Rote Fahne 11/2021

Rote Fahne 11/2021

Freiheit für die Philippinen – stoppt den antikommunistischen Terror!

Der sogenannte Antiterror-Rat der philippinischen Regierung hat jüngst den Gründungsvorsitzenden der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP), ...

Von (def / mf / ms)
Freiheit für die Philippinen – stoppt den antikommunistischen Terror!
Eng verbunden mit der Bevölkerung ist die NPA (New People’s Army) (Foto von einer Delegationsreise der MLPD von 1992/93)

... José Maria Sison, und 18 weitere Führungskader der CPP als angebliche „Terroristen“ gebrandmarkt. Das ist der neue Höhepunkt einer antikommunistischen Repressions- und Terrorwelle, die das faschistische Regime von Rodrigo Duterte vorantreibt. Systematisch werden fortschrittliche und revolutionäre Menschen, aber auch alle, die im Verdacht stehen, Kommunisten zu sein oder mit ihnen zusammenzuarbeiten, öffentlich angeprangert. Hunderte wurden bereits unter fadenscheinigen Vorwänden liquidiert. Am 14. Mai schrieb das Zentralkomitee der MLPD an José Maria Sison, die CPP und die NDFP1: „Liebe Genossinnen und Genossen, wir erklären Euch unsere uneingeschränkte Solidarität! Die MLPD und ihr Jugendverband REBELL werden in den nächsten zweieinhalb Monaten eine besondere Initiative der Solidarität gegen die antikommunistische Repressionswelle, Pogromhetze und gezielte Liquidierung von Kommunistinnen und Kommunisten und anderen fortschrittlich-demokratischen Menschen auf den Philippinen durchführen.“         

 

So offen wie gegenwärtig in keinem anderen Land hat die faschistische Diktatur Dutertes den Kommunismus zum Hauptfeind erklärt. Allerdings betreibt Duterte diese Politik nicht aus einer Position der Stärke, sondern aus einer tiefen Defensive der Herrschenden heraus. Im Interview mit der Roten Fahne vom 31. März fasste José Maria Sison die Situation so zusammen: „In den Philippinen braut sich ein gewaltiger Sturm zusammen.“ Die faschistische Diktatur Dutertes entspringt der Furcht der Herrschenden vor der weiteren Ausreifen der gesamtgesellschaftlichen Krise bis hin zu einer revolutionären Gärung.

 

Philippinen – ein Land, in dem mehr als nur Vulkane brodeln

 

Die Philippinen sind ein Archipel aus 7100 Inseln. Nur 860 davon sind bewohnt. Die größte Insel ist Luzon, auf der die Hauptstadt Manila liegt. In der Metropolregion Metro Manila leben etwa 23 Millionen, im ganzen Land 108 Millionen Menschen. Davon arbeiten 10 Millionen als philippinische Übersee-Arbeiterinnen und -Arbeiter im Ausland (drei von vier Over-Sea-Workers sind Frauen). Sie schicken Geld an ihre in Armut lebenden Familien nach Hause. Die Gesamtsumme entspricht 9 bis 10 Prozent des Nationaleinkommens! Geld, für das sie weltweit – meist unter unmenschlichen Bedingungen – schuften. In der Corona-Pandemie haben sie oft ihre Arbeit verloren, können aber nicht zurückkehren.

 

Das Zusammenwirken von Weltwirtschafts- und Finanzkrise mit der Corona-Krise hat das Bruttoinlandsprodukt der Philippinen 2020 dramatisch um 9,5 Prozent gegenüber 2019 einbrechen lassen. Im Jahr zuvor wuchs es noch um 6,0 Prozent. Die Philippinen sind das Land mit einem der härtesten Lockdowns weltweit. Seit über einem Jahr können Schüler nicht zur Schule gehen. Dieser Lockdown trifft vor allem die Ärmsten. Denn geschlossen wurde vor allem der sogenannte informelle Sektor. Klein- und Straßenhändler, Tricycle- und Jeepney-Fahrer haben kein Einkommen mehr. Monatlich werden Zehntausende verhaftet, die auf der Suche nach Arbeit oder Essen das Haus trotzdem verlassen. Die soziale und gesundheitliche Lage der Massen ist dramatisch und für Millionen von einem täglichen Überlebenskampf geprägt.

 

Eine gesamtgesellschaftliche Krise ist eingeleitet, aber noch nicht entfaltet. Dass auch auf den Philippinen die bürgerlichen Politiker die wachsende Krisenhaftigkeit nicht in den Griff bekommen, hat die Massendiskussion über eine notwendige gesellschaftliche Alternative belebt. Philippinische Genossen, die das Interview mit Stefan Engel vom 29. April „Den weltanschaulichen Kampf verstärken!“ in der englischen Übersetzung gelesen haben, schreiben dazu: „Duterte und seine Beamten und Generäle sagen gerne, der Grund, warum es jetzt mehr als eine Million Filipinos gibt, die infiziert sind, und warum die Regierung nichts tun kann, außer Abriegelungen zu verhängen und noch mehr Hunger, Armut und Leid unter den Filipinos zu verursachen, sei der, dass die Philippinen ein armes Land seien. Im Interview mit Stefan Engel sehen wir, dass selbst in einem reichen kapitalistischen Land wie Deutschland die Reaktion der Regierung auf die Pandemie ähnlich ist.“

 

Es gibt weiterhin hartnäckige Kämpfe der Arbeiter und breiten Massen. Arbeiterinnen und Arbeiter des größten Waschmittel-Produzenten der Philippinen, Pepmaco, streikten im Juni 2019 gegen Massenentlassungen, niedrige Löhne, Leiharbeit und Angriffe auf ihre Gewerkschaft. Seit 20 Jahren kämpfen ehemalige Toyota-Arbeiter gegen ihre Entlassung im Jahr 2001. Sie haben Verbindungen zu japanischen Gewerkschaftern und zur Internationalen Automobilarbeiterkonferenz. Erst Ende letzten Jahres setzten die Beschäftigten bei Fuji Electric nach vielen kämpferischen Aktionen deutliche Lohnerhöhungen und erweiterte Schutzbestimmungen gegen die Corona-Pandemie durch. Trotz massivster Bedrohung beteiligten sich rund 2000 Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter an den Aktivitäten zum 1. Mai 2021 in Manila.

 

Im letzten Jahr hat sich ein breites Bündnis aus über 100 Organisationen gegen die Duterte-Regierung gebildet. Anliegen des „SONAkaisa“ (Volks-SONA2) genannten Bündnisses sind der Protest gegen die Covid-19-Politik der Regierung, gegen das Anti-Terror-Gesetz und die Angriffe auf die Pressefreiheit, aber auch gegen die hohe Massenarbeitslosigkeit und die Zustände im Gesundheitswesen. An einer Demonstration am 27. Juli in Manila beteiligten sich rund 8000 Menschen. An der Spitze standen Beschäftigte von öffentlichen und privaten Krankenhäusern. Es gibt in den Philippinen zahlreiche Umweltproteste, so unter anderem gegen ein Bergbauprojekt in Tampakan oder gegen Müllverbrennungsprojekte.

 

Masseneinfluss der Revolutionäre

 

Die Furcht der Herrschenden speist sich auch aus dem Masseneinfluss, den sich die Marxisten-Leninisten in den Philippinen erkämpft haben. José Maria Sison dazu im aktuellen Interview mit der Roten Fahne (siehe S. 18): „Die von der CPP geführte revolutionäre Bewegung ist landesweit und tief unter den werktätigen Massen verwurzelt.“ Eine große Bandbreite von kämpferischen und revolutionären Organisationen ist in der Nationaldemokratischen Front der Philippinen (NDFP) zusammengefasst. Zu ihnen gehören unter anderem die CPP und die Neue Volksarmee (NPA)3.

 

Es gibt in den Philippinen auch bedeutende legale Massenorganisationen wie Anakbayan (Jugendorganisation), Kilusang Mayo Uno (kämpferische Gewerkschaft „Bewegung des 1. Mai“), Gabriela (Frauenorganisation), Kilusang Magbubukid ng Pilipinas (Bauernorganisation) und Karapatan (Menschenrechtsorganisation). Sie sind in der Dachorganisation Bayan zusammengeschlossen.

 

Die 1968 auf revolutionärer Grundlage neugegründete CPP zog einen klaren Trennungsstrich zum Verrat der revisionistischen Führer der alten kommunistischen Bewegung an den sozialistischen Prinzipien. Sie hält am konsequenten Kampf gegen den Imperialismus, für nationale und soziale Befreiung mit der Perspektive des Sozialismus fest. In den zahlreichen Kämpfen der Arbeiter und breiten Massen spielen die philippinischen Revolutionäre eine anerkannte und führende Rolle. Dafür werden sie diffamiert und kriminalisiert, deshalb ist die CPP in den Philippinen verboten und wird von den USA und der EU auf ihrer Liste „terroristischer Organisationen“ geführt.

 

Befreiungskampf = Terrorismus?

 

Zur Rechtfertigung des antikommunistischen Terrors werden die Kommunisten selbst zu „Terroristen“ gestempelt. Der kommunistische Befreiungskampf ist aber das genaue Gegenteil von massenfeindlichem faschistischen Terrorismus. Er nimmt nicht wahllos Opfer in der Zivilbevölkerung ins Visier, sondern schützt die Massen vor dem staatlichen Terror. Er schafft keine Vorwände für die Faschisierung des herrschenden Staatsapparats, sondern bekämpft diese konsequent. Er dient nicht der Aufrechterhaltung des imperialistischen Systems, sondern hilft den Massen, damit Schluss zu machen.

 

Häufig kommt als Einwand gegen die Aufforderung zur Solidarität mit den philippinischen Revolutionären, dass man ja keinen bewaffnetem Kampf unterstützen könne. Der Kampf der NPA unter Führung der CPP und die von ihr kontrollierten Gebiete sind nur eine von vielen Kampffronten der revolutionären Bewegung. Er hat nicht nur eine lange Tradition, sondern ist notwendig und gerechtfertigt gegenüber dem Staatsterror der jetzigen und fast aller Vorgängerregierungen in den Philippinen. Die NPA-Einheiten operieren in enger Verbindung mit den Massen und gestützt auf sie. Die philippinischen Genossen berichten, dass die soziale und gesundheitliche Lage in den von der NPA kontrollierten Gebieten ein Kontrastprogramm zur Situation im gesamten Land bildet.

 

Angesichts der beschleunigten Tendenz zu einer gesamtgesellschaftlichen Krise des imperialistischen Weltsystems bereiten sich die Herrschenden weltweit auf die konterrevolutionäre Unterdrückung wachsender Kämpfe, Aufstände und revolutionärer Massenbewegungen vor und verstärken dazu ihre antikommunistische Propaganda und Repression. Dagegen ist der gemeinsame Kampf gegen Rechtsentwicklung und Antikommunismus herausgefordert.

 

Neokolonial abhängiges Land

 

Die Philippinen sind ein neokolonial abhängiges Land mit einer reaktionären Oligarchenschicht, die teilweise aus Großgrundbesitzern besteht, aber auch eigene Monopole herausgebildet hat. Über den vorherrschenden Einfluss verfügt nach wie vor der US-Imperialismus. Es war kein Zufall, dass der Übergang zu militärischen Kampfeinsätzen gegen CPP und NPA drei Wochen nach einem Zusammentreffen Dutertes mit dem damaligen US-Präsidenten Donald Trump in Manila im November 2017 erfolgte (siehe auch S. 19).

 

Zugleich wächst seit Jahren der Einfluss des neuimperialistischen China in den Philippinen. Während die USA über den politischen und militärischen Haupteinfluss verfügen, rückt China ökonomisch immer mehr in den Vordergrund. Allerdings hat auch China erste Militärbasen im Land. Die USA brauchen die Philippinen in der militärischen Rivalität um die Spratly-Inseln, eine Inselgruppe im südchinesischen Meer. Sowohl die USA als auch China erheben Anspruch darauf wegen der strategischen Lage an einer der weltweit wichtigsten Schifffahrtsrouten. Hier werden auch größere Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet. Duterte versucht sich als Diener zweier rivalisierender imperialistischer Mächte – auch, um sie zum Vorteil der philippinischen Oligarchen gegeneinander auszuspielen. Wie weit das möglich ist, wird sich zeigen. Es ist gerade seine Liebedienerei gegenüber den Imperialisten, gegen die sich wachsender Unmut regt.

 

Bundesregierung schweigt

 

Die Entwicklung in den Philippinen hat Auswirkungen auf die weltweite Entwicklung, wo es in immer mehr Ländern brodelt und sich die gesamtgesellschaftliche Auseinandersetzung zwischen Antikommunismus und wissenschaftlichem Sozialismus entfaltet. Deshalb haben auch die imperialistischen Mächte großes Interesse daran, den wachsenden Einfluss der Revolutionäre in den Philippinen zurückzudrängen.

 

Noch im Wahlkampf 2016 hatte Duterte geprahlt, er werde der „erste sozialistische Präsident“, und nahm sogar wieder Friedensverhandlungen mit der NDFP auf. Seit 2018 kulminierte die Faschisierung des Staatsapparats in der Errichtung einer faschistischen Diktatur. Das zeigt, was von Dutertes Versprechungen zu halten war und wohin der Antikommunismus in letzter Konsequenz führt: Marxisten-Leninisten und ihre Partei, Revolutionäre, Arbeiterführer, aber auch andere Demokraten und Antifaschisten werden verhaftet, verletzt oder ermordet (mehr dazu auf S. 19 und 44/45).

 

In Deutschland berichten die bürgerlichen Medien bisher kaum darüber. Die Bundesregierung heuchelt leise Bedenken, weigert sich jedoch, das Duterte-Regime international zu ächten. Der gemeinsame Kampf dagegen hat auch für die Arbeiter- und Volksbewegung in Deutschland große Bedeutung. Es sind die gleichen internationalen Monopole, die die Arbeiter und Angestellten in den Philippinen und hierzulande ausbeuten, darunter etwa Nestlé, Unilever, Bayer, Henkel, Siemens, Deutsche Bank oder H&M. Im Kampf gegen den gemeinsamen Gegner des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals kommt es umso mehr darauf an, sich länderübergreifend zusammenzuschließen. In diesem Sinn hat die revolutionäre Weltorganisation ICOR4 im Januar in einer Resolution aufgerufen: „Weltweite Solidarität mit dem Kampf des philippinischen Volkes für nationale und soziale Solidarität ist gefordert.“

 

Besondere Initiative der Solidarität

 

Seit Jahrzehnten ist die MLPD ein Aktivposten in der Philippinen-Solidarität sowie in der gegenseitigen Unterstützung und Kooperation der revolutionären Kräfte. Bereits 1993 führte sie eine Solidaritäts- und Spendenkampagne für den philippinischen Befreiungskampf durch. Sie unterstützte aktiv den Kampf für das Asylrecht für Joma Sison sowie den Kampf gegen die zeitweise drohende Abschiebung aus den Niederlanden. 2009 konnte erreicht werden, dass er von der „Terrorliste“ der EU gestrichen wurde. Die MLPD arbeitet mit den philippinischen revolutionären Organisationen bei der internationalen Koordinierung und Revolutionierung der Kämpfe eng zusammen, derzeit vor allem auch bei der Gründung und dem weiteren Aufbau der Internationalen Antiimperialistischen und Antifaschistischen Einheitsfront.

 

Die besondere Initiative der Solidarität, zu der die MLPD nun aufgerufen hat, richtet sich gegen die antikommunistische Repressionswelle, die Pogromhetze und gezielte Liquidierung von Kommunisten und anderen fortschrittlich-demokratischen Menschen in den Philippinen. Sie beginnt am 1. Juni und endet am 16. August, dem Datum, an dem der ICOR-Kampftag gegen Faschismus und imperialistischen Krieg insbesondere in Asien begangen wird. An diesem Tag ist eine Protestaktion vor der philippinischen Botschaft in Berlin geplant.

 

Bisher haben das Internationalistische Bündnis sowie die Deutsch-Philippinischen Freunde e.V. zugesagt, diese Initiative mitzutragen und sich dabei gegenseitig zu unterstützen. Weitere Organisationen und Einzelpersonen – gerade auch Jugendliche – sind aufgerufen, sich aktiv einzubringen. Diese Aktivitäten reihen sich auch ein in die wachsende Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“