Rote Fahne 12/2022
Explodierende Gewinne – grassierende Armut: Wie passt das zusammen? Was ist zu tun?
Die Preise steigen immer weiter. Das besorgt die Menschen laut Umfragen inzwischen mehr als der Ukrainekrieg oder die Corona-Pandemie. (1) Jede(r) Dritte muss sich demnach ...
... bereits einschränken oder befürchtet dies.2 FDP-Parlamentsgeschäftsführer Johannes Vogel versucht, den Ball flachzuhalten: „Natürlich beobachten wir gemeinsam, wie sich die Inflation weiter entwickelt ... . Dann schauen wir, welche weiteren Entlastungsschritte nötig sind.“ Die Devise der Regierung ist: Die Inflation weiter befeuern, weil sie riesige Summen in die Staatskasse spült und die Staatsverschuldung real senkt. Und gegebenenfalls beschwichtigend eingreifen, wenn die Tassen hochgehen und sich Massenproteste anbahnen. So warnt die EVP-Fraktion3 im Europaparlament, die Inflation sei „politisch explosiv“.4
Die verschiedenen Vertröstungen und Rechtfertigungen für die galoppierende Inflation ziehen bei den Leuten immer weniger. Anfang des Jahres beteuerten die bürgerlichen Politikern noch, dass sie nur eine vorübergehende Erscheinung sei und bis dahin die Entlastungsmaßnahmen zur „Überbrückung“ dienten. Inzwischen gehen zwei Drittel davon aus, dass die Preise weiter steigen werden.5 Josef Sanktjohanser, Präsident des Handelsverbands Deutschland: „Die zweite Welle an Preissteigerungen kommt, und die wird sicherlich zweistellig.“
Von wegen: „Alle müssen für den Krieg Opfer bringen“
Dann hieß es, der „Krieg in der Ukraine treibt die Inflation“ und dafür müssten sich eben alle zeitweilig einschränken. Von wegen alle! Tatsächlich sind in Deutschland, einem der reichsten Länder der Welt, bereits etwa 16 Millionen Menschen – fast ein Fünftel der Bevölkerung – von relativer Armut betroffen.6 Im Jahr 2002 galt das für 12,7 Prozent.7
Gleichzeitig explodieren die Gewinne vieler großer Monopole. So steigerten die 30 im Deutschen Aktienindex (DAX) gelisteten Konzerne ihre offiziellen Gewinne im ersten Quartal um durchschnittlich 21 Prozent – ein neues Rekordniveau.8 Und das mitten in der anhaltenden Weltwirtschafts- und -finanzkrise und trotz oder besser wegen des begonnenen Kriegs in der Ukraine. Die „Rettungsschirme“ der Bundesregierung und die Politik des billigen Geldes der Europäischen Zentralbank (EZB) trugen maßgeblich dazu bei. Seit Jahresbeginn pumpte die EZB weitere 250 Milliarden Euro in die EU-Wirtschaft.9
Es hat sich mehr und mehr herumgesprochen, dass bisher kein Tropfen Öl und kein Kubikmeter Gas weniger nach Deutschland geliefert wurde als vor Beginn des Ukrainekriegs. In Wirklichkeit nützen ihn vor allem die Spekulanten, Energie- und die Nahrungsmittelkonzerne schamlos zur Bereicherung aus. Der Spritpreis ist ein reiner Raubpreis. 2012 lag der Preis pro Barrel Rohöl bei 111 Dollar und der Dieselpreis bei etwa 1,45 Euro. Vor einer Woche kostete das Barrel Öl 104 Dollar. Und der Dieselpreis? Er betrug mehr als 2 Euro.
Auf die Regierung hoffen?
Viele Menschen erwarten, dass die Regierung wirksam gegen die Inflation vorgeht. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will „eine Antwort geben, über das jetzige Entlastungspaket hinaus“.10 Er weiß genau, dass die Wirkung der befristeten Maßnahmen schnell verpuffen wird. Die Steuerentlastungen für Benzin und Diesel gelten ebenso wie das 9-Euro-Ticket nur für die Monate Juni bis August. Die einmaligen „Soforthilfen“ sind in kürzester Zeit wieder aufgebraucht.
Warum sollte die Regierung aber die Inflation wirksam bekämpfen, gehört der bürgerliche Staat doch selbst zu ihren größten Profiteuren. Die Schätzung des Finanzministeriums geht schon bei den derzeitigen Preisen von über 32 Milliarden Euro an zusätzlichen Mehrwertsteuereinnahmen in diesem Jahr aus.11 Damit wäre bereits ein Drittel des 100-Milliarden-„Sondervermögens“ für die Aufrüstung der Bundeswehr finanziert.
Aus einem ähnlichen Grund halten die EZB und ihre Chefin Christine Lagarde an ihren Niedrigstzinsen fest. Damit werden „auch deutsche Sparer schlagartig enteignet, denn die Inflation frisst das Ersparte rasch auf. … Eine gewaltige Umverteilung von Sparern zu den Staaten hat begonnen, Wirtschaftsforscher nennen den Effekt ‚Inflationssteuer‘.“ Die Inflation ist auch deshalb politisch gewollt, weil auf diesem Weg die gigantische Staatsverschuldung auf die Massen abgewälzt wird.
Was tun?
Die Leute sind immer weniger bereit, den Preis für die Kriegs- und Umverteilungspolitik zu bezahlen. Und die Herrschenden befürchten, dass die Zustimmung zum Ukrainekrieg weiter sinkt, je offensichtlicher die Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten wird.
Der Gedanke eines Lohnnachschlags stößt in den Betrieben auf wachsende Zustimmung. Statt auf die Regierung zu hoffen, ist Vertrauen auf die eigene Kraft gefragt. Ein Lohnnachschlag muss wegen des fehlenden Streikrechts mit selbständigen Streiks erkämpft werden. Damit haben vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen kaum noch Erfahrungen. Es ist an der Zeit, das wieder zu lernen. Die MLPD verfügt über das dazu nötige Know-how. Sie setzt sich dafür ein, den Kampf um Lohnnachschlag eng mit dem Kampf gegen die Abwälzung der Kriegs- und Krisenlasten und dem aktiven Widerstand gegen einen dritten Weltkrieg zu verbinden. Dazu müssen sich die Industriearbeiter mit vielen anderen Kräften in einer neuen Friedensbewegung zusammenschließen.
Doch wieso sollten wir uns überhaupt mit einer Gesellschaftsordnung abfinden, in der die wachsende Ausbeutung zu immer mehr Armut und gleichzeitig unermesslichem Reichtum führt? Was könnte man allein mit den 13,8 Billionen US-Dollar tun, die die derzeit 2755 Milliardäre auf der Welt 2021 gehortet haben?12 Schon mit 14 Milliarden Dollar könnte der Hunger auf der Welt weitgehend überwunden werden.13 Was wird erst möglich sein, wenn die Welt vom Diktat des allein herrschenden internationalen Finanzkapitals befreit ist und in sozialistischen Staaten der Welt die Befriedigung der sich stets verändernden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Menschen zur Leitlinie wird?