Rote Fahne 15/2021

Rote Fahne 15/2021

Die Gefährder der Zukunft der Menschheit werden nervös

Der fortschrittliche Stimmungsumschwung unter den Massen hat sich auch in diesem Jahr weiter gestärkt …

Von (fh/sr)
Die Gefährder der Zukunft der Menschheit werden nervös
Foto: RF

... mit kämpferischen Streikaktionen etwa der ostdeutschen Metaller, einem schwungvollen Internationalen Frauentag, vielfältigen Initiativen der Gewerkschaftsbasis am 1. Mai, erneuten Straßenaktionen der „Fridays for Future“-Bewegung mit deutlicher kapitalismuskritischer Tendenz und zuletzt den Protesten gegen das neue reaktionäre Versammlungsgesetz in Nordrhein-Westfalen. Darauf reagieren die Herrschenden – nicht grundlos nervös im Vorfeld der Bundestagswahl – mit einer ganzen Serie repressiver Maßnahmen.

 

Am 26. Juni ließ die NRW-Landesregierung unter Armin Laschet die Polizei in Düsseldorf brutal gegen jugendliche Demonstranten vorgehen. Am 8. Juli verweigerte der Bundeswahlausschuss der DKP ihre Parteienrechte. Am 9. Juli verbot die Kölner Polizei auf Anweisung des Innenministeriums den zwei Tage später geplanten Kongress des kurdischen Dachverbands KCDK-E. Am Tag zuvor kündigte die Commerzbank – sicher nicht ohne Abstimmung mit dem Innenministerium – das Konto von Monika Gärtner-Engel, Internationalismus-Verantwortliche des ZK der MLPD, das Geschäftskonto der Mediengruppe Neuer Weg sowie die Privatkonten ihres Geschäftsführers. Einige Wochen früher kündigte sie bereits das Konto von Stefan Engel, des langjährigen Vorsitzenden der MLPD und Leiters ihres theoretischen Organs. Die Aufrechterhaltung von dessen „Gefährder“-Einstufung seit 2018 steht im Zentrum dieser antikommunistischen Repression.

 

Internationale Tendenz

 

Es ist eine internationale Tendenz, dass die Repression gegen demokratische Bewegungen und Revolutionäre zunimmt – oft begleitet von aggressivem Antikommunismus und gewaltsamer bis tödlicher Verfolgung. Die Herrschenden antworten damit auf die Herausbildung gesamtgesellschaftlicher Krisen in immer mehr Ländern. Sie treibt die Furcht vor der Herausbildung revolutionärer Krisen.

 

Millionen Menschen treten in Kolumbien oft mit Todesverachtung der Unterdrückung entgegen. Aus dem Protest – unter anderem mit einem Generalstreik –gegen eine massenfeindliche Steuerreform und die Einführung von Studiengebühren entwickelte sich eine gesamtgesellschaftliche Krise mit dem Übergang zu einer revolutionären Gärung. Im Zentrum stand schon im Vorfeld der 91 Tage lang erbittert geführte Streik der Bergarbeiter von El Cerrejon, der größten Übertagekohlemine der Welt, für die Wiedereinstellung entlassener Kollegen. Die Bergarbeiter verbanden sich auch mit dem Protest indigener Gemeinden gegen die Folgen des umweltzerstörenden Tagebaus. Bei den oft täglichen Demonstrationen in Kolumbien sind es mutige Jugendliche, die sich schützend vor die Demonstranten stellen und als erste von den Polizeikugeln getroffen werden. Faschistische Todesschwadronen ermorden im Auftrag der ultrareaktionären Duque-Regierung Revolutionäre, kämpferische Gewerkschafter oder Umweltaktivisten. Doch der Widerstand dagegen ist ungebrochen.

 

In den Philippinen hat der sogenannte „Anti-Terror-Rat“ der faschistischen Regierung unter Rodrigo Duterte den Gründungsvorsitzenden der Kommunistischen Partei der Philippinen (CPP), Jose Maria Sison, und 18 weitere führende Persönlichkeiten der CPP unverschämt als „Terroristen“ gebrandmarkt. Hunderte fortschrittliche und revolutionäre Menschen wurden bereits liquidiert, nur weil sie im Verdacht stehen, Kommunisten zu sein oder mit ihnen zusammenzuarbeiten. Dem voraus gingen wachsende Massenproteste gegen die Regierung. 2020 bildete sich ein breites Bündnis von über 100 Organisationen gegen die Duterte-Regierung. Es schrieb den Protest gegen die Covid-19-Politik der Regierung auf seine Fahnen. Der Protest richtete sich auch gegen die Massenarbeitslosigkeit, die Zustände im Gesundheitswesen, das Anti-Terror-Gesetz und Angriffe auf die Pressefreiheit. Die Internationale Automobilarbeiterkonferenz in Südafrika strahlte auf die klassenkämpferische Gewerkschaftsbewegung aus. Im Interview mit der Roten Fahne vom 31. März fasste Joma Sison die Situation so zusammen: „In den Philippinen braut sich ein gewaltiger Sturm zusammen.“

 

In Deutschland: Reaktion auf wachsende Gesellschaftliche Rolle der MLPD

 

Bereits 2018 wurde der Revolutionär und führende Marxist-Leninist Stefan Engel mit einer „Gefährder“-Einstufung belegt - unter dem Vorwand des Rebellischen Musikfestivals zusammen mit weiteren Repräsentanten. Auch das richtete sich gegen die wachsende gesellschaftliche Rolle der MLPD. Sie ist eng verzahnt mit einem sich festigenden Selbstbewusstsein der Arbeiterbewegung. Es ging maßgeblich auf die Initiative der MLPD und des Internationalistischen Bündnisses zurück, dass das Versammlungsrecht unter Corona-Bedingungen verteidigt und erkämpft wurde. Seitdem haben sich die Arbeiterkämpfe belebt, wie derzeit bei Airbus gegen die weitgehenden Folgen einer Umstrukturierung des Konzerns. Es sind die Betriebsgruppen der MLPD, die den Arbeiterinnen und Arbeitern helfen, mit Standortkonkurrenz, Spaltung zwischen Stammbelegschaften und Leiharbeitern, Mobbing sowie antikommunistischen Vorbehalten immer besser fertigzuwerden. Dass sich in der Jugendumweltbewegung die antikapitalistische Tendenz stärken konnte gegen die Versuche liquidatorischer Kräfte, genau dies zu verhindern, geht ebenfalls maßgeblich auf die Kleinarbeit der Aktivistinnen und Aktivisten der MLPD und ihres Jugendverbands zurück. Nicht zuletzt die konsequente Positionierung zur Corona-Pandemie hat Bewusstsein gebildet und zum umsichtigen und kämpferischen Verhalten der Massen beigetragen. Die Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ bekommt gesellschaftliche Relevanz und gibt dem sich entfaltenden fortschrittlichen Stimmungsumschwung Tiefgang. So gelang die nachhaltige Durchbrechung der von den Herrschenden forcierten relativen Isolierung der MLPD.

 

Stefan Engel klagt an

 

Auch in Deutschland greifen sich die Staatsorgane führende Protagonisten dieser Entwicklung wie Stefan Engel heraus, um eine verschärfte Unterdrückung vorzubereiten. Was fürchten sie an ihm so sehr? Millionen wenden sich von der Regierung und den bürgerlichen Parteien ab, aber wohin? Da herrscht viel noch viel Verwirrung im Denken und Fühlen. Stefan Engel steht als marxistisch-leninistischer Arbeiter in Theorie und Praxis für eine klare Orientierung in diesen weltanschaulichen Gefechten. Die Herrschenden glauben selbst nicht an ihre heuchlerische Ideologie der „Ideologiefreiheit“, sonst würden sie nicht im Verfassungsschutzbericht 2018 vor der Gefahr warnen, dass die Revolutionäre „mit ihren umfangreichen Analysen das Potenzial“ bieten, „ideologisch zu inspirieren“.

 

Umfangreiche marxistisch-leninistische Analysen hat Stefan Engel zum Beispiel in dem hochaktuellen Buch „Katastrophenalarm! Was tun gegen die mutwillige Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur?“ geleistet. Vor sieben Jahren hat er exakt vorhergesagt: „Eine wesentliche Ursache dieser Extremwetterereignisse liegt in Veränderungen globaler Strömungssysteme der Luft. Die überdurchschnittliche und rasche Erwärmung der Arktis um 2 Grad Celsius seit 1980 beginnt den Jetwindgürtel auf der Nordhalbkugel zu destabilisieren.“1 Er zieht darin vor allem auch Schlussfolgerungen für die Praxis des aktiven Widerstand im notwendigen gesellschaftsverändernden Umweltkampf. Er ist als Arbeiterführer und Berater wichtiger Kämpfe anerkannt und war 37 Jahre lang Parteivorsitzender der MLPD. Stefan Engel verkörpert die kommunistische Freiheitsideologie mit seiner ganzen Person.

 

Drei Jahre lang verweigerte die Thüringer Generalstaatsanwaltschaft sein Verfahren gegen die dreiste Beschuldigung als Gefährder. Drei Jahre, in denen Stefan Engel zwischenzeitlich sogar vom Bundeskriminalamt auf Ersuchen des „Verfassungsschutzes“ bundesweit zur Fahndung ausgeschrieben wurde – heimlich, damit er sich nicht dagegen wehren konnte. Erst jetzt – am 3. August – wird seine Klage vor dem Verwaltungsgericht Meiningen behandelt. Genau das richtige Signal in einer Zeit, in der die Faschisierung des Staatsapparats weiter vorangetrieben wird, aber auch auf wachsenden Widerstand stößt.

 

In Paragrafen gegossene Polizeiwillkür

 

In der Öffentlichkeit ist der Begriff „Gefährder“ bisher vor allem im Zusammenhang mit islamistisch-faschistischen Terroristen bekannt. Dass er jetzt gegen Revolutionäre und Freiheitskämpfer angewandt wird, kann keinen Demokraten kalt lassen - es ist ein Präzedenzfall. Stefan Engel kämpft auch im Namen und im Interesse aller Revolutionäre und fortschrittlichen Menschen.

 

Schon der bedrohliche und verschwommene Begriff „Gefährder“ stößt bei vielen Leuten auf Stirnrunzeln und Kopfschütteln. Völlig zu Recht, wenn man dieses Konstrukt genauer unter die Lupe nimmt. Das Bundeskriminalamt schreibt: „Ein ‚Gefährder‘ ist eine Person, zu der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung, begehen wird.“2 Spätestens jetzt dämmert jedem halbwegs kritischen Menschen, dass hier die Willkür in Paragrafen gegossen wird. Wenn schon die „Annahme“ reicht, dass Straftaten in Zukunft begangen werden „könnten“, dann findet sich immer ein Vorwand für die Einstufung als „Gefährder“. Da wird schwadroniert von „Straftaten gegen die Landesverteidigung“ oder „gegen die öffentliche Ordnung“ und den „demokratischen Rechtstaat“. Wie demokratisch dieser „Rechtsstaat“ ist, zeigt sich schon daran, dass „Gefährder“-Einstufungen in der Regel in Zusammenarbeit zwischen dem Inlandsgeheimdienst „Verfassungsschutz“ und den Polizeibehörden zustandekommen. Es reichen also „Erkenntnisse“ des Geheimdienstes und schon ist man „Gefährder“. Den Wahrheitsgehalt darf niemand überprüfen, weil ja nun mal „im Geheimen“ ermittelt wurde.

 

Dafür, dass haltlose „Erkenntnisse“ für die Einstufung ausreichen, sind die Folgen umso drastischer. Der „Gefährderbrief“ der Landespolizeiinspektion Saalfeld gegen Stefan Engel vom 15.5.2018 droht mit „freiheitsentziehenden Maßnahmen“ sowie „Sicherstellung“, sprich: Beschlagnahme von Gegenständen wie „Pkw, Handy, Computer, Musikgeräte usw“. Das alles ohne jeden Nachweis eines Vergehens, ohne Anhörung, ohne richterliche Verfügung oder ein gerichtliches Urteil. Auch nach drei Jahren ist der „Gefährderbrief“ uneingeschränkt gültig.

           

Wer sind die wirklichen Gefährder?

 

Viele fragen sich: Wie ist es möglich, dass in diesem Land, das sich als „freiheitlicher Rechtsstaat“ ausgibt, Menschen willkürlich als „Gefährder“ verfolgt werden, obwohl sie sich nichts zu Schulden kommen lassen? Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beteuerte anlässlich 70 Jahren Grundgesetz gar, es bestehe „auch die Freiheit zu hinterfragen, selbst die Mächtigsten zu kritisieren“.3 Wie gnädig! Selbstverständlich darf diese Kritik keinesfalls in revolutionären Schlussfolgerungen münden. Die „Freiheit der Kritik“ hört in Deutschland ganz schnell auf, wenn sie nicht im Rahmen des kapitalistischen Systems steckenbleibt, sondern seine Überwindung durch eine sozialistische Gesellschaft anstrebt. Stefan Engel steht hierzulande mit an vorderster Stelle für diese Perspektive. Es ist diese Gesinnung des kommunistischen Freiheitsideals, die ihn für die Herrschenden zum „Gefährder“ werden lässt.

 

Doch in Wirklichkeit sind sie die wahren Gefährder. Gefährder der Zukunft der ganzen Menschheit angesichts der mutwilligen Zerstörung der Einheit von Mensch und Natur für ihre Profit- und Machtinteressen. Gefährder wie Horst Seehofer bedrohen durch die brutale Flüchtlingspolitik tausende Menschenleben. RWE-Chef Markus Krebber, Siemens-Chef Joe Kaeser oder VW-Chef Herbert Diess sind die Gefährder der Arbeitsplätze und der Natur!

 

Das geht alle an!

 

Stefan Engel erklärt: „In dem Prozess werde ich den Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), den früheren Chef des Verfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen (CDU), den thüringischen Verfassungsschutzleiter Stephan Kramer (SPD) und den Thüringer Polizeidirektor Dirk Löther anklagen.“ Richtig so! Dafür stehen auch alle Mitstreiterinnen und Mitstreiter. Denn Seehofer & Co sind die Drahtzieher der antikommunistischen Kriminalisierung und Verunglimpfung. „Wie weit sind wir in Deutschland schon wieder gekommen“, so Stefan Engel „wenn man mich, ausschließlich weil ich Marxist-Leninist bin, mit faschistoiden Maßnahmen bekämpft und auf eine Stufe mit faschistischen Terroristen stellt? Auch hier gilt: ‚Wehret den Anfängen!‘ und das sollte deshalb keinen demokratisch eingestellten Menschen kalt lassen.“4 Die MLPD lädt alle demokratischen Menschen ein, sich an Kundgebung, Prozess und Demonstrationen am 3. August in Meiningen und Erfurt zu beteiligen.

 

Im Bundestagswahlkampf der Internationalistischen Liste / MLPD werden die Klage von Stefan Engel und die Offensive gegen den Antikommunismus und für den echten Sozialismus ein zentrales Thema sein. Dazu gehört elementar der breite Vertrieb des neuen Buchs „Die Krise der bürgerlichen Ideologie und des Antikommunismus“ von Stefan Engel und die Organisierung einer Massendebatte darüber. Der 3. August wird deshalb nicht nur Protesttag gegen die Kriminalisierung von Stefan Engel sein, sondern auch ein Höhepunkt der Bewegung „Gib Antikommunismus keine Chance!“ und Auftakt für den Wahlkampf.