtigkeit und Befreiung am Arbeitsplatz und in der Welt kämpfen.  Wir müssen bei unserer eigenen Firma anfangen“, schreibt sie in ihrer Aufforderung. All das findet sich kaum in den bürgerlichen Medien wieder. Scheinbar gibt es nur die Alternative zwischen Donald Trump und Joe Biden. Die wichtigste Schlussfolgerung ist, dass der Aufbau einer starken marxistisch-leninistischen Partei in den USA vorangebracht wird. Das unterstützt die MLPD und die revolutionäre Weltorganisation ICOR9. Es war die ICOR, die Ende November mit einer Resolution die Abwahl des Faschisten Trump als Erfolg der Arbeiter-, Frauen- und Volksbewegung in den USA feierte. Weltweit wächst die Zahl derer, die die üblen antikommunistischen Ausfälle Trumps durchschauen. Eine bedeutende Plattform für den Kampf gegen Faschismus, Rechtsentwicklung imperialistischen Krieg ist der weitere Aufbau der antiimperialistischen und antifaschistischen Einheitsfront. Es ist ein hoffnungsvolles Zeichen, dass die revolutionäre US-Organisation „Freedom Road Socialist Organization“ Mitstreiter dieser Einheitsfront geworden ist.