Rote Fahne 14/2022

Rote Fahne 14/2022

Vom Schlachtruf in den Medien zum Völkergemetzel auf den Schlachtfeldern

Gegenwärtig wächst bedrohlich die Gefahr eines Dritten Weltkriegs. Damit wachsen aber auch die Potenziale für die Gegenkräfte, die diesen Krieg verhindern können. Das vermitteln auch Lehren aus den Erfahrungen der Arbeiterbewegung im Kampf gegen den Ersten Weltkrieg

Von (wr)
Vom Schlachtruf in den Medien zum Völkergemetzel auf den Schlachtfeldern
Trotz alledem beendete die Novemberrevolution 1918 in Deutschland den I. Weltkrieg, Foto: Bundesarchiv / Bild_183-18594-0045 / CC BY-SA 3.0

Bereits der Theoretiker der modernen Kriegsführung, der preußische General von Clausewitz, erkannte die Bedeutung der Gewinnung der öffentlichen Meinung, um einen Krieg vorzubereiten und zu gewinnen. Die psychologische Kriegführung ist nicht weniger entscheidend als die Waffen, ihre Beherrschung durch die Soldaten und der noch so ausgeklügelte strategische Plan der Militärführung.

 

Mitte des ersten Jahrzehnts des letzten Jahrhunderts bereitete Generalfeldmarschall Graf von Schlieffen mit dem nach ihm benannten „Schlieffen-Plan“ auf deutscher Seite den I. Weltkrieg militärisch vor. Er erkannte, dass der beste Plan nichts nützt, wenn nicht „… ein ‚einig Volk von Brüdern‘ sowie eine große starke mächtige Armee von einer festen Hand geführt wird und von unbedingtem Vertrauen erfüllt ist.“1

 

Die Medien und Massenkultur ersäuften das ganze gesellschaftliche Leben mit militaristischen Sieges- und Durchhalteparolen. Eine verschwindende Minderheit um den revolutionären Flügel mit Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg2 erhob mutig ihr mahnendes Wort und stemmte sich dem Kriegstaumel entgegen. Nachdem der erste Siegesrausch verflog und der blutige Stellungskrieg 1916 begann, brachen in der Bevölkerung erste spontane Unruhen aus. Mit den Frontberichten, den „glorreich“ gefallenen Helden, dem Hunger, Elend und der massiven Unterdrückung schwand die Wirkung der psychologischen Kriegführung. In immer mehr Städten organisierten Frauen Hungerstreiks und Aktionen gegen die Preistreiberei der Energie- und Lebensmittel von bis zu 70 Prozent in einem Jahr. 150 Jugendliche zogen am 21. November 1915 in Berlin mit dem Lied der „Internationale“ vom Brandenburger Tor über die Straße Unter den Linden. Zum Hunger gesellte sich der Polizeiterror gegen jeden Widerstand.

 

Es war ein historischer Fehler, dass die Spartakisten in der SPD vor den Massen nicht rechtzeitig den Trennungstrich zu den reformistischen Vaterlandsverteidigern zogen und nicht früher zur Gründung einer revolutionären Partei übergingen. Dabei stand ihr persönlicher Mut außer Frage. Auf der 1. Mai-Demonstration 1916 in Berlin rief Karl Liebknecht umringt von Polizei in die Menge: „Nieder mit der Regierung, nieder mit dem Krieg!“ Seine Verhaftung löste eine breite Protestwelle aus. Der Beginn der Revolution in Russland und der Sturz der Zarenmonarchie im Februar 1917 förderte die revolutionäre Bewegung auch in Deutschland. Im Oktober 1918 leitete der Aufstand der Matrosen der Hochseeflotte eine Welle der Revolution ein. Sie erfasste in Windeseile das ganze Land und beendete den I. Weltkrieg.

 

Wenn die Regierung heute meint, „schwere Waffen“ würden zur kriegsentscheidenden Frage in der Ukraine werden, begreift sie die historischen Lehren nicht. Es gilt grundlegend, was schon Bertolt Brecht den Militaristen ins Stammbuch schrieb: „General, der Mensch ist sehr brauchbar, er kann fliegen, er kann töten. Aber er hat einen Fehler: Er kann denken.“