Rote Fahne 06/2022

Rote Fahne 06/2022

Ist die Bundeswehr „marode“?

Seit dem völkerrechtswidrigen Überfall der russischen Armee auf die Ukraine herrscht im deutschen Bundestag seltene Einigkeit. Unter anderem in der Frage der Hochrüstung der Bundeswehr

Von (ako)
Ist die Bundeswehr „marode“?
Das verwirrende mediale Dickicht durchschauen – Klares NEIN zur weiteren Hochrüstung der Bundeswehr! (Bild: Nato-Stacheldraht). Foto: Sigi SuRF / Pixabay

SPD, Grüne, FDP, CDU / CSU bis hin zur AfD beschwören das Szenario: „Deutschland kann sich nicht mehr ­selber verteidigen!“ Ampel-Koalition und parlamentarische Opposition spielen sich dabei gegenseitig in die Karten. „Eine Nähe zum Militär zu haben, war politisch nicht korrekt. Die Ankündigung des Sondervermögens der Bundeswehr mit 100 Milliarden Euro hätte doch bis vor ein paar Wochen noch Massenproteste ausgelöst …“1, meint Serap Güler, verteidigungspolitische Sprecherin der CDU, offenherzig.

 

Die „Nähe zum Militär“ pflegt gerade der Minister in spendabler Weise, der das Geld von Gesetzes wegen eigentlich zusammenhalten sollte. Die deutschen Streitkräfte seien, so jammert Finanzminister Christian Lindner (FDP), „seit Jahren auf Verschleiß gemanagt“ worden, um dann zu erklären: „Unser Ziel, auch mein Ziel, ist, dass wir im Laufe dieses Jahrzehnts eine der handlungsfähigsten, schlagkräftigsten Armeen in Europa bekommen.“2 Also erst schlechtreden, um dann die weitere Militarisierung zu rechtfertigen!

 

„Das Material der Bundeswehr umfasst 4600 gepanzerte und 11.500 ungepanzerte sowie geschützte Fahrzeuge“, resümiert das Verteidigungsministerium dagegen, und: „Luftwaffe, Heer und Marine verfügen zusammen über mehr als 250 Hubschrauber und über mehr als 300 Flugzeuge. Die Marine ist mit über 50 Schiffen und Booten ausgestattet.“3 Das ist nicht nur Erfolgspropaganda. Immerhin operiert die Bundeswehr aktuell in zehn Einsätzen mit über 2100 Soldaten im Ausland. Dazu kommen acht sogenannte „Missionen“, die angeblich nicht als Einsatz zählen, wie etwa die NATO-Mission, in der der Luftraum der drei baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen abgesichert wird. Unter anderem kommen hier die 13.700 Soldaten zum Einsatz, die für die schnelle Eingreiftruppe NATO Response Force (NRF) gestellt werden. Deutschland stellt damit ein knappes Drittel der Kräfte der NRF.

 

Offensichtlich ist die Bundeswehr in der NATO nicht ganz so schlecht angesehen, wie es der Öffentlichkeit in Deutschland weisgemacht werden soll. Auch die finanzielle Ausstattung ist bei weitem nicht so dürftig, wie behauptet. Die Militärausgaben Deutschlands wurden von 39,8 Milliarden US-Dollar 2013 kontinuierlich auf 52,8 Milliarden im Jahr 2020 gesteigert. Damit steht Deutschland auf dem siebten Platz im weltweiten Ranking der Länder mit den höchsten Militärausgaben, knapp hinter Russland, das 2020 einen offiziellen Etat von 61,7 Milliarden US-Dollar auswies.

 

Das Verteidigungsministerium weiter: „Die materielle Einsatzbereitschaft aller im Bericht umfassten 71 Hauptwaffensysteme hat sich im Berichtszeitraum insgesamt verstetigt.“ Was soll es also heißen, die Armee zu „einer der handlungsfähigsten, schlagkräftigsten Armeen in Europa“ zu machen? Umfassende Aufrüstung mit bewaffneten Drohnen und eigenen Flugzeugträgern, Weltraumrüstung oder gar gemeinsame Atomwaffen mit Frankreich? Ein klares NEIN zur weiteren Hochrüstung der Bundeswehr!