Rote Fahne 25/2021
„Nur eine möglichst breite Bewegung kann etwas erreichen …“
Michael Zobel, Naturführer und Waldpädagoge, engagiert sich seit Jahren unermüdlich gegen den Tagebau im Rheinischen Braunkohlerevier
Rote Fahne: Was sind die Zusagen von RWE wert, vorerst auf weitere Abriss- und Rodungsarbeiten zu verzichten?
Michael Zobel: Die Erfahrung zeigt, dass solche Zusagen oft nicht mal das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt sind. Gerade in der vergangenen Woche wurde am Tagebau Hambach das Bochheimer Wäldchen gerodet, ein wunderbarer Wald mit 300 Jahre alten Eichen und anderen wertvollen Bäumen. Geschehen ist das wieder einmal mit Rückendeckung aus der Landesregierung NRW und dem Oberbergamt Arnsberg. So funktioniert das hier im Rheinischen Revier seit Jahrzehnten. Einzig und alleine die Gerichte können RWE stoppen.
Auch und ganz aktuell, wenn es um den Abriss der Ortschaft Lützerath am Tagebau Garzweiler geht. RWE hat einen Abriss-Stopp verkündet. Gleichzeitig haben sie aber inzwischen schon fünf mal versucht, Abriss-Maschinen in den Ort zu bringen. Das konnte jedesmal von mutigen Menschen verhindert werden. Nun warten wir alle sehr gespannt auf das Urteil des OVG Münster.
Was erwarten Sie sich von der neuen Regierung hinsichtlich des Kohleausstiegs?
Koalitionsvereinbarungen sind Absichtserklärungen. Nicht mehr und nicht weniger. Was sie wirklich wert sind, wird das tatsächliche Handeln der neuen Regierung zeigen. Formulierungen wie „idealerweise“, „wünschenswert“ und ähnliches tragen nicht unbedingt zu meinem Optimismus bei. Wochen vor der Veröffentlichung der Koalitionsvereinbarung hat der Chef von RWE, Markus Krebber, den Ausstieg aus der Kohle für 2030 für möglich erklärt. Ist es da eine bemerkenswerte Leistung der neuen Koalition, das RWE-Programm zum eigenen politischen Ziel zu erklären? In meinen Augen ist das ein wenig dürftig …
Welche weiteren Aktionen sind geplant?
Wenn die letzten Jahre etwas gezeigt haben, dann ist es die Tatsache, dass eine möglichst breite Bewegung etwas erreichen kann. Und genau das ist und bleibt die Stärke der Klimabewegung. Von Baumhäusern bis Baggerblockaden, von Gerichtsverfahren bis zu Gottesdiensten, von Menschenketten bis zu großen und kleinen Demonstrationen, von Wald- und Dorfspaziergängen bis zu zivilem Ungehorsam – das alles wird weitergehen, weitergehen müssen. Und die Bewegung darf und wird nicht auf die immer wiederkehrenden Spaltungsversuche hereinfallen.
Ohne den Druck von der Straße wird sich die Politik weiterhin viel zu langsam bewegen, unabhängig davon, wer mit wem in Berlin gerade regiert.
Was halten Sie von der Forderung der MLPD nach Ersatzarbeitsplätzen für die dort Beschäftigten?
Selbstverständlich dürfen die Beschäftigten rund um die Tagebaue und die Kraftwerke nicht die Zeche dafür bezahlen, dass ihr Arbeitgeber die Zeichen der Zeit vollkommen verschlafen hat. Es werden in den kommenden Jahren große Summen, die Rede ist allein im rheinischen Braunkohlerevier von 15 Milliarden Euro, in den sogenannten Strukturwandel fließen. Das ist grundsätzlich erst einmal zu begrüßen: Allerdings müssen wir alle wachsam sein, dass nicht der Großteil dieser Mittel wieder an dieselben Akteure, sprich RWE und Konsorten, gegeben wird, die die Klimakatastrophe mit verursachen.
Ersatzarbeitsplätze, das klingt gut. Wichtig ist aber, dass diese nicht nur für Akademiker und Verwaltungsbeamte entstehen, sondern genauso für die Arbeiterinnen und Arbeiter rund um die Tagebaue.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg!