Rote Fahne 17/2022
Kampf um imperialistische Blockbildungen
Der weltweite Wirtschaftskrieg, den die US- und EU-Imperialisten mit der Begründung des Ukrainekriegs gegen das neuimperialistische Russland angezettelt haben, provoziert das Ende eines einheitlichen Weltmarkts, der noch vor wenigen Jahren als Heilsbotschaft der „Globalisierung“ angepriesen wurde
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion bestimmte zwei Jahrzehnte lang die Neuorganisation der internationalen kapitalistischen Produktion die weltweite Wirtschaftsentwicklung. Das schützte nicht vor internationalen Wirtschafts- und Finanzkrisen und hob keineswegs die zwischenimperialistische Konkurrenz auf.
Aber die jetzige Entwicklung stellt die internationale Arbeitsteilung in Frage, reißt internationale Produktionsverbünde auseinander und schneidet ganze Industriebranchen von der Zufuhr von Rohstoffen und Vorprodukten, aber auch von Absatzmärkten ab. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser offenen Krise der Neuorganisation der internationalen Produktion sind in ihrer ganzen Tragweite heute noch kaum abzusehen.
„Friend-Shoring“ nennen bürgerliche Ökonomen neuerdings verharmlosend die Tendenz, Handel nur noch mit „befreundeten“ Staaten zu betreiben und Abhängigkeiten in den Lieferketten zu verringern.1 Eine treffendere Bezeichnung wäre: Umstellung auf Kriegswirtschaft, in der es internationale Arbeitsteilung und Handel hauptsächlich nur noch mit den eigenen Verbündeten gibt – als Bestandteil der Vorbereitung eines Dritten Weltkriegs.
Zugleich kann die Neuorganisation der internationalen Produktion auch nicht einfach zurückgedreht werden und kennzeichnet es die unlösbaren Widersprüche der Imperialisten, dass sie trotzdem weiterhin Interesse an der Aufrechterhaltung des Welthandels haben. Zumal für eine dermaßen rohstoff- und exportabhängige Wirtschaft wie die Deutschlands eine solche Abkehr von den weltweiten Abhängigkeiten nahezu unmöglich ist.
Fieberhaft sind die Reisetätigkeiten der imperialistischen Politiker, um überall „Friends“ für ihre neuen Blockbildungen zu finden. Dabei scheint derzeit vor allem China voranzukommen.
Die USA konnten zwar ihre führende Rolle in der NATO gegenüber der EU und wichtigen Partnern wie Japan, Südkorea, Australien oder Israel festigen und ausbauen, haben aber bei den neuimperialistischen Ländern zunehmend das Nachsehen.
In Lateinamerika ist der US-Imperialismus durch seine jahrzehntelange Politik in ihrem angeblichen „Hinterhof“ unter den Massen so verhasst, dass kaum eine Regierung es wagt, sich offen auf die Seite der USA zu stellen.
US-Präsident Joe Biden besuchte nach dem „strategischen Partner“ Israel auch Saudi-Arabien – mit wenig Erfolg. Zu Beginn seiner Regierungszeit hatte er das Land noch massiv angegriffen. Dabei störte ihn in Wirklichkeit weniger der brutale Mord an dem Journalisten Kashoggi als die gegen die US-Ölwirtschaft gerichtete Niedrigpreispolitik der OPEC. Jetzt gilt es für die USA zu verhindern, dass das neuimperialistische Saudi-Arabien als größter Ölexporteur der Welt mit einem möglichen Beitritt das wirtschaftliche und politische Gewicht der BRICS-Staaten2 und der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ)3 unter Chinas Führung deutlich stärkt. Saudi-Arabien plant inzwischen den Verkauf eines Teil seiner Ölexporte in Renminbi – statt in Dollar.4 Eine Abkehr von der bisherigen Dollar-Dominanz im internationalen Ölhandel steigert die reale Gefahr eines Wirtschaftseinbruchs in den USA.
Der Iran hat wie auch Argentinien bereits einen Aufnahmeantrag in den BRICS-Verbund gestellt, neben Saudi-Arabien haben auch Ägypten und die Türkei den Prozess dazu eingeleitet. Hier liegen die Hintergründe für die provokative Politik des US-Imperialismus gegenüber China, zuletzt mit dem Besuch der Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, in Taiwan.
Neben dem BRICS-Verbund und der SOZ ist die sogenannte „Neue Seidenstraße“ ein weiteres wichtiges Standbein Chinas im zwischenimperialistischen Konkurrenzkampf. Sie umfasst 138 Länder in Europa, Asien, Afrika und Lateinamerika.
Auch Russland hat in den letzten Jahren die Verbindungen nach Afrika stark ausgebaut. Engste Verbündete sind der Sudan, Mali und die Zentralafrikanische Republik. Russland ist mit 44 Prozent der Importe der größte Waffenlieferant für den afrikanischen Kontinent5. Über die russische Söldnertruppe „Wagner“ unterstützt Putin reaktionäre Regimes und hat militärische Kooperationsabkommen mit mehreren Ländern6. Im Juli besuchte Außenminister Sergei Lawrow Ägypten, Kongo-Brazzaville, Uganda und Äthiopien. Die Vereinbarungen über den Weizenexport aus der Ukraine sind wesentlich dem Interesse Russlands geschuldet, die Weizenlieferungen für seine afrikanischen Verbündeten sicherzustellen.7
Das heftige Ringen um neue Blockbildungen ist Teil der Vorbereitungen aller Imperialisten auf einen Weltkrieg und fordert den weltweiten Widerstand der Arbeiterklasse und der breiten Massen heraus.