Rote Fahne 13/2022

Rote Fahne 13/2022

„Es wäre richtig gewesen zu streiken …“

Das Verhandlungsergebnis in der Tarifrunde der Eisen- und Stahlindustrie ist einerseits ein Ergebnis der Streikbereitschaft – und trotzdem ein fauler Kompromiss

Von (Landesleitung NRW)
„Es wäre richtig gewesen zu streiken …“
Warnstreik bei thyssenkrupp Electrical Steel in Duisburg am 9.6.2022, Foto: RF

In der letzten Verhandlungsrunde wurde ein Ergebnis erzielt: Erhöhung der Tariflöhne und Gehälter um 6,5 Prozent ab 1. August 2022, für Juni und Juli einmalig 500 Euro, 200 Euro für Azubis, Laufzeit 18 Monate bis 30. November 2023, Verlängerung der Tarifverträge zur Altersteilzeit und Werkverträge. Dieses Verhandlungsergebnis wird jetzt unter den IG-Metall Mitgliedern diskutiert und soll am 8. Juli 2022 von der Tarifkommission abgestimmt werden.

 

Es ist die höchste Tariferhöhung seit 30 Jahren in der Stahlindustrie. „Wir hatten aber auch noch nie eine so hohe Inflation!“ meinte ein Kollege von thyssenkrupp Duisburg (tkSE) Duisburg. Die Stahlkonzerne mussten ein Zugeständnis machen angesichts der wachsenden Kampf- und Streikbereitschaft der Stahlarbeiter. Mit Demonstrationszügen, Torblockaden, kämpferischen Kundgebungen und wirkungsvollen Warnstreiks verliehen sie ihren Forderungen Nachdruck. Immer mehr Kollegen und Vertrauensleute übernahmen Verantwortung. „Setzen wir uns mit Urabstimmung und Streik gegen die Konzerne und Preistreiber durch!“ So ein weiterer Kollege von tkSE Duisburg. Genau das wollten die Stahlvorstände nicht.

 

Die MLPD und ihre Betriebsgruppen haben aktiv zu den erfolgreichen Streiks beigetragen und mit den Kollegen auch die Blockaden organisiert. Hierbei wurde die Kritik an dem kapitalistischen Lohnsystem geführt und Perspektive des echten Sozialismus verankert. Selten war eine Tarifrunde so hochpolitisch wie dieses Mal. Es gibt viele neue Kontakte zu Kollegen, die richtig kämpfen und streiken wollen.

 

Die IG-Metall Führung wollte einen Streik und den wachsenden Einfluss der MLPD vermeiden, musste aber der Kampf- und Streikbereitschaft der Kollegen nach jahrelangem Verzicht nachgeben. Sie feiert jetzt dieses Verhandlungsergebnis als das Beste was möglich war: „Das lassen wir uns nicht kaputt reden,“ so Tekin Nasikkol, Betriebsratsvorsitzender von tkSE, auf der Vertrauensleutevollversammlung in Duisburg. Angesprochen auf die Inflation und die Kriegsprofite der Stahlkonzerne versuchen sie, den Unmut der Kollegen auf eine Unterschriften-Aktion der IG-Metall an die Bundesregierung zu kanalisieren. Damit sollen Kritiken unterdrückt und eine offene Auseinandersetzung in der IG-Metall vermieden werden. Doch die Stimmung unter vielen Kollegen sieht anders aus. „Es wäre richtig gewesen zu streiken“ - gerade wegen der langen Laufzeit und der nach wie vor steigenden Inflation.

 

Wenn das Verhandlungsergebnis von der Tarifkommission angenommen wird, belebt es die Diskussion, sich aktiv für einen Lohnnachschlag einzusetzen und dafür auch zu streiken. Nur wer kämpft, kann gewinnen! Jetzt erst recht!