Rote Fahne 08/2025
Eisler und Beethoven in der Essener Philharmonie – „Musik mit Haltung“
„Musik mit Haltung“ – treffend war so das Programmheft dieses eindrucksvollen Konzerts in der Essener Philharmonie am 23. Februar – und zwei Tage später in der Stuttgarter Liederhalle – überschrieben.
Die A-capella-Kantate „Gegen den Krieg“ des kommunistischen Komponisten Hanns Eisler von 1936 und Antikriegstexte von Bertolt Brecht zu kombinieren mit Beethovens utopisch-revolutionärer 9. Sinfonie von 1824, das war ein ebenso mutiges wie gelungenes Programm des weltberühmten belgischen Dirigenten Philippe Herreweghe.
Die Rezensentin der „Stuttgarter Zeitung“ bemerkt pikiert: „Brechts Aufforderung an das auf beiden Seiten der Front leidende ‚gemeine Volk‘, sich mit einem ‚Dieser Krieg ist nicht unser Krieg!‘ aufzulehnen gegen die Kriegs-Profiteure, bringt Schillers lautes Elysium in Beethovens letztem Satz mächtig ins Wackeln. Das muss, wer sich zurücklehnen und die ‚Ode an die Freude‘ ungestört erleben will, nicht gut finden.“
Beethoven „ungestört erleben“?
Beethoven „ungestört erleben“ widerspricht vollkommen dessen Anliegen mit dieser großen Sinfonie: als eine bewusste politische Kampfansage an das ultrareaktionäre Metternich-Regime nach dem Wiener Kongress 1815, das die bürgerlich-demokratischen Errungenschaften der französischen Revolution wieder zu vernichten versuchte. Der in Schillers „Ode“ verwendete Begriff „Freude“ war in der vom Feudalismus erzwungenen Freidenker-Geheimsprache identisch mit „Friede“.
Und genau das verbindet Beethoven mit Brecht und Eisler: Der Kampf gegen barbarische Kriege und Unterdrückung auf dem Weg zu einer befreiten Gesellschaft. Eisler begann seine Zusammenstellung der Brecht-Texte so: „Als der letzte Krieg vorüber war, gab es Sieger und Besiegte. Bei den Besiegten das nied’re Volk hungerte. Bei den Siegern hungerte das nied‘re Volk auch.“
Beeindruckendes Kunststück
Eisler gelang musikalisch ein beeindruckendes Kunststück: Er stellte die Zwölftontechnik seines Kompositionslehrers Arnold Schönberg „gewissermaßen vom Kopf auf die Beine“. Die Zwölftontechnik war kein formaler Selbstzweck, sondern diente in den 24 kunstvollen Variationen einer einprägsamen Zwölftonreihe der ausdrucksstarken musikalischen Darstellung der Brecht-Texte.
Wo es nötig war, benutzt Eisler auch wieder die Tonalität: so am Schluss, als der Chor nach einer dissonanzenreichen Passage die letzte Brecht-Zeile eindrucksvoll nur auf einem Ton sang: „Dieser Krieg ist nicht unser Krieg!“ Eine ebenso kraft- wie kunstvolle Kampfansage auch an die gegenwärtigen barbarischen Kriege in der Ukraine, in Palästina …
Entsprechend der Spezialität von Herreweghe spielte das „Orchestre des Champs-Elysee“ Beethoven mit Originalinstrumenten – klar, durchsichtig, dynamisch und am Schluss aufbrausend zum Schlussjubel „Alle Menschen werden Brüder …“. „Musik mit Haltung“ – eben!