Rote Fahne 25/2021

Rote Fahne 25/2021

Zero-Covid ansteuern: Allgemeine Impfpflicht und Lockdown jetzt!

Marco Buschmann, damals noch designierter FDP-Justizminister der Ampel-Koalition,

Von (fh/ms/mge)
Zero-Covid ansteuern: Allgemeine Impfpflicht und Lockdown jetzt!
Foto: WiR_Pixs / Pixabay / Pixabay-License

... schwebte am 27. Oktober auf Wolke sieben. Gewichtig verkündet er, dass bereits der 25. November 2021 ein „kleiner Freedom Day“ werde, ab dem es keine Lockdowns, keine Betriebsschließungen, keine Ausgangssperren mehr gebe.1 Der Gelsenkirchener Buschmann ist übrigens ausgewiesener MLPD-Hasser und einer der Initiatoren des Wahlplakates der FDP „Lenin raus aus Horst“. Es wurde zum Rohrkrepierer – genauso wie Buschmanns „Freedom Day“. An besagtem 27. Oktober gab es bereits 23 212 neue Infektionen, 1707 Kranke lagen auf den Intensivstationen. Zahlreiche sinnvolle Schutzmaßnahmen wie Maskentragen in Schulen waren grob fahrlässig abgeschafft. Alle nur einigermaßen weitsichtige Menschen – darunter viele Virologen und die MLPD – schlugen Alarm. Doch die bürgerlichen Spitzenpolitiker schlugen all das erneut in den Wind. Es kam, wie es kommen musste: Nur einen Monat später, am 4. Dezember, gab es bereits 64 510 Neuinfektionen, fast 5000 Intensiv-Patienten und 378 Todesopfer in 24 Stunden. Patienten müssen in andere (Bundes-)Länder verlegt werden, weil Intensivstationen voll sind. Die „milde Form der Triage“ hat begonnen.2   

     

Die MLPD hat seit Beginn der Pandemie in jeder Phase ein differenziertes Programm vorgeschlagen, mit dem die Pandemie hätte gebrochen werden können: Mehr Personal im Gesundheitswesen! Masken und Abstand, flächendeckendes Testen! Für massenhafte Impfungen und die Aufhebung des Patentschutzes weltweit! Im letzten Winter wurde die Forderung nach einem kurzen Lockdown auf Kosten der Monopole nötig – bei voller Lohnfortzahlung. Wenn diese Maßnahmen jeweils umgesetzt worden wären, könnten Zehntausende noch leben, Hunderttausenden Familien wäre die Krankheit und der Tod von Angehörigen erspart worden.

 

Wenn einzelne Elemente davon befolgt wurden, dann immer erst, nachdem diese Forderungen mehr und mehr Menschen erfassten und die Situation sich unkontrolliert krisenhaft zuspitzte. Aber auch dann galt der heilige Schwur, dass die Monopole bei ihrer Profitproduktion keinen Tag behindert werden dürften.

 

Inzwischen ist eine Situation entstanden, wo nur noch die Kombination von sofortigem Lockdown auf Kosten der Monopole und allgemeiner Impfpflicht den weiteren Tod Tausender, hunderttausendfache Schädigung der Massen und besonders der Kinder und Jugendlichen sowie den Zusammenbruch des Gesundheitssystems verhindern können. Das Zentralkomitee der MLPD hat am 30. November konsequenterweise die dringende Forderung nach Einführung der allgemeinen Impfpflicht gegen Covid-19 beschlossen, in Verbindung mit einem kurzzeitigen Lockdown in Form vorgezogener allgemeiner Weihnachtsferien – auf Kosten der Monopole: Volle Lohn- und Gehaltsfortzahlung sowie Entschädigung der kleineren Betriebe, Künstler und Selbständigen! Keine Abwälzung der Lasten auf die Familien und insbesondere die Frauen! Die Pandemie kann nur mit der Perspektive einer Null-Covid-Strategie gebrochen werden.

 

Wie konnte es so weit kommen?

 

Hauptverantwortlich ist das gescheiterte Krisenmanagement der seitherigen CDU/SPD-Bundesregierung im Verbund mit dem Länderchaos – und inzwischen auch der neuen Ampel-Regierung:

 

* Sie haben das Gesundheitswesen auf Maximalprofit getrimmt, Personal und Betten abgebaut. Sie haben zu verantworten, dass heute wegen schlechter Bezahlung und miserabler Arbeitsbedingungen weniger Menschen in dem Bereich arbeiten als vor der Pandemie.

 

* Alle bürgerlichen Parteien haben im Bundestagswahlkampf ihr Versagen schöngeredet. Sie legten nahe, die Pandemie wäre im Griff, schuld an Problemen seien alle anderen und alleine die jeweils eigene Partei werde alles zum Besseren wenden.

 

* Die Hospitalisierungsrate als Kriterium für Corona-Maßnahmen einzuführen, war eine verhängnisvolle Entscheidung. Damit wurde zum Prinzip erhoben, erst um Wochen verspätet zu reagieren. Dann, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Das brachte zum Ausdruck: nicht jeder einzelne Kranke und Tote muss verhindert werden. Nein, es interessiert nur der geordnete Ablauf von Krankheit, Tod und Wirtschaftsleben.

 

* Inzwischen plant die Ampel-Koalition möglicherweise eine Impfpflicht für den Gesundheitsbereich ab 16. März.3 Die allgemeine Impfpflicht käme dann wahrscheinlich sogar zu spät, um die drohende fünfte Welle zu brechen – ganz zu schweigen von der jetzigen Katastrophe.

 

Beim „Vorantasten“ voll an die Wand geknallt

 

Weltanschauliche Grundlage des gescheiterten Krisenmanagements ist die bürgerliche Ideologie des Pragmatismus: Statt vorausschauend, planmäßig und auf wissenschaftlicher Grundlage zu handeln gab Kanzlerin Merkel die Parole aus: „Tag für Tag vorantasten.“ 4 Sozusagen vom Tiefdunkel umnachtet erst dann zu handeln, wenn man mit dem Kopf gegen die Wand knallt. CSU-Chef Markus Söder behauptete dreist, die Wissenschaftler hätten die vierte Welle nicht kommen sehen5, obwohl das RKI 6 und andere sie exakt vorberechnet hatten. Die bürgerliche Ideologie des Pragmatismus, des „Auf-Sicht-fahrens“, kann höchstens die kapitalistische Produktion notdürftig am Laufen halten, aber keines der zugrunde liegenden Probleme lösen. Sie werden allenfalls positivistisch in den Erscheinungsformen beschrieben. Die zugrundeliegenden Gesetzmäßigkeiten werden für unerklärlich deklariert oder gleich ganz abgestritten. Denn dann kämen ja die kapitalistischen Ursachen zum Vorschein!

 

Diktatur der Monopole live

 

Alle Regierungen in diesem Staat folgen brav den Forderungen der Monopole. Das ist der erste und entscheidende Faktor für das Desaster. In der Corona-Politik konnte man live verfolgen, wie bürgerliche „Spitzen-“Politiker die Anweisungen fast wörtlich und ohne Zeitverzug übernehmen:

 

Erster Akt: Der Unternehmerverband BDA7 sprach sich noch im Sommer klar gegen eine Corona-Impfpflicht aus. „Als Arbeitgeber setzen wir weiter auf Freiwilligkeit.“8 Entsprechend hat Olaf Scholz noch im September im Bundestag „einen neuen Lockdown im Winter und eine Impfpflicht ausgeschlossen“.9

 

Zweiter Akt: BDI10-Präsident Siegfried Russwurm forderte am 17. November: „Bund und Länder sollten in Ergänzung der neuen 2G- und 3G-Regeln eine einrichtungsbezogene Impfpflicht einführen.11 Scholz sprach sich prompt für eine „Corona-Impfpflicht in bestimmten Einrichtungen“ aus.12

 

Dritter Akt: Am 19. November drängte der BDI, „dass in einer so dramatischen Corona-Lage auch eine Impfpflicht als Ultima Ratio ein mögliches Szenario ist.“13 Einen Tag später nannte Markus Söder „seine Ultima Ratio gegen das Mist-Corona: Eine Impfpflicht für alle.“14 Auch Scholz machte Ende November den Salto mortale und plädierte für eine Impfpflicht für alle.15

 

Warum wurden die Monopolverbände plötzlich fiebrig und angeblich impffreudig? Sie registieren plötzlich, dass sie im internationalen Konkurrenzkampf mächtig zurückfallen, während China mit seinen rigorosen Corona-Maßnahmen boomt. Ihnen schwant zugleich, dass die Abwälzung der Krisenlasten auf die Arbeiter und die breiten Massen nicht reibungslos ablaufen wird. In anderen Ländern sind längst politische Krisen bis hin zu revolutionären Gärungsprozessen wie in Lateinamerika entstanden.

 

So nutzt man die Gunst der Stunde, um eine Militarisierung der Gesellschaft voranzutreiben. Natürlich unter humanitärer Flagge: Olaf Scholz überträgt die Führung des Krisenstabs dem Bundeswehrgeneral und Chef des „Kommandos Territoriale Aufgaben“, Carsten Breuer, für eine Art Feldübung des Territorialkommandos zur Aufstandsbekämpfung im Inland.

 

Corona-Leugner, Impfgegner und faschistische Drahtzieher

 

Zweiter Faktor für das Debakel der Corona-Politik in Deutschland ist die medial massiv aufgewertete ultrareaktionäre und unwissenschaftliche Weltanschauung von Impfgegnern und Impfskeptikern. „Die Sozialpsychologein Pia Lamberty wirft der Bundesregierung Verharmlosung beim Umgang mit Impfgegner:innen vor. … ‚Hätte man das ernster genommen, würde man heute besser dastehen‘.“16 Und wenn die Polizei bei den Querdenker-Demonstrationen nicht eingreift, „das strahlt in diese Szene zurück, das gibt ihnen Aufwind“.17 Stimmt!

 

Mit den salbungsvollen Worten, dass man die Szene zwar kritisiere, aber dennoch Impfen nur eine freiwillige Entscheidung des Einzelnen sein dürfe, gab man dem egoistischen und individualistischen Freiheitsbegriff enormen Aufwind und schadete dem Kampf gegen die Pandemie. In Spanien bekamen alle Menschen einen Impftermin zugeschickt und man musste absagen, wenn man keine Impfung wollte.18 Dort gibt es inzwischen 80,8 Prozent Geimpfte und eine Inzidenz von 130!

 

Die MLPD greift in Verbindung mit ihren stets treffenden Sofortprogrammen seit Februar immer intensiver in die weltanschauliche Debatte ein und attackiert den egoistischen und individualistischen Freiheitsbegriff. Die Parteivorsitzende Gabi Fechtner: „Freiheit ist Einsicht in die Notwendigkeit, so qualifizierte das Friedrich Engels.“19 Diese Debatte um den Freiheitsbegriff wird inzwischen breit aufgegriffen. Meistzitierter Philosoph ist derzeit Immanuel Kant mit seiner Weisheit, dass die Freiheit des einen genau da ende, wo die Freiheit des anderen beginnt. Nicht ganz so klar wie bei Engels, aber immerhin.

 

Neue Gefahr „Omikron“

 

Der dritte Faktor für die aktuelle Welle ist das Auftauchen der neuen Variante Omikron. Über das reale Gefahrenpotenzial der neuen Variante weiß man noch nicht allzu viel. Sorgen bereitet den Wissenschaftlern die große Zahl von Mutationen vor allem am Spike-Protein, das an die menschlichen Zellen andockt (siehe auch Seite 23). Es könnte bald weltweit dominieren. Das Auftauchen dieser Variante bestätigt vor allem, was die MLPD von Anfang an gesagt hat: Jede nachlässige Zeitverzögerung in der Pandemiebekämpfung bedeutet nur Spielraum für die zwangsläufige Entstehung neuer Mutationen. Und: Covid-19 kann nur international besiegt werden!

 

Während es eine große wissenschaftliche Leistung ist, den Impfstoff in relativ kurzer Zeit zu entwickeln, verhindert die Profitgier der Pharma-Monopole seinen effektiven Einsatz im Kampf gegen die Pandemie. Die vierte Weltkonferenz der revolutionären Weltorganisation ICOR kritisierte in der Schlussresolution die „Monopolisierung der Impfstoffe durch die imperialistischen Staaten und die Blockade gegenüber allen Versuchen, ein unabhängiges Gesundheitssystem und die Produktion von Impfstoffen einzurichten (Kuba, Madagaskar)“.20

 

Erst 6,6 Prozent der 1,3 Milliarden Menschen in Afrika sind geimpft.21 In einem Webinar der ICOR wurde über die Lage der Menschen in Südafrika berichtet: „Die schlechten sozialen Bedingungen bringen sie in die Situation, dem Coronavirus ausgesetzt zu sein. Diese Menschen benutzen die öffentlichen Verkehrsmittel mit voller Auslastung der Pendler. In den ländlichen Gebieten gibt es überhaupt kein sauberes Wasser, die Bauern trinken schmutziges Wasser zusammen mit den Tieren. Die armen Menschen haben keinen Zugang zu sauberem fließendem Wasser und gesunder Nahrung, das ist der Hauptgrund dafür, dass diese Menschen so leicht für das Coronavirus anfällig sind.“

 

Obwohl die Grundlagenforschung für den mRNA-Impfstoff an der Universität Pennsylvania staatlich finanziert war und weltweit zusätzlich etwa 93 Milliarden Euro Steuergelder in die Impfstoff-Entwicklung investiert wurden, reklamieren Biontech / Pfizer und Moderna die Profite nur für sich. Sie beharren auf ihren Patenten, mit massiver Rückendeckung von Merkel und Co. Die internationale „People‘s Vaccine Alliance“ (PVA) hat errechnet, dass der Jahresgewinn dieser Konzerne aus Corona-Impfstoffen 34 Milliarden Dollar beträgt – pro Sekunde 1000 Dollar!22

 

Merkels Abschiedsbotschaft

 

Angela Merkel verabschiedet sich mitten im Krisenchaos aus dem Kanzleramt. Die Auswahl der Lieder beim „Großen Zapfenstreich“ bereitete nicht nur der Militärkapelle Kopfzerbrechen ob der Mixtur der Botschaft. Mit dem Choral „Großer Gott, wir loben dich!“ erbat die Pfarrerstochter am Ende ihrer Amtszeit Hilfe vom „Allmächtigen“: „Nimm uns nach vollbrachtem Lauf zu dir in den Himmel auf.“

 

Doch bis dahin soll es doch noch eine Weile dauern und deshalb erst mal „rote Rosen regnen“. Frau Merkel will „fern vom Alten neu entfalten, von dem, was erwartet, das meiste halten“. So die minimalistische Bilanz für jemand, der laut Knef-Chanson „mit 16 sagte … ich will siegen, … ich will alles oder nichts“ und im Laufe des Lebens eben so seine Abstriche machte. Passt zu Angela Merkel, die immerhin mal Agitation und Propaganda für die Freie Deutsche Jugend in der DDR machte.

 

Impfpflicht: „Typisch sozialistisch“?

 

Wenn Antikommunisten heute beklagen, eine Impfpflicht erinnere sie an sozialistische Impfkampagnen, so kann man nur antworten: So ist es! Der Antikommunismus geht jedoch lieber über Leichen, als vom Sozialismus zu lernen. Der wissenschaftliche Sozialis­mus ist Erbe der fortschrittlichsten Errungenschaften der Menschheit. In der Sowjetunion gab es im Jahr 1919, nach dem Weltkrieg und mitten im Kampf gegen imperialistische Aggression 186 000 Pocken-Infektionen. Lenin unterzeichnete im April 1919 ein Dekret über die Impfpflicht mit Androhung von Strafen durch Volksgerichte. Im Jahr 1936 war die Pocken-Epidemie in der Sowjetunion besiegt.23 Auch in der DDR war Impfpflicht ein wesentlicher Beitrag zur Gesundheit der Massen (mehr dazu auf Seite 28).

 

Der Kampf gegen die Corona-Pandemie muss mit der Perspektive des echten Sozialismus geführt werden. Die MLPD konnte mit ihrem klaren Klassenstandpunkt und der dialektischen Methode jederzeit in der Pandemie Kurs halten und Orientierung geben. Sie hat auch das Know-how, die Menschen in diesem Kampf zusammenzuschließen. Es ist entscheidend für den Erfolg dieses Kampfes, mit den Denkverboten des Antikommunismus fertig zu werden und statt dem goldenen Kalb des Profitprinzips die Menschen entsprechend dem kommunistischen Freiheitsideal in den Mittelpunkt zu stellen. Dann ist wirklich „Freedom Day“.