Rote Fahne 01/2022
Bis heute umstritten: Der erfolgreiche Weg der Bochumer Opelaner
Am 17. November musste der Chef von Stellantis, Carlos Tavares, die geplante kalte Schließung des Opelwerks in Eisenach und die Ausgliederung der Werke in Rüsselsheim und Eisenach aus dem Opelverbund zurücknehmen
Der Rückzieher war ein großer Erfolg der kämpferischen Belegschaft und der breiten, konzern- und länderübergreifenden Solidarität. Das politische Risiko einer weiteren Ausweitung und vor allem eines selbstständigen Streiks der Opelaner war Tavares zu groß. Zumal auch in anderen Konzernen wie VW, Daimler, Bosch und Airbus massive Pläne zur Arbeitsplatzvernichtung auf dem Tisch liegen. Zugleich sind die Opel-Belegschaften gewarnt: Tavares hat lediglich zugesagt, bis Ende 2022 auf die Kündigung des Vertrages zu verzichten.
Der „Bochumer Weg“ war der richtige!
Was Tavares und den Chefs der anderen Konzerne am meisten Kopfzerbrechen macht, ist der gewachsene Einfluss der MLPD in und vor den Betrieben. Die Bochumer Opel-Belegschaft hatte ausgehend von ihrem siebentägigen selbständigen Streik 2004 und kleineren selbständigen Streiks und Aktionen über zehn Jahre die Schließung ihres Werkes verhindert. Dass das Werk dann 2014 geschlossen wurde, daran sei die Belegschaft selbst Schuld wegen ihrer kämpferischen Haltung und hohen Kampferfahrung über die Jahrzehnte, behaupten der Opel-Vorstand – aber auch rechte Vertreter der IG-Metall-Führung immer wieder.
Es ist genau umgekehrt: weil von eben diesen Kräften jeder Kampf sabotiert wurde, hatte die Konzernführung freie Hand, ihre Pläne durchzuziehen. Mal war es zu früh, zu kämpfen – einen Tag später zu spät. Mal wurde gegen „die Roten“ gehetzt – mal mit satten Abfindungen gewunken. Mal wurde Kampfbereitschaft verdammt – ein anderes Mal versucht, einzelne Aktivisten zu bauchpinseln.
Natürlich hat die Bochumer Opel-Belegschaft Geschichte geschrieben und ist deshalb für die Co-Manager und Klassenversöhnler, die sich den Monopolplänen unterwerfen wollen, buchstäblich ein rotes Tuch. Sie war verantwortlich für viele weitreichende Entscheidungen und Weichenstellungen:
Mit der Ablehnung des Erpresservertrags1 durch 76 Prozent der Belegschaft 2013 hat sie gewagt, dem ewigen Verzichtsreigen ein Ende zu machen. Sie hat damit die Taktik der Klassenzusammenarbeit und des „sozialverträglichen Arbeitsplatzabbaus“ offen zum Scheitern gebracht. Das jahrzehntelange Denkmuster, „Verzicht rettet Arbeitsplätze“, wurde massenhaft durchbrochen.
Das war auch das Ergebnis der jahrelangen systematischen Kleinarbeit der MLPD und ihres wachsenden Einflusses. Er schlug sich in einer positiven Gewerkschaftsarbeit und kämpferischen Betriebsratsarbeit nieder in Verbindung mit tagtäglicher Kleinarbeit und Solidarität, verband sich aber auch mit dem gesamten Leben der Kolleginnen und Kollegen sowie ihrer Familien. Ohne ihn hätte es den Streik und den konzernweiten Kampf 2004 nicht gegeben. Ohne ihn wäre es nicht gelungen, die Schließung des Werks zumindest zehn Jahre lang zu verhindern. Er war deshalb Opel und den bürgerlichen Politikern schon damals ein solcher Dorn im Auge, dass sie schließlich die Werksschließung auf Biegen und Brechen durchsetzten.
Bleibende und unverzichtbare Lehren
Durch diesen Taktikwechsel trat der Klassengegensatz offen in Erscheinung. Das war auch eine neue Herausforderung an die Arbeiterbewegung, die mit der Weiterentwicklung des Systems der kleinbürgerlichen Denkweise einherging, vor allem einer massiven antikommunistischen Hetze. Die Arbeiterbewegung muss daraus Lehren ziehen: Zum einen mit der kleinbürgerlich-antikommunistischen Denkweise fertigzuwerden, aber auch gewerkschaftliche und selbständige Kämpfe bis hin zu selbständigen Massenstreiks systematisch vorzubereiten, höherzuentwickeln und mit der Perspektive des systemverändernden Kampfs für den Sozialismus zu verbinden.
Was wäre denn die Alternative gewesen? Dass alles „friedlich“ und „sozialverträglich“ unter dem Banner der Klassenzusammenarbeit weiterläuft – mit dem Ergebnis, dass das Bochumer Werk eben schon zehn Jahre früher geschlossen worden wäre. Das wichtigste, bleibende Ergebnis des Kampfs der Bochumer Opel-Belegschaft besteht jedoch nicht in der zeitweiligen Verhinderung der Werksschließung, sondern in ihren Kampferfahrungen und deren gründlicher Auswertung mit Hilfe der MLPD. Dafür steht unter anderem das von den beiden Offensiv-Betriebsräten Annegret Gärtner-Leymann und Steffen Reichelt herausgegebene Buch „Was bleibt … zehn erkämpfte Jahre Opel Bochum 2004 bis 2014“. Es enthält auch wichtige Passagen zum Opel-Streik aus dem Buch von Stefan Engel „Morgenröte der internationalen sozialistischen Revolution“ (S. 419–426).
Diese Lehren finden heute schöpferische Anwendung in vielen anderen Belegschaften und ihren Kämpfen. Sie haben wesentlich auch zum erfolgreichen Kampf gegen die Schließung des Eisenacher Werks beigetragen.