Rote Fahne 07/2022

Rote Fahne 07/2022

Jugend aktiv für den Weltfrieden: „Jugendoffiziere raus aus den Schulen!“

Bei den weltweiten Protesten gegen den russischen Angriffskrieg in der Ukraine stehen oft Jugendliche mit vorne dran. Vor allem in Europa sind viele ...

Von (rt / ms)
Jugend aktiv für den Weltfrieden: „Jugendoffiziere raus aus den Schulen!“
Matt Hrkac / CC BY 2.0

... aufgewachsen in der systematisch verbreiteten Vorstellung vom „Friedensprojekt EU“, das die Lehren aus dem II. Weltkrieg gezogen habe. Der Ukrainekrieg mitten in Europa und die akute Gefahr eines dritten Weltkriegs erschüttern nicht nur diese Lebenslüge. Als Erklärungsmuster vertreten bürgerliche Politiker und Massenmedien, der „unzurechnungsfähige Diktator“ Wladimir Putin sei dafür verantwortlich. Ausgeblendet wird, dass es seit dem zweiten Weltkrieg weltweit 72 Kriege zwischen verschiedenen Staaten gab und 170 Bürgerkriege innerhalb eines Staates.1 Auch in Europa wurden Kriege geführt – vor allem nach dem Zerfall des früheren Jugoslawien und der Sowjetunion. Für den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Serbien war 1999 die NATO verantwortlich. Mit der aktuellen Zuspitzung um die Ukraine bricht hervor, was nie überwunden war: Imperialismus bedeutet Krieg! Die Herrschenden fürchten, dass sich diese Erkenntnis erneut Bahn bricht und damit das kapitalistische System als Ursache in den Fokus der Proteste rückt. Dazu müssen allerdings auch viele komplizierte Fragen geklärt werden.           

 

„Stand with Ukraine“, „Solidarität mit der Ukraine“ ist bei den Protestaktionen auf vielen Schildern zu lesen. Im Vordergrund stehen das Mitgefühl für die ukrainische Bevölkerung und die Ablehnung der Aggression Russlands. Im Friedenswunsch der Jugend entfaltet sich zugleich der Kampf um die Denkweise. In einer konzertierten Aktion haben die bürgerlichen Jugendverbände von Anfang an auf die Antikriegsproteste Einfluss genommen. In einem Aufruf vom 22. Februar schrieben Jusos, Julis, Grüne Jugend und Junge Union: „Mit der gestrigen Anerkennung der Separatistengebiete und der Ankündigung des Truppeneinmarsches in diese, hat Wladimir Putin den Weg der Eskalation unmissverständlich gewählt. Wir verurteilen dieses völkerrechtswidrige Vorgehen scharf und stehen solidarisch an der Seite der Ukraine, die als souveräner Staat integraler Bestandteil Europas ist.“ Unter dieser Stoßrichtung führten die bürgerlichen Jugendverbände Aktionen in mindestens 50 Städten durch und gaben sich dabei als „Friedenskräfte“ aus.

 

Um die Jugend für die Politik der Bundesregierung und der NATO zu gewinnen, blenden sie auf eklektizistische2 Weise die Vorgeschichte und das gesamte Wesen des Konflikts aus. Es ist keine Frage, dass der Angriffskrieg Russlands ein barbarischer, mit nichts zu entschuldigender Akt ist. Tatsächlich haben für die Eskalation auch die westlichen imperialistischen Länder eine Verantwortung, indem sie ihn mit provoziert haben. Wortbrüchig haben sie Russland durch NATO-Beitritte fast aller osteuropäischen Anrainerstaaten umkreist. Auch den aktuellen Krieg nehmen sie zum Vorwand einer weiteren Eskalation der Hochrüstung und Vorbereitung eines dritten Weltkriegs. Die NATO schließt den Ring um Russland mit neuen Truppenverlagerungen und Manövern immer enger. Der NATO-Gipfel vom 24. März beschloss, die sogenannten Battlegroups flächendeckend in allen Ländern an der Ostflanke des Militärbündnisses zu stationieren (siehe Seite 30/31). Einzig vor dem Ansinnen eines offenen Eingreifens, zum Beispiel mit der Durchsetzung einer Flugverbotszone, scheut die NATO derzeit zurück – wohlwissend, dass das den Übergang in einen dritten Weltkrieg, womöglich mit einer atomaren Konfrontation, bedeuten würde. Sie hat zugleich die ABC-Einheiten in ihren schnellen Eingreiftruppen in Alarmbereitschaft versetzt. Selbst die dürftigen Regelungen der NATO-Russland-Grundakte hat die NATO inzwischen offen beiseitegewischt.

 

Solidarisch müssen die Menschen in Deutschland an der Seite der ukrainischen Bevölkerung stehen, nicht jedoch an der Seite der Selenskyj-Regierung, die für den Eintritt in die NATO und die EU steht und eng mit den herrschenden Oligarchen verflochten ist. Dass die bürgerlichen Jugendverbände die Ukraine zum „integralen Bestandteil Europas“ erklären – im Unterschied zum geografisch ebenfalls teilweise zu Europa gehörenden Russland – macht Stimmung für den Anspruch der EU auf dieses Land. „Souverän“ ist die Ukraine zwar formal. Sie ist aber wie Griechenland, Albanien oder Rumänien ein abhängiges kapitalistisches Land, dessen Monopolkapitalisten heute eng mit den westlichen Imperialisten zusammenarbeiten.

 

Wer konsequent für den Frieden kämpfen will, muss heute gegen alle imperialistischen Mächte Front machen und darf sich nicht vor den Karren der bürgerlichen Parteien und ihrer Jugendverbände spannen lassen.

 

„Freie“ Ukraine?

 

Mit seine Youtube-Videos und Twitter-Meldungen präsentiert sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj auch unter der Jugend als Medienstar. Doch wie weit ist es her mit der „Freiheit“, die er angeblich in der Ukraine verteidigt? Sicher herrscht in Russland eine äußerst eingeschränkte bürgerliche Demokratie mit zunehmend faschistischen Methoden. Wesentlich anders ist die Situation in der Ukraine aber nicht. Noch vor eineinhalb Jahren urteilte sogar der europäische Rechnungshof: „Noch immer teilen Oligarchen, hohe Staatsdiener und korrupte Staatsanwälte und Richter den Staat unter sich auf, verschwinden Milliarden ins Ausland.“3 Selenskyj hat allein 2020 fünf oppositionelle Fernsehsender verboten. Jetzt gibt es nur noch ein einziges Einheitsprogramm. Wo ist der wesentliche Unterschied zu Putins Medienzensur? Vor allem wird in der Ukraine jegliche Opposition eingeschüchtert und verfolgt. Das Zeigen kommunistischer Symbole ist seit 2015 streng verboten. Denkmäler revolutionärer Führer werden systematisch entfernt oder zerstört. Selenskyj setzt diese Politik seit seinem Amtsantritt 2019 fort.

 

Doch auch mit der „Musterdemokratie“ in Deutschland ist es nicht weit her. Zwar gibt es hier noch eine Vielzahl von Rundfunk- und Fernsehsendern. Selten war deren Berichterstattung aber so weitgehend gleichgeschaltet wie in diesen Tagen. Kritik an der NATO ist aus den Medien derzeit fast vollständig verbannt. Für ihre revolutionären Positionen werden führende Repräsentanten der MLPD wie Stefan Engel, Monika Gärtner-Engel und Gabi Fechtner kriminalisiert, verfolgt und ihrer Rechte beraubt. Das BKA hatte sie zeitweise europaweit zur Fahndung ausgeschrieben. Stefan Engel war nur wegen seiner Gesinnung jahrelang als „Gefährder“ eingestuft, bis das Verwaltungsgericht Meiningen dies untersagte.

 

Wer gegen imperialistische Kriege kämpfen will, braucht heute einen kritischen Standpunkt gegenüber dem Medien-Mainstream und muss offensiv gegen Repression und für die Verteidigung demokratischer Rechte eintreten.

 

„Fridays for Future“: Wirkliche Alternativen gefragt

 

Beim Aktionstag von „Fridays for Future“ am 25. März demonstrierten bundesweit 220 000 Menschen für Frieden und Umweltschutz. Ein wichtiges Anliegen war vielen die Kritik am Rollback der Ampel-Koalition in der Umweltpolitik, an massiver Aufrüstung und offener Kriegsbeteiligung. Während es der Masse der Demonstranten um die Zukunftsinteressen der Menschheit und der Jugend ging, argumentierte der Aufruf des Orgateams in Deutschland – getreu der Ausrichtung der Bundesregierung – vor allem mit der Abhängigkeit von „Putins Energien“: „Neben kurzfristigen Alternativen braucht es vor allem einen starken Ausbau Erneuerbarer Energien! Nur so schaffen wir Unabhängigkeit von Autokraten und halten die Klimakrise auf.“

            

Was sollen aber die „kurzfristigen Alternativen“ sein? Sind damit auch Erdgaslieferungen aus Katar oder den USA gemeint, wie sie der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck anbahnt? Auf der Suche nach von Russland unabhängigen Energiequellen landet er dabei von dem einen „Autokraten“ (Putin) bei einem anderen (Katars Scheich Tamim bin Hamad Al Thani). Nach „kurzfristig“ sehen die mit Katar geschlossenen Verträge über die Lieferung von LNG-Flüssiggas nicht aus. Genausowenig wie der Vertrag zwischen EU und USA über die Lieferung von zunächst 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas, welche auf 50 Milliarden Kubikmeter steigen soll. Dass es aus der besonders umweltschädlichen Fracking-Förderung stammt, spielt plötzlich keine Rolle mehr. Die Distanzierung des Orga-Teams von „Autokraten“ ist auch deshalb halbherzig, weil sie vor der Kritik an der weltweiten Diktatur der Monopole halt macht, die für die Führung und Vorbereitung imperialistischer Kriege die ganze Menschheit dem Untergang in einer globalen Umweltkatastrophe preisgibt. Sei es durch die Verschiebung sämtlicher versprochener Ausstiegsszenarien aus Kohle- und Atomkraft oder die Inkaufnahme eines atomaren Weltkriegs. 

 

Diese Entwicklung zeigt deutlicher denn je, dass die Rettung der Umwelt die revolutionäre Überwindung des Imperialismus mitsamt seiner Gesetzmäßigkeit zu Kriegen erfordert. Es braucht eine Massendiskussion über die wirkliche Alternative Sozialismus, die Schluss macht mit imperialistischen Kriegen, ebenso gesetzmäßiger Umweltzerstörung und der Herrschaft der Monopole über die ganze Gesellschaft. Eine Massendiskussion aber auch über den Antikommunismus und die Bandbreite opportunistischer Strömungen, die vor ihm einknicken und allesamt den Blick auf diese Perspektive versperren sollen.

 

Kein Verzicht für Hochrüstung und imperialistischen Krieg

 

Von den sozialen Folgen des Kriegs wie der drastisch steigenden Inflation sind jetzt schon vor allem Kinder und Jugendliche aus Arbeiterfamilien, Auszubildende und junge Arbeiterinnen und Arbeiter betroffen. Das ist erst der Beginn bisher nicht gekannter Einschnitte für die Masse der Jugend. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) stimmt bereits auf „härtere Tage“ ein.

 

Das „Entlastungspaket“ der Regierung mit seinem Einmal-Zuschuss von 300 Euro brutto, seiner auf drei Monate beschränkten Senkung der Spritsteuer sowie dreimaligen Billigfahrkarte von 9 Euro bringt dagegen nur minimale und kurzfristige Entlastung. Es ist zu begrüßen, dass in verschiedenen gewerkschaftlichen Gliederungen wie etwa der Delegierteversammlung der IG Metall in Gera Resolutionen gegen den Krieg und die Hochrüstung verabschiedet werden.

 

Protest gegen Jugendoffiziere

 

In Nordrhein-Westfalen haben die Jugendoffiziere der Bundeswehr seit Kriegsbeginn ihre Einsatzzahlen an Schulen verdoppelt. Das Schulministerium der CDU/FDP-Landesregierung bescheinigt den Jugendoffizieren, sie würden angeblich nur „über Friedens- und Sicherheitspolitik informieren“, jedoch „nicht für die Arbeit in der Bundeswehr werben“. Dabei ist völlig klar, dass es Aufgabe der Jugendoffiziere ist, die militaristische Beeinflussung der Jugend weiter voranzutreiben. Hinter der angeblichen „Friedens- und Sicherheitspolitik“ Deutschlands verbirgt sich mittlerweile eine aggressive Außen- und Militärpolitik. Die LandesschülerInnenvertretung (LSV) in NRW lehnt Jugendoffiziere an den Schulen ab. „Militarismus ist noch  nie eine Lösung gewesen“, sagt Laura Körner vom LSV-Vorstand. Auch die GEW-Landesvorsitzende Ayla Celik meint, Schule dürfe „kein Ort der Rekrutierung junger Menschen“ sein.5

 

In seinem Buch „Strategie und Taktik im Klassenkampf“ weist MLPD-Vordenker und -Mitbegründer Willi Dickhut darauf hin: „Der moderne, der imperialistische Krieg ... steht und fällt mit der Bereitschaft der Volksmassen in den imperialistischen Ländern, die Weltherrschaftspläne der Monopole und ihren Krieg zu unterstützen. Die Imperialisten sind sich der großen Gefahr bewußt, daß sich die Massen von Werkzeugen für den Krieg in Werkzeuge gegen den Krieg verwandeln können. Daher versuchten sie mit allen Mitteln, die ganze Gesellschaft mit dem militaristischen Geist zu durchdringen … .“6

 

Gegen die militaristische Beeinflussung der Jugend muss der antimilitaristische Kampf verstärkt werden. In den 1970er- und 1980er-Jahren gab es eine antimilitaristische Bewegung mit Protesten gegen Wehrkundeunterricht und Jugendoffiziere, Flugblattaktionen bei Bundeswehr-Shows, Bildung antimilitaristischer Arbeitskreise oder Demonstrationen gegen öffentliche Gelöbnisse. Der REBELL und seine Vorläuferorganisation RJVD7 spielten darin eine aktive Rolle.

 

Macht mit in den Widerstandsgruppen! Stärkt den REBELL!

 

Große Teile der Jugend der Welt wollen sich weder in imperialistischen Kriegen verheizen lassen noch ihre Zukunft in anderer Weise dafür opfern. Das zeigen die Massenproteste in Russland zu Beginn des Krieges mit meist jungen Demonstrierenden, von denen bereits weit über 16 000 verhaftet wurden. Das zeigt sich aber auch in den tagelangen Massenprotesten in Albanien gegen die enormen Preissteigerungen seit Kriegsbeginn oder den jüngsten Demonstrationen in Mali gegen das französische Militär.

 

Damit aus diesen Kämpfen eine weltweite Bewegung wird, die sich gegen alle imperialistischen Mächte richtet, die unter Führung der Arbeiterbewegung kämpft und offen ist für eine gesamtgesellschaftliche, sozialistische Alternative, muss die Masse der Jugend fertig werden mit den vielfältigen Einflüssen der militaristischen und nationalistischen Propaganda sowie des imperialistischen und kleinbürgerlichen Pazifismus.

 

Dafür setzen sich die MLPD und ihr Jugendverband derzeit unter anderem mit dem Aufbau rebellischer Widerstandsgruppen ein (siehe Seite 18/19). Die Entwicklung einer massenhaften antimilitaristischen Bewegung der Jugend als Teil der notwendigen neuen Friedensbewegung erfordert auch die Stärkung des REBELL auf dem Weg zum Jugendmassenverband. Deshalb wird auch die Beteiligung der Internationalistischen Liste / MLPD an den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen im Zeichen der Gewinnung der Jugend stehen. Ein Höhepunkt im Kampf um den Weltfrieden wird das überparteiliche 20. Internationale Pfingstjugendtreffen in Gelsenkirchen (mehr dazu auf Seite 21).